Berlin (pag) – Es existiert noch kein konkretes Konzept dafür, wie das gegenwärtige duale System mit Privater Krankenversicherung (PKV) auf der einen und Gesetzlicher Krankenversicherung (GKV) auf der anderen Seite in ein integriertes System überführt werden kann. Das zeigt ein Fachgespräch, auf dem kürzlich die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen mit Experten erörtert, welche Implikationen die Einführung einer Bürgerversicherung mit sich bringt.
Warum eine Bürgerversicherung notwendig ist, begründet dort Prof. Dr. Klaus Jacobs, Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (WIdO): „Wir brauchen zeitgemäße Wahl- und Wechseloptionen für alle Einwohner, wir brauchen Wettbewerb um Qualität und Wirtschaftlichkeit, eine Stärkung der Beitragsbasis und einen Schutz vulnerabler Personengruppen, eine gezielte Steuerung von Qualität und Wirtschaftlichkeit in der Versorgung“, sagt er. Eine finanzielle Stabilität der Solidargemeinschaft sei ohne Beteiligung der „stärksten und der breitesten Schultern“ ein Problem. Dass es sehr viele Modelle gibt, die zu einer integrierten Krankenversicherung führen, zeigt Dr. Martin Albrecht vom IGES-Institut. Als Gestaltungskriterien nennt er unter anderem den Umgang mit der Beihilfe und den Altersrückstellungen, die Frage nach dem Fortbestand der PKV, die Höhe der Versicherungspflichtgrenze sowie die Fristen bei der Umsetzung. „Man muss bei vielen Fragen Festlegungen treffen, und dann schätzen, welche Effekte die jeweiligen Modelle haben und nachjustieren“, sagt er. „Die gegenwärtige Fachdiskussion leistet das jedoch noch nicht.“
Prof. Dr. Thorsten Kingreen von der Universität Regensburg gibt zu bedenken, dass ein Verbot der PKV verfassungsrechtlich problematisch sei. „Es wäre ein schwerwiegender Grundrechtseingriff, wenn man alle PKV-Versicherten in die GKV zwingen würde“, betont der Jurist. Der Übergang müsse freiwillig erfolgen, unterstützt durch Anreize. Erforderlich sei ein Transformationsrecht, das gewährleiste, dass Bestandsversicherte nicht benachteiligt werden. Die Altersrückstellungen der Wechsler sollten als Sondervermögen separat angelegt werden, um zu verhindern, dass sie für aktuelle Finanzierungsprobleme herangezogen werden. Anstelle der Beilhilfe empfiehlt Kingreen ein Modell der Teilkostenerstattung, dass Berechtigte sowohl in der PKV als auch in der GKV in Anspruch nehmen könnten. Der Umgang mit der Beihilfe sei weniger rechtlich, sondern viel mehr politisch problematisch, da ein Großteil der Beamten in die Zuständigkeit der Länder fielen und durch bundesrechtliche Regelungen nicht erfasst würden.