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CAR-T-Zelltherapie gehört in Innovationszentren

vdek und Universitätskliniken wollen kontrollierte Einführung

Berlin (pag) – CAR-T-Zelltherapien sollen zunächst ausschließlich in Innovationszentren angewendet und evaluiert werden. Dafür soll die Erstattungssicherheit vom ersten Tag der Zulassung gewährleistet sein. Das sind die Kernforderungen eines gemeinsamen Konzepts der Ersatzkassen und des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands.

„Wir wollen, dass solche Behandlungen in Spezialzentren – in der Regel Uniklinika – erfolgen, weil dort eine besondere Expertise vorhanden ist“, sagt Ulrike Elsner, Vorsitzende des Verbandes der Ersatzkassen (vdek), vor Journalisten. Die Anforderungen an diese Zentren seien neu und hätten wenig mit dem heutigen Zentrumsverständnis im Bereich der Krankenhausversorgung zu tun. Die Ersatzkassenvertreterin sieht dringenden Handlungsbedarf, weil bereits 107 Krankenhäuser aus unterschiedlichen Versorgungsstufen einen Antrag auf die Anwendung der sehr komplexen CAR-T-Zelltherapie gestellt haben. Hinzu kommt: 45 weitere Verfahren der Gen- und Zelltherapie stehen in den nächsten Jahren vor der Zulassung. Neben der Beschränkung auf besondere Innovationszentren ist Elsner ein gesetzlich geregeltes Evaluierungsverfahren für die neuen Therapien wichtig. Dieses soll die Qualitäts- und Strukturanforderungen, die der Gemeinsame Bundesausschuss bereits erlassen hat, ergänzen.

Wunderwaffe CAR-T-Zellen – aber wo sollen die Patienten behandelt werden? „Wir möchten nicht, dass auf der grünen Wiese irgendwo ein Zentrum für CAR-T-Zellen entsteht, die jeden nehmen, der gerade passt“, sagt Prof. Bernhard Wörmann. © iStock.com, selvanegra

Kritischer Punkt: die Auswahl der Patienten

Das Konzept wird von der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und der Deutschen Gesellschaft für Medizinische Hämatologie und Onkologie (DGHO) mitgetragen. Prof. Bernhard Wörmann, medizinischer Direktor der DGHO, betont auf der Pressekonferenz: „Wir möchten nicht, dass auf der grünen Wiese irgendwo ein Zentrum für CAR-T-Zellen entsteht, die jeden nehmen, der gerade passt“. Aktuell wurden bisher in Deutschland 100 Patienten mit der neuen Therapie behandelt, allerdings habe man in den Zentren mehr als das Dreifache der Patienten gesehen, das bedeutet: „Die Auswahl der Patienten ist ein kritischer Punkt“. Wörmann sieht die Behandlung als schwierigen Cocktail: „Die Patienten stehen mit dem Rücken zur Wand und wir haben genetisch modifizierte Zellen.“ Eine weitere Zugabe seien die hohen Therapiekosten.

Die Herausforderung für das System

Bisher werden für die Verfahren Preise in sechsstelliger Höhe aufgerufen. Das sind Kosten, wie DKG-Generalsekretär Dr. Johannes Bruns betont, die das System mit seinen Mechanismen nicht direkt aufgreifen könne. Ralf Heyder vom Verband der Universitätsklinika (VUD) stellt das grundsätzliche Problem heraus: „Wir haben keinen wirklich guten Rechts- und Finanzierungsrahmen, um diese Themen vernünftig im System abzubilden.“ Bisher können bis zur korrekten Kostenabbildung einer medizinischen Innovation im deutschen Fallpauschalensystem Jahre vergehen, wie Bruns ausführt. Bis dahin müssten die Kliniken entweder den Einsatz neuer Verfahren auf eigene Kosten vorfinanzieren oder innerhalb des Verfahrens für neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden (NUB) individuelle und zeitlich befristete Entgelte mit den Kassen vereinbaren. Laut Bruns wird das NUB-Verfahren allerdings nur einmal im Jahr durchgeführt – Start ist immer im Oktober – und es dauere üblicherweise sechs bis 18 Monate.

Bleibt es bei CAR-T-Zellen?

Das Konzept der Ersatzkassen und Uniklinika sieht im Gegenzug zur Beschränkung der Leistungserbringung Erstattungssicherheit für die betreffenden Kliniken vor – und zwar ab Zulassung. Eine Art vorgeschaltetes NUB-Verfahren, ein „Fast Track“ für Innovationen, wie es VUD-Generalsekretär Heyder nennt. Um das zu installieren, ist aber der Gesetzgeber gefragt. Motivierend dürfte für diesen die Überlegung sein, dass mit CAR-T-Zellen künftig nicht nur weitere hämatologische Krebsarten, sondern auch solide Tumore behandelt werden könnten. Die klinischen Studien laufen. Dem Verband forschender Pharmaunternehmen (vfa) zufolge sind außerdem T-Zellen nicht die einzigen Immunzellen, die sich im Rahmen der Immunonkologie therapeutisch nutzen lassen. Auch die dendritischen Zellen eines Patienten kämen dafür in Betracht. Der Verband erwähnt außerdem den adoptiven Transfer von mesenchymalen Stammzellen (MSC) – Vorläuferzellen des Bindegewebes. „MSC lassen sich effizient mit eingeschleusten Genen modifizieren und zur zielgerichteten Therapie verschiedener Krankheiten anwenden.“ Es wird nicht bei Car-T-Zellen bleiben, sagt daher Bruns. Ihm geht es darum, dass System so zu organisieren, „dass das Versprechen eingehalten wird, dass hilfreiche Medikamente unmittelbar zur Verfügung stehen, unabhängig davon, ob sie in Klinik oder Praxis eingesetzt werden.“

Neue Therapieformen und die GKV

Die Diskussion, wie sich die GKV auf die Modalitäten neuer Therapieprinzipen einstellt, schwelt seit der Zulassung der ersten CAR-T-Zelltherapien, Kymriah und Yescarta. Das Besondere an ihnen – neben den hohen Heilungschancen – sie müssen nur einmal verabreicht werden. Auf einer Veranstaltung des Forum Instituts wurde unter anderem über Abschreibungsmodelle und die Einführung eines Risikopools diskutiert. Derweil appelliert der vfa-Vorsitzende Han Steutel, neuen Therapieformen keine Steine in den Weg zu legen. Bereits heute werde CAR-T ausschließlich in hoch spezialisierten Zentren angewendet. Auch die gültige Erstattungssituation ziehe enge Grenzen. Der Gesetzgeber habe für die zellbasierte Gentherapie entschieden, dass der Preis zwischen Hersteller und Krankenkassen verhandelt wird. Zudem gibt es bereits heute sogenannte Pay-for-Performance-Vereinbarungen, die die Erstattung direkt an den Erfolg der Behandlung koppeln.

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Plädoyer für Eigenherstellung
Ersatzkassen und Uniklinika setzen sich auch dafür ein, dass die Innovationszentren künftig rechtsicher und wirtschaftlich tragbar „Eigenherstellung“ betreiben können. Man wolle sich bei diesen Therapieverfahren nicht völlig abhängig von der Industrie machen, heißt es. „Stattdessen brauchen wir eigene Möglichkeiten, um an neuen Therapien zu forschen und diese schnell und zu vertretbaren Kosten in die Patientenversorgung zu bringen“, meint Ralf Heyder.

 

Weiterführender Link

„Neue Therapieprinzipien – altes System“, Beitrag im GG Newsletter 45, Februar 2019
http://www.gerechte-gesundheit-magazin.de/ausgabe-45/neue-therapieprinzipen-altes-system/