In Kürze

Spahn versus Selbstverwaltung

Berlin (pag) – Der Bundesgesundheitsminister will die Methodenbewertung reformieren, neue Behandlungsverfahren sollen schneller in die Regelversorgung. Die Selbstverwaltung sieht die evidenzbasierte Medizin gefährdet. Doch bei dem Streit geht es um mehr.

Künftig reiche ein „behaupteter medizinischer Bedarf aus, damit eine neue Leistung von der GKV im ambulanten Bereich bezahlt werden muss. Das Versprechen auf Heilung soll Studienerkenntnisse zu Nutzen und Risiken ersetzen“, kritisiert Dr. Doris Pfeiffer, Vorstandsvorsitzende des GKV-Spitzenverbandes, die Pläne von Jens Spahn. Das geplante Implantateregister-Errichtungsgesetz sieht im Kontext der Methodenbewertung weitgehende Befugnisse für das Bundesgesundheitsministerium vor. Vertreter der Selbstverwaltung befürchten, dass das Ministerium neben der Rechts- auch die Fachaufsicht über den Gemeinsamen Bundesausschuss bekommt.

Das Versprechen auf Heilung soll Studienerkenntnisse zu Nutzen und Risiken ersetzen“, kritisiert Doris Pfeiffer. © pag, Fiolka
Jens Spahn will die Methodenbewertung reformieren. Neue Behandlungsverfahren sollen schneller in der Regelversorgung ankommen. © pag, Fiolka

Bereits einige Wochen zuvor hat der GKV-Verwaltungsratsvorsitzende Uwe Klemens den „Generalangriff“ des Ministers auf die Selbstverwaltung kritisiert. Auf dem Presseseminar des GKV-Spitzenverbandes nennt er einige Beispiele: Das MDK-Reformgesetz sieht vor, die Selbstverwaltung aus den Gremien des Medizinischen Dienstes zu verdrängen. Dem Faire-Kassenwahl-Gesetz zufolge soll die Selbstverwaltung im Verwaltungsrat des GKV-Spitzenverbandes abgeschafft werden. Das Terminservice- und Versorgungsgesetz hat die Gesellschafterstruktur der gematik neugeordnet und damit in die Personalhoheit der Selbstverwaltung eingegriffen. Der alternierende Verwaltungsratsvorsitzende Dr. Volker Hansen betont, dass die soziale Selbstverwaltung Garant für eine qualitativ hochwertige und wirtschaftliche Gesundheitsversorgung sei.

„Zu wenig Junge, zu wenig Frauen“

Dagegen räumt Franz Knieps ein, dass manches an den konkreten Arbeitsformen der Selbstverwaltung zu kritisieren sei: „Zu viele Multifunktionäre, zu wenig Junge, zu wenig Frauen, erstarrte Rituale, zu langsame Entscheidungsprozesse, zu viel Selbstbezogenheit.“ Der Vorstand des BKK-Dachverbandes sieht vor allem diejenigen gefordert, die Selbstverwalter in die Gremien entsenden – „also Gewerkschaften, Unternehmen, Arbeitgeberverbände, Ärzteverbände“, schreibt er in einer Zeitungskolumne. Gesetzgeber und Exekutive fragt er, ob sie die Selbstverwaltung nicht einerseits mit Aufgaben überfrachteten und sie andererseits mit kleinlichen Ausführungsbestimmungen und überbordender Aufsicht lähmten. „Kritisch wird es vor allem dann, wenn der Staat der Selbstverwaltung die Lösung komplexer Verteilungskonflikte überantwortet, die er selbst nicht lösen will und kann.“