In Kürze

GKV-Leistungskatalog: Wie viel Evidenz muss sein?

Berlin (pag) – Wie steht es um die Evidenzbasierung des GKV-Leistungskatalogs? Nach dem Vorstoß des Gesundheitsministers in Sachen Liposuktion ist diese Frage aktueller denn je. Bereits Ende vergangenen Jahres hat sich der Gemeinsame Bundeausschuss (G-BA) damit beschäftigt.

© iStock.com, Rawpixel Ltd
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Welche neuen Behandlungsmethoden und Arzneimittel müssen die Krankenkassen bezahlen? Wie viele Frühchen muss ein Krankenhaus behandeln, damit eine gute Versorgungsqualität gewährleistet ist? Diese und weitere Fragen beantwortet der G-BA. Nicht immer basieren seine Entscheidungen aber auf gesicherter Evidenz. Der rasante Fortschritt macht es inzwischen fast unmöglich, jede Neuerung zeitnah umfassend mit Studien zu unterfüttern. „Wenn wir die Patientenversorgung zeitgemäß fortentwickeln wollen, dann müssen wir Entscheidungen treffen, auch wenn die Evidenz nicht in Stein gemeißelt ist“, sagt der unparteiische Vorsitzende des G-BA, Josef Hecken, auf dem Rechtssymposium des Ausschusses in Berlin. Der Preis für diesen großen Entscheidungsspielraum: Das Gremium muss immer wieder prüfen, ob neue medizinische Erkenntnisse es nötig machen, Entscheidungen aufzuheben oder zu ändern.

Evidenzpflicht: mehr Biss und Umgehungsstrategien

Das „nachgelagerte Screening“ ist für Hecken keine lästige Pflicht. Vom Gesetzgeber wünscht er sich Hilfestellungen und Erleichterungen. Bei der frühen Nutzenbewertung von Arzneimitteln etwa müsse der Ausschuss vom Gesetzgeber Mittel in die Hand bekommen, um Befristungsauflagen wie die Nachreichung von Evidenz durchzusetzen. In diesem Bereich sei der G-BA bisher ein zahnloser Tiger, so Josef Hecken.

Diese Botschaft hat er offenbar überzeugend bei der Politik platziert. Der einen Tag nach dem Symposium vorgestellte Referentenentwurf des „Gesetzes für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) ermächtigt den G-BA, von den pharmazeutischen Unternehmen anwendungsbegleitende Datenerhebungen oder Auswertungen zum Zweck der Nutzenbewertung zu verlangen. Bei noch ausstehenden Daten zum Zeitpunkt der Nutzenbewertung, beispielsweise bei Orphan Drugs oder bedingten Zulassungen, darf der Ausschuss eine „anwendungsbegleitende Datenerhebung“ verpflichtend für die verordnenden Fachärzte und zugelassenen Krankenhäuser beschließen, heißt es im Entwurf.

Während der G-BA bei der Evidenzgenerierung mehr Biss bekommen soll, hatte Spahn zwischenzeitlich eine Umgehungsstrategie im Kopf: Ein Antrag zum Terminservice- und Versorgungsgesetz sah vor, dass das Bundesgesundheitsministerium per Rechtsverordnung Untersuchungs- und Behandlungsmethoden bestimmen kann, die die Kassen zu erstatten haben. Das gelte auch dann, wenn der Nutzen der Methode „nach den Grundsätzen der evidenzbasierten Medizin noch nicht belegt ist“. Der Antrag ist mittlerweile vom Tisch, weil der G-BA im Liposuktionsstreit nachgegeben hat.