In Kürze

Scham und Nacktheit in der Pflege

Berlin (pag) – Die Pflege macht vor allem mit Fachkräftemangel und Ausbildungsreform Schlagzeilen. Mit „Scham und Nacktheit in der Pflege“ hat die Gesellschaft zur Förderung altersgerechten Wohnens FaW ein ungewöhnliches Thema für ihr Forum gewählt, das aller-dings für die Betroffenen von enormer Bedeutung ist. „Die Konfrontation mit Nacktheit und Scham prägt unseren Alltag“, sagt Dr. Günter Meyer, Geschäftsführer der Pflegestation Meyer & Kratzsch.

Eine Krankenschwester pflegt eine ältere Frau zuhause. © AOK-Mediendienst

Die Fachtagung beleuchtet das Thema aus philosophischer und psychologischer Perspektive. Es gehe darum, die Würde des Individuums zu betrachten, sagt Meyer, der für das Programm des Forums verantwortlich ist. Ihm ist es wichtig, dass dabei sowohl die Situa-tion der Pflegekraft als auch die der zu versorgenden Person berücksichtigt werden. Die Philosophin Dr. Katja Stoppenbrink, Westfälische Wilhelms-Universität Münster, beschäftigt sich in ihrem Vortrag mit Dimensionen der Menschenwürde in der Pflege. Dabei geht sie auf das Instrumentalisierungsverbot sowie Autonomie und Selbstbestimmung ein, aber auch auf die Herausforderung, trotz Zeitdruck und angespannter Personalsituation würdevoll zu pflegen. „Ich behaupte, dass man sich für Würde entscheiden kann, dass man Würde als Haltung tatsächlich pflegen kann.“ Es gehe darum, wie bestimmte Handlungen ausgeführt werden und welche Haltung damit zum Ausdruck kommt. „Das ist die Kunst der Praxis“, Pflege sei eine Menschenwürde-Profession. Bei Stoppenbrinks Diskussion mit den Pflegekräften steht vor allem die Veränderung des Ichs in der Demenz im Mittelpunkt: Was tun, wenn die Demenzpatientin Dinge zu tun wünscht, die sie vor ihrer Erkrankung strikt abgelehnt hat?
In dem zweiten Vortrag der Veranstaltung beschäftigt sich der Sozialwissenschaftler Dr. Stephan Marks mit Scham als tabuisierter Emotion. Scham sei der stärkste Entwicklungsimpulsgeber, Scham entsolidarisiere, sagt er. An die Anwesenden appelliert der Autor, die Pflege als „Raum der Würde“ zu gestalten. Das Team solle ein Ort sein, wo man mit seiner Scham sein darf – wo Anerkennung, Schutz, Zugehörigkeit erlebt werden.