In Kürze

Friedliche Koexistenz: Real World Evidence und randomisierte kontrollierte Studien

Berlin (pag) – Real World Evidence (RWE) versus randomisierte kontrollierte Studien (RCT) – dazu wurde in den vergangenen Monaten eine kontroverse Debatte geführt. Diese Entweder-oder-Diskussion empfinden viele Referenten auf einem Kongress des Monitors Versorgungsforschung als wenig hilfreich.

„Die Polarisierung tut nicht gut“, sagt dort etwa Prof. Dieter Paar von Sanofi-Aventis Deutschland, der ein wachsendes internationales Interesse an Real World Evidence beobachtet. Er hebt jedoch hervor, dass Real World Data noch keine Real World Evidence darstelle – zur Evidenz könne man kommen, „wenn man gute Forschungsfragen stellt und eine gute wissenschaftliche Analyse der Daten vornimmt“. Bei der Bewertung von RCT sei wiederum zu berücksichtigen, dass viele Patienten, die eine Behandlung benötigen, nicht eingeschlossen werden. Beispielhaft verweist Paar auf eine Studie, die zeigt, dass nur etwa drei bis 50 Prozent der schottischen Patienten mit Typ 2 Diabetes in die sieben wichtigsten großen RCT hätten eingeschlossen werden können. Paar wirbt daher anstelle eines „entweder … oder“ für ein rationales „sowohl … als auch“ bezüglich RCT und RWE.

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Die falschen RCT

„Wir brauchen alle Formen von Forschung“, sagt auch Corinna Schaefer vom Ärztlichen Zentrum für Qualität in der Medizin. Es hänge von der Fragestellung ab, welches Forschungsdesign zu wählen sei. Bei Fragen der Wirksamkeit müssten es eben RCT sein. Grundsätzlich kritisiert die Leitlinienexpertin einen oft unzureichenden Stand des medizinischen Wissens. Dabei gebe es nicht zu wenig RCT, aber die falschen – etwa für Indikationen, in denen das Wissen bereits gesättigt sei. Schaefer macht sich deshalb für mehr öffentlich finanzierte Studien stark und eine ebenfalls öffentlich festgelegte Forschungsagenda, an der Patienten zu beteiligen seien. Der Forderung nach mehr unabhängiger Forschung schließt sich auch Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft, an. Als Geldgeber sieht er Industrie, Krankenkassen und die Öffentliche Hand in der Pflicht, als Koordinator den Gemeinsamen Bundesausschuss. Er sagt aber ernüchtert: „Es hat so wenig Aussicht auf Realisierung.“

Probleme mit mangelnder Evidenz sieht der Arzt auch angesichts der zunehmenden Zahl von Arzneimitteln, die oft beschleunigt zugelassen werden. „Wir arbeiten teilweise im Nebel.“ Nach Ansicht von Ludwig müssten im Rahmen von strategischen Studien wichtige Fragen aus dem klinischen Alltag geklärt werden – beispielsweise zur Überlegenheit gegenüber bereits verfügbaren Therapien und zur Identifikation von Biomarkern.

Aus Kassenperspektive machen die beschleunigten Zulassungen ein neues Erstattungsmodell erforderlich. Dr. Antje Haas vom GKV-Spitzenverband verlangt für solche Fälle eine Brückenfinanzierung mit temporärer Erstattung. Sie begründet diese Forderung damit, dass im Fall von unreifer Evidenz ein „Risiko-Shift“ in Richtung Patienten, Ärzte und Versichertengemeinschaft stattfinde.