In Kürze

Déjà-vu: Die AMNOG-Diskussion tritt auf der Stelle

Berlin (pag) – Beschleunigte Zulassungsverfahren, frühe und späte Nutzenbewertung, Innovations- und AMNOG-Check, Hochpreistendenzen und Versorgungslücken – wer im Herbst auf Terminen zum Thema Arzneimittel unterwegs ist, den befällt ein Déjà-vu-Erlebnis, denn die Themen ähneln sich stark.

Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzen-der der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, gibt mit Prof. Gerd Glaeske den Innovations-report der Techniker Krankenkasse (TK) heraus. Beim Arzneiverordnungs-Report (AVR) ist er neu im Herausgeberteam. Bei beiden Präsentationen nimmt er die „drastisch“ zunehmenden beschleunig-ten Zulassungsverfahren bei Arzneimitteln ins Visier. Die Folge: Das Wissen über die neuen Medikamente sei nicht mehr so fundiert, nachträglich Evidenz zu beschaffen funktioniere nicht. Patienten seien daher mit unsicheren Arzneimitteln konfrontiert. „Wir geben sehr viel Geld für Arzneimittel aus, deren Nutzen wir nicht kennen“, kritisiert er. Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, will daher, dass beschleunigt zugelassene Arzneimittel nur in qualifizierten Zentren angewendet werden dürfen. An den Zentren sollen auch firmenübergreifende und pharmaunabhängige Studien durchgeführt werden, um Evidenzlücken zu schließen. Als Vorbild nennt Litsch bei der Vorstellung des AVR den Pharmafonds in Italien, dessen Mittel aus einer prozentualen Gebühr der Hersteller auf deren Marketingausgaben stammen.

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Kritik an der zu zögerlichen Verordnung von Biosimilars, hochpreisigen Arzneimitteln und Orphanisierungsstrategien kommen sowohl bei dem TK- als auch bei AVR-Termin zur Sprache. Die von Litsch verlangte späte Nutzenbewertung fordert auch Barmer-Chef Prof. Christoph Straub bei einer Diskussionsrunde des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller. Dort kritisiert BAH-Vorstand Dr. Andreas Kress die dominante Rolle des GKV-Spitzenverbandes im AMNOG-Prozess: „Er definiert die Voraussetzungen für die Nutzenbewertung mit, deren Ergebnis anschließend als Grundlage bei den Preisverhandlungen dient.“ Der vom Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie beauftragte AMNOG-Check nimmt dagegen die Folgen der Nutzenbewertung für die Versorgung näher unter die Lupe: Post AMNOG ist die Verfügbarkeitsquote der europäisch zugelassenen AMNOG-fähigen Präparate in Deutschland von 98 auf 82 Prozent gesunken, ergibt die Analyse von Prof. Dieter Cassel und Prof. Volker Ulrich. Seit 2011 stehen durch Marktaustritte insgesamt 28 bereits eingeführte Produkte nicht mehr auf dem deutschen Markt zur Verfügung. 2011 und 2013 kam es lediglich zu einem einzigen Rückzug, im vergangenen Jahr sind dagegen zehn Marktaustritte zu verzeichnen.

Der Verband forschender Pharma-Unternehmen vermisst in einer Stellungnahme methodische Vorfahrtsregeln für Kinderarzneimittel bei der Nutzenbewertung. Der Gesetzgeber solle dazu Vorgaben machen und das Thema nicht dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) überlassen. Dieser hat im September einen Evidenztransfer, das heißt die Übertragung der Nutzenbewertung von Erwachsenen auf Kinder, für ein Medikament zur Behandlung von HIV-Infektionen für Kinder ab sechs Jahren abgelehnt. Auf der öffent-lichen Plenumssitzung moniert der unparteiische G-BA-Vorsitzende, dass ein Hersteller eine „Flut von Nachmeldungen“ für sein Dossier eingereicht habe. Dieses sei „sehr selektiv“ aufbereitet gewesen. So werde das „Stellungnahmeverfahren ad absurdum geführt“, sagt Prof. Josef Hecken.