In Kürze

Problemfall Kinderernährung

Berlin (pag) – Wissenschaftler warnen bei der Kinderernährung vor einem Teufelskreis der Armut. Die frühe Prävention von Übergewicht ist aber auch eine ökonomische Notwendigkeit. Neue Daten des Robert Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass mehr als die Hälfte der zwei- bis sechsjährigen Kinder mit Übergewicht oder Adipositas auch als Jugendliche diese Gewichtsprobleme behalten.

Der deutsche Staat wird bis zum Lebensende der heute übergewichtigen Kinder und Jugendlichen schätzungsweise 1,8 Billionen Euro Folgekosten aufbringen müssen, warnt die Gesundheitsökonomin Dr. Diana Sonntag auf einer Veranstaltung der Stiftung Kindergesundheit. Die ökonomischen Mehrkosten des lebenslangen Übergewichtes liegen bei 8.000 Euro für Jungen und bei 9.000 Euro für Mädchen. Anstelle sich gesellschaftlich auf hohe Therapiekosten einzurichten, wäre ein konsequentes Investment etwa in Vorbeugung durch Gesundheitsbildung und Kompetenzvermittlung in Familien, Kindertagesstätten und Schulen sinnvoller, argumentiert die Wissenschaftlerin der Universität Heidelberg.

Laut der dritten Erhebungswelle der „Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen in Deutschland“ vom RKI sind 15,4 Prozent der Mädchen und Jungen im Alter von 3 bis 17 Jahren aktuell übergewichtig oder adipös. Mit zunehmendem Alter steige die Übergewichts- und Adipositashäufigkeit. Das Institut weist außerdem darauf hin, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien von dem Problem deutlich häufiger betroffen seien als Gleichaltrige mit hohem sozialökonomischen Status.

Wissenschaftler warnen vor dem „double-burden“: Übergewicht bei unzureichender Versorgung mit Mikronährstoffen. © iStock.com, shutter_m

Die zweifache Last

Vor einem Teufelskreis der Armut warnen unterdessen Ernährungswissenschaftler der Fachgesellschaft Society of Nutrition and Food Science (SNFS). In einer Stellungnahme weisen sie darauf hin, dass Hartz-IV-Empfänger mit 2,77 Euro pro Tag ihre Kinder gesund und vollwertig ernähren sollen. Dieser Betrag liege „deutlich unter dem, was man für eine gesunde Ernährung rechnen muss“, sagt SNFS-Präsident Prof. Jan Frank. Den Ernährungswissenschaftlern zufolge sollte man nicht nur die Kalorien im Blick haben. Entscheidend sei die ausreichende Versorgung mit allen Nährstoffen. Fehlernährung im Kindesalter könne zu körperlichen und geistigen Entwicklungsstörungen führen – diese Kinder hätten dann ein höheres Risiko auch als Erwachsene in Armut zu leben.

Studien zeigen, dass die Qualität eines Lebensmittels, sprich die Menge an enthaltenen Mikronährstoffen, mit sinkendem Preis abnehme, während der Energiegehalt steige. Das Kind werde damit zwar satt, nehme aber zu viele Kalorien und zu wenig Mikronährstoffe auf. „Es kommt zu dem, was wir als ‚double burden‘ bezeichnen: Übergewicht bei unzureichender Versorgung mit Mikronährstoffen“, sagt Prof. Hans Konrad Biesalski, Universität Hohenheim. Die Forscher appellieren, den Hartz-IV-Regelsatz zu erhöhen. Auch Initiativen von Bundesministerien wie „IN FORM“ gäben zwar gute Ernährungstipps, seien jedoch mit 2,77 Euro täglich nicht umsetzbar. Rund vier Euro am Tag seien nötig um eine gesunde Ernährung für Kinder unter sechs Jahren zu gewährleisten.

 

Weiterführender Link:
Zur SNFS Stellungnahme „Kinder in Ernährungsarmut“: www.snfs.org/comments/snfs-stellungnahme-kinder.html