Im Fokus

Die schwierige Grenze

Was ist Therapie, wo beginnt Gen-Optimierung?

Berlin (pag) – Mit CRISPR-Cas lassen sich Krankheiten wie Krebs oder Sichelzellenanämie effektiv bekämpfen. Das Bundesforschungsministerium widmet der Genschere kürzlich eine eigene Konferenz, in deren Mittelpunkt der gesellschaftliche Dialog steht. Bei der Podiumsdiskussion wird deutlich, dass Eingriffe in die Keimbahn kritisch gesehen werden.

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Prof. Toni Cathomen, Direktor des Instituts für Transfusionsmedizin und Gentherapie am Universitätsklinikum Freiburg, nennt Chancen und Risiken der Genom-Editierung in der Keimbahn: Auf der einen Seite könne man Krankheiten vermeiden. Auf der anderen Seite existierten unbestimmte Risiken, wie etwa bei der Schaffung von Designer-Babys. „Meine persönliche Meinung ist, dass Eingriffe in die Keimbahn das falsche Instrument sind, um die Menschheit weiterzubringen“, meint er. „Wir müssen uns fragen, was ist es uns wirklich wert, Forschung in diese Richtung weiterzutreiben.“ Denn auch mit konventionellen Optionen könnten beispielsweise Eltern mit genetischen Defekten gesunde Kinder zur Welt bringen.

Grenze zwischen Heilung und „Designer-Baby“

Doch was sind überhaupt „gesunde“ Kinder? In diese Richtung zielt die Frage einer Zuhörerin. Könne man beim Down-Syndrom wirklich von einer Heilung sprechen, denn den betroffenen Kindern gehe es ja nicht schlecht. „Sie sind meistens ganz glücklich.“ Von den Teilnehmern der Podiumsdiskussion möchte die Frau wissen: „Wo würden Sie die Grenze zwischen der Heilung der Erbkrankheit und dem Designer-Baby setzen?“ Eine schwierige Frage, wie sich herausstellt. Eine Grenze zu ziehen sei abhängig vom Stand der Forschung und vom Stand der Wissenschaft, meint Leopoldina-Präsident Prof. Jörg Hacker. „Das muss man immer wieder neu betrachten und sich dann damit auseinandersetzen.“ Auch Cathomen sieht keine eindeutige Trennung zwischen

Die Genschere – aktuelle Forschungsbeispiel

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Ein Freiburger Forschungsteam nutzt die Genschere, um Krankheiten wie Krebs besser zu diagnostizieren. In einer Studie stellen die Forschenden einen auf dieser Technik basierenden Mikrofluidik-Chip vor, der kleine RNA-Stücke, die auf eine bestimmte Krebsart hinweisen, erkennt – schneller und mit größerer Genauigkeit als bisherige Verfahren. Die Forscher streben an, das System in etwa fünf bis zehn Jahren so weiterzuentwickeln, dass es für Krankheiten mit etablierten Mikro-RNA-Markern einen ersten Schnelltest gibt, der direkt in Arztpraxen verwendet wird

DNA-Sequenzwiederholungen können zu Krankheiten führen, lassen sich aber kaum untersuchen. Ein Verfahren von Forschenden des Max-Planck-Instituts für molekulare Genetik ermöglicht erstmals einen detaillierten Blick auf diesen zuvor unzugänglichen Bereich des Genoms. Dazu kombiniert es Nanopore-Sequenzierung, Stammzelltechnologie und CRISPR-Cas. Das Verfahren könnte die Diagnostik von verschiedenen angeborenen Erkrankungen und Krebserkrankungen verbessern. Man habe die Werkzeuge geschaffen, „mit denen jeder die dunkle Materie des Genoms erschließen kann“, sagt Studienleiter PD Dr. Franz-Josef Müller.

 

Therapie und Enhancement, also der Gen-Optimierung. Die Entscheidung könnten aber Ethikkommissionen treffen. „Mir wäre es wichtig, dass es genau diese eine Grenze nicht gibt“, sagt Prof. Peter Dabrock, Vorsitzender des Deutschen Ethikrats. Er teilt die Auffassung der Fragestellerin: „Menschen, die Down-Syndrom haben, sind eine Ausdrucksform der Vielfalt menschlichen Daseins.“

„Keine kategorische Unantastbarkeit“

Der Ethikrat hat im Mai eine Stellungnahme zu Eingriffen in die menschliche Keimbahn verfasst. Er sieht nach derzeitigem Stand „keine kategorische Unantastbarkeit“, führt Dabrock in einem Impulsreferat vor der Diskussion aus. Das Gremium fordert ein internationales Moratorium, einen Aufschub für klinische Anwendungen. Ferner müsse der Diskurs gestärkt werden, eine internationale Institution sollte sich mit dem Thema auseinandersetzen.
Auch Prof. Ewa Bartnik, Vertreterin der Weltgesundheitsorganisation, setzt sich für globale Lösungen ein. „Wir brauchen Regelungen, die auf der ganzen Welt gelten.“ Unabhängig von Eingriffen in die Keimbahn ist der Einsatz von CRISPR-Cas auch eine finanzielle Frage. Die Methode gilt als sehr kostspielig. Doch Cathomen betont: „Wir müssen das immer mit konventionellen Therapien gegenrechnen.“ Dann sehe man: Es ist gar nicht mehr so teuer. Bei der Behandlung von chronischen Krebspatienten kämen über kurz oder lang ebenfalls hohe Summen zusammen.
Festzuhalten bleibt: Die Diskussion – ethisch, medizinisch und finanziell – steht erst am Anfang. Das macht auch Thomas Rachel (CDU), parlamentarischer Staatssekretär im Bundesforschungsministerium, auf der Konferenz deutlich. „Die Genom-Editierung ist neben dem Klimawandel und der Künstlichen Intelligenz im Moment das zentrale Zukunftsthema in der Wissenschaft.“

Weiterführender Link

Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat Genome Editing im verganenen Jahr eine Verbraucherkonferenz gewidmet. Link zur Abschlussveranstaltung: https://www.youtube.com/watch?v=iPMfLe0eM14&feature=youtu.be