In Kürze

„Unsere Gesundheit steht auf dem Spiel“

Berlin (pag) – Wie ernsthaft und wie weitreichend wird Patientenbeteiligung mittlerweile betrieben? Wo bestehen konkrete Verbesserungsmöglichkeiten? In den vergangenen Wochen wurde konkreter Nachholbedarf benannt – von Leitlinienarbeit, Forschung bis hin zu Health Technology Assessment (HTA).

Viel und kontrovers wurde in den vergangenen Monaten über das Vorhaben der EU-Kommission, die nationalen HTA-Prozesse zu harmonisieren, debattiert. Patienten kamen dabei kaum zu Wort – bis kürzlich zwölf internationale Patientenorganisationen in einem gemeinsamen Statement eine adäquate Einbindung von Patienten verlangen. Unter adäquat verstehen Alzheimer Europe und andere die Beteiligung an Diskussionen vor und während des HTA-Prozesses. Schriftliche Stellungnahmen sind für die Patientenvertreter nicht ausreichend. Sie schreiben: „Of all interested parties, patients have the most at risk: our health is at stake.“ Betroffene bei der Koordinationsgruppe und in den wissenschaftlichen Subgruppen der europäischen HTA-Kooperation einzubeziehen, sei eine notwendige Maßnahme, um das gegenseitige Vertrauen zu verbessern.

Zeit, den Elfenbeinturm zu verlassen

Der Patient steht immer im Zentrum – kommt in den Diskussionen aber kaum zu Wort. © iStock.com, Johnny Greig

Dass der Patient in der Leitlinienarbeit unterrepräsentiert ist, kritisiert Dr. Ilona Köster-Steinebach, Geschäftsführerin des Aktionsbündnis Patientensicherheit. Bei einem Symposium des Gemeinschaftskrankenhauses Havelhöhe zum Thema „Patient und/oder Leitlinie“ sagt sie: „Patienten sind zentrale, wertvolle Player. Sie können selbst etwas beitragen.“ Für die Leitlinienarbeit nennt sie folgendes Beispiel: Ein Krebspatient leide beispielsweise unter Angst, ihm werde bewusst, dass sein Leben endlich sei. Solche Aspekte seien nicht umfänglich in Leitlinien wiederzufinden. Prof. Harald Matthes, leitender Arzt Gastroenterologie am Gemeinschaftskrankenhaus Havelhöhe, regt an: „Müssen wir nicht von den Patienten lernen?“ Die qualitative Forschung der Patientensicht sollte viel größere Berücksichtigung finden – zum Beispiel, welche Erfahrungen Krebskranke mit Yoga in der Therapie machen. Die ärztliche Sichtweise sei noch zu schmal, findet er: „Irgendwann muss der Wissenschaftler den Elfenbeinturm verlassen.“

Stichwort Wissenschaft: Um den Erfolg von klinischen Studien zu verbessern, sollten Patienten schon frühzeitig eingebunden werden. Das fordert Jan Geißler von der Europäischen Patientenakademie auf einer Veranstaltung der Deutschen Forschungsgemeinschaft und weiteren Organisationen in Berlin. Sie sollen nicht erst als Probanden bei der Umsetzung der klinischen Studien eingebunden werden, sondern schon mit dabei sein, „wenn die Forschungsfragen und das Forschungsdesign gemacht werden“, sagt er. Im Vergleich zu anderen Ländern habe Deutschland bei der Einbindung von Patientenorganisationen im Forschungsdesign Nachholbedarf.