Berlin (pag) – Die BAG-Selbsthilfe, die Dachorganisation von 120 bundesweiten Selbsthilfeverbänden behinderter und chronisch kranker Menschen, hat in ihrem 50-jährigem Bestehen viel bewirkt. Heute steht sie vor weiteren Aufgaben, die sie „bedienen“ soll – ohne jedoch eine angemessene finanzielle Unterstützung dafür zu erhalten, betont ihr Bundesgeschäftsführer.
„Der Arbeitsgemeinschaft ist es in den vergangenen 50 Jahren immer wieder gelungen, wichtige Impulsezu setzen“, führt BAG-Chef Dr. Martin Danner auf der feierlichen Matinée mit Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier aus. Als Beispiele nennt er die Verankerung des Diskriminierungsverbots für Menschen mit Behinderungen im Grundgesetz von 1994, die Patientenbeteiligung im Gesundheitswesen von 2004 sowie das Bundesteilhabegesetz von 2016. Entscheidende Triebfeder für den Aufbau des Verbands sei gewesen, den Menschen mit Behinderung im politischen Raum Gehör zu verschaffen. Die Selbsthilfebewegung in den 1970er Jahren habe zudem dazu geführt, dass chronisch Kranke zahlreiche Gruppen gründeten, um sich auszutauschen und ihre Erkrankung gemeinsam zu bewältigen.
Zu einem neuen Impuls sei es in den 2000er Jahren gekommen: „Die Mitwirkung der Selbsthilfe in den Gremien des Gesundheits- und Sozialsystems, im Bildungswesen und sogar in der Forschung wird gewünscht, wenn nicht sogar eingefordert“, sagt Danner. Unterstützungsangebote der Selbsthilfe würden als sinnvolle Ergänzung zu Angeboten des Staats, der Selbstverwaltung oder der Wohlfahrtsverbände angesehen. Allerdings: „Es stellt sich die Frage, wie die Selbsthilfe das alles ‚bedienen’ soll“, führt Danner aus. Die Selbsthilfe arbeite großenteils ehrenamtlich ohne finanzielle Unterstützung, Fördergelder würden nur für einzelne Projekte gewährt, nicht jedoch für eine dauerhafte Tätigkeit. Danner nennt ein Beispiel für die gestiegene Erwartungshaltung gegenüber den Patientenorganisationen: Verschiedene europäische Institutionen und Abgeordnete des Europaparlaments hätten den Wunsch geäußert, dass die deutsche Selbsthilfeszene sich stärker an den Entscheidungsprozessen auf europäischer Ebene beteiligen solle. „Eine Anfrage zu Fördermöglichkeiten beim zuständigen Ministerium brachte den Hinweis, dass kein Fördertopf existiere und dass grundsätzlich auch nur zeitlich befristete Projektförderungen möglich seien“, berichtet Danner. „Die Mitgliedsbeiträge von behinderten und chronisch kranken Menschen können nicht für immer neue Zwecke in Anspruch genommen werden, die eigentlich im öffentlichen Interesse liegen“, so der BAG-Chef weiter. Es sei eine ungelöste Frage, wie solche öffentlichen Aufgaben künftig wahrgenommen werden; dies müsse gesellschaftspolitisch beantwortet werden.