In Kürze

Gesundheitliche Ungleichheit in Europa: Kreative Lösungen gesucht

Berlin (pag) – „Armut und Gesundheit hängen in der EU noch immer sehr stark zusammen“, beklagt der EU-Kommissar für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit, Dr. Vytenis Andriukaitis, kürzlich bei einer Veranstaltung der Friedrich-Ebert-Stiftung in Berlin. Die Europäische Union müsse in diesem Bereich effektiver arbeiten, um die Auswirkungen des Sozialstatus auf die Gesundheit zu verringern.

Die Themen soziale Ungleichheit und Gesundheit stünden in Deutschland auf der Agenda – das sei in vielen anderen Ländern nicht der Fall, merkt Andriukaitis an. Er fordert die EU-Mitgliedstaaten auf, nationale Programme aufzulegen, um Menschen in ärmeren Schichten zu fördern. Darüber hinaus „brauchen wir wissenschaftliche Evidenz für die gesundheitlichen Bedürfnisse der Schwächsten in der Gesellschaft“, betont er. „Warum schließen wir uns nicht zusammen und ermutigen die nationalen Parlamente, diese Probleme anzugehen?“

Die ärmsten Kinder sind oft gleichzeitig die dicksten und nicht etwa jene aus sozial besser gestellten Schichten. © AGorohov – shutterstock.com

Prof. Ilona Kickbusch vom Genfer Hochschulinstitut für internationale Studien ergänzt, dass heute mit Blick auf die Gesundheit neben der sozialen und politischen Determinante auch kommerzielle Aspekte immer mehr in den Mittelpunkt rückten. „Wir leben in einer Gesellschaft, die uns sagt: Wenn du am Markt teilnimmst, nimmst du Teil an der Gesellschaft.“ So seien zum Beispiel die ärmsten Kinder gleichzeitig die dicksten und nicht etwa jene aus sozial besser gestellten Schichten. „Die Marktöffnung für billigen Zucker fördert diese Ungleichheit“, kritisiert Kickbusch. Denn dies beeinflusse die Zusammensetzung billiger Lebensmittel.
Die Expertin für globale Gesundheit und Gesundheitskompetenz hat eine klare Botschaft an die Regierungen: „Wenn wir an den Verhältnissen etwas ändern wollen, müssen wir kreativer werden. Wir brauchen mehr politischen Mut.“ Interessant sei, dass Forscher in Finnland im Zuge des Testlaufs für das bedingungslose Grundeinkommen auch die Auswirkungen auf die Gesundheit untersuchten – ein erster Schritt in die richtige Richtung, findet Kickbusch, denn „die Konzepte, die wir haben, werden uns nicht in die Zukunft tragen“.