In Kürze

Sozialwahlen online: Mehr Demokratie wagen?

Berlin (pag) – Die Bundesbeauftragte für die Sozialversicherungswahlen, Rita Pawelski, und der Verband der Ersatzkassen (vdek) wollen die Sozialwahl modernisieren – und zwar per Online-Abstimmung. Damit das bis zur nächsten Wahl im Jahr 2023 klappt, muss jetzt an den gesetzlichen Stellschrauben gedreht werden. „Die Zeit rinnt uns durch die Finger“, sagt Pawelski.

Schließlich müssen Ausschreibungsfristen gewahrt, die notwendige Technik bereitgestellt werden. Wenn das Anliegen in den kommenden Monaten nicht umgesetzt, sprich ein Vorschaltgesetz auf den Weg gebracht wird, kann frühestens in zehn Jahren bei Sozialwahlen online abgestimmt werden, lautet der Appell der Wahlbeauftragten. Im Koalitionsvertrag haben SPD und Union festgehalten, dass die Sozialwahl zu modernisieren sei. Viel mehr scheint nicht passiert zu sein. Und Pawelski reißt allmählich der Geduldsfaden. „Mein Vorgänger hat das Thema bereits von seinem Vorgänger übernommen.“

Eine aktuelle Umfrage unter 1.002 wahlberechtigten vdek-Versicherten zeigt, dass zwei Drittel für die Einführung der Online-Wahl sind – als zusätzliche Option neben der Briefwahl. In der Altersgruppe der 16- bis 44-Jährigen liegt die Zustimmung sogar bei 75 Prozent. Und auch Befragte im Alter von 60 plus votieren mit 52 Prozent für diese Option. Neben der Umfrage präsentieren vdek und Pawelski auf der gemeinsamen Pressekonferenz ein Working Paper von Prof. Indra Spiecker genannt Döhmann zur rechtlichen Zulässigkeit einer Online-Wahl bei der Sozialwahl. Damit wollen sie das Argument aus dem Bundesarbeitsministerium entkräften, diese Abstimmungsform sei aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht machbar. Die Rechtswissenschaftlerin von der Goethe-Universität Frankfurt a.M. konstatiert: „Aus rechtlicher Sicht gibt es keine Hinderungsgründe.“

Die Gründe für die digitale Ergänzungsvariante stellt der vdek-Verbandsvorsitzende Uwe Klemens dar: Er spricht – vor dem Hintergrund einer ausbaufähigen Wahlbeteiligung von 30,5 Prozent in 2017 – von einem „entscheidenden Schritt zur Modernisierung“. Und er hofft, damit mehr junge Menschen zu erreichen. Pawelski ergänzt: „Eine Online-Wahl stärkt die soziale Selbstverwaltung.“

Problem Friedenswahl

Bleibt das Problem der sogenannten Friedenswahl, der Wahl ohne Wahlmöglichkeit. Dabei werden auf den Vorschlagslisten nicht mehr Kandidaten aufgestellt als Mitglieder zu wählen sind. Wie überzeugend sind Modernisierungsbemühungen, die dieses Thema außen vorlassen? Klemens ist zwiegespalten: Auf Nachfrage räumt er ein, dass man „darüber nachdenken müsste“. Allerdings stellt er auch klar: „Das ist aber dann auch einer der Hinderungsgründe, die uns im Weg stehen.“ Denn bei den meisten Sozialversicherungsträgern wird friedlich gewählt. Urwahlen führen verschiedene Betriebskrankenkassen, die meisten Ersatzkassen und die Deutsche Rentenversicherung Bund durch. Auch Pawelski – so sehr sie sich auch über den euphemistischen Begriff der Friedenswahl echauffieren mag – will dieses Fass nicht aufmachen. Zu groß ist ihre Sorge, dadurch den Weg zur Online-Wahl zu verbauen.

Weiterführender Link

„Die rechtliche Zulässigkeit einer Online-Wahl zur Sozialwahl“ Prof. Dr. iur. Indra Spiecker genannt Döhmann, LL.M., und Dr. iur. Sebastian Bretthauer
http://www.vdek.com/presse/pressemitteilungen/2019/forsa-umfrage-gutachten-online-sozialwahl/jcr_content/par/download_1872976010/file.res/06_Gutachten_Working_Paper.pdf