In Kürze

Die stillen Opfer von Covid-19

Berlin (pag) – „Gehen Sie zum Arzt!“, appellieren viele Akteure des Gesundheitswesens. Nicht ohne Grund, denn die Angst vor Covid-19 könnte etwa Diagnose und Therapie von Krebspatienten verzögert haben. Davor warnt die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) im Mai. Auch andere Experten sind besorgt und befürchten „stille Opfer“ der Pandemie.

Deutsche Kliniken haben beobachtet, dass Patienten und Patientinnen erst in sehr fortgeschrittenen Tumorstadien zu ihnen kommen und die Zahl der in Tumorkonferenzen vorgestellten Personen mit frühen Tumorstadien sinkt. Eine vollständige Auswertung zur Anzahl von Krebspatienten in Kliniken und Praxen liegt aber bis Redaktionsschluss noch nicht vor. Dennoch beobachtet die DGHO, dass die Zahl der in frühen Stadien diagnostizierten Tumoren wie Darm- oder Brustkrebs zurückgehe. Bei diesen Krankheitsbildern werde die Erstdiagnose häufig im Rahmen der Früherkennung gestellt. „Diese Screening-Untersuchungen haben nicht stattgefunden, entsprechend ist mit einer Welle von Neudiagnosen im Sommer und Herbst dieses Jahres zu rechnen“, warnen die Onkologen. Auch die Zahl der in Tumorkonferenzen vorgestellten Patienten sei im April deutlich gesunken, in einzelnen Institutionen um 30 bis 50 Prozent.

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Mehr krebsbedingte Todesfälle?

Ähnlich äußert sich im Mai die Corona Task Force von Deutscher Krebshilfe, Deutscher Krebsgesellschaft und dem Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ). Sie befürchtet, dass dem Gesundheitssystem eine erhöhte Anzahl zu spät erkannter Krebserkrankungen infolge der Covid-19-Pandemie bevorsteht und mahnt deshalb einen Rückgang zur normalen Krebsversorgung an. „Wenn wir die Bugwelle an ausstehenden dringlichen Untersuchungen und aufgeschobenen Behandlungen weiterhin vor uns herschieben, dann müssen wir auch in Deutschland mit einer steigenden Zahl von krebsbedingten Todesfällen rechnen“, sagt der DKFZ-Vorstandsvorsitzende Prof. Michael Baumann.

Bereits Anfang April hatte die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin befürchtet, dass aufgrund der Corona-Pandemie unbehandelte Beschwerden zu vermehrten Todesfällen, den „stillen Opfern“ der Krise, führen könnten. Im gleichen Monat schlug der Berufsverband der Ärzte und Psychologischen Psychotherapeuten in der Schmerz- und Palliativmedizin in Deutschland Alarm. Angesichts einer Umfrage ging er davon aus, dass bis zu 7.000 Patienten mit schweren chronischen Schmerzen aufgrund der Einschränkungen durch die Covid-19-Krise nicht mehr in Krankenhäusern versorgt werden.