Berlin (pag) – Mindestmengen im Krankenhaus, ein seit Jahren kontrovers diskutiertes Thema der Selbstverwaltung, stehen bei einer Veranstaltung des AOK-Bundesverbandes auf der Agenda. Dort kritisiert Prof. Thomas Mansky, Technische Universität Berlin, dass Deutschland der internationalen Entwicklung hinterherhinkt.
Der Mediziner und Informatiker stellt in seinem Vortrag dar, dass die verlässliche Umsetzung der Mindestmengenregelung die Behandlungsqualität signifikant erhöhe. So setze etwa Holland seit 2011 insbesondere bei komplizierten aber planbaren Eingriffen wie OPs an der Bauchspeicheldrüse, der Speiseröhre oder bei Brustkrebs auf die konsequente Einhaltung von Mindestmengen. Gleichzeitig legten die Niederlande die Latte bei Mindestmengen auch höher als in Deutschland. Die Folge: Die Sterblichkeitsrate sei mit vier Prozent nur halb so hoch wie in deutschen Kliniken. Diesen Zusammenhang zeigten auch Analysen aus Großbritannien. Deutlich weniger Patienten sterben, wenn sie in einer Klinik operiert werden, wo die Eingriffe den Mindestmengen entsprechen, betont Manky. „Diese Daten sind evidenzbasiert.“ Eine verlässliche Umsetzung der Mindestmengenregelung hält der Experte daher für zwingend, überfällig sei auch eine Erhöhung bestehender Mindestmengen sowie eine Ausweitung auf andere Bereiche.
Für den Hauptgeschäftsführer der Deutschen Krankenhausgesellschaft, Georg Baum, sind Mindestmengen eines von vielen Instrumenten der Qualitätssicherung – und noch dazu eines, das unter rechtsstaatlichen Bedingungen „nur verkrampft einsetzbar“ sei. Damit spielt er auf erfolgreiche Klagen der Krankenhäuser gegen Mindestmengen vor den Sozialgerichten an. Ausnahmen und Flexibilität sind für ihn unbedingt notwendig. Er propagiert einen „Korridor“, der es einer Klinik erlaubt, um zehn Prozent nach unten von der Mindestvorgabe abzuweichen. Die bayerische Gesundheitsministerin Melanie Huml hebt bei der Diskussion hervor, dass Krankenhausplanung in Länderhand bleiben solle und nicht über Qualitätsindikatoren ausgehebelt werden dürfe. Auch sie plädiert für Flexibilität bei den Mindestmengen, während Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, mehr Rechtssicherheit und Verbindlichkeit verlangt. Kassen würden gerne restriktiver bei der Vergütung vorgehen, wenn ein Krankenhaus die Mindestmenge reißt, den Eingriff aber dennoch vornimmt. „Aber wenn wir die Leistung verweigern, landen wir ständig vor Gericht.“ Der von Baum vorgeschlagene Korridor bedeutet Litsch zufolge de facto eine weitere Absenkung der festgelegten Mindestmenge. Das dürfe allenfalls die Ausnahme sein. Ausdrücklich gegen Ausnahmeregelungen wendet sich Wolf Dietrich Trenner, ehemaliger Patientenvertreter im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA). „Wir haben uns keine Ausnahmen gewünscht.“ Wenn es sie gebe, würden sie auch genutzt, die Kreativität kenne kaum Grenzen, sagt Trenner, der außerdem moniert, dass man sich im G-BA nur auf den kleinsten gemeinsamen Nenner einigen könne. Eine Ausweitung der Mindestmengenregelung werde damit verhindert.