In Kürze

„Höchste Zeit“: die HPV-Impfung für Jungen

Berlin (pag) – Die Ständige Impfkommission (STIKO) empfiehlt, ab Ende August auch Jungen im Alter zwischen neun und 14 Jahren gegen humane Papillomviren (HPV) zu impfen. Für überfällig halten viele Experten diesen Schritt. Warum hat es so lange gedauert?

HPV-Impfung: Derzeit sind die Impfraten „ernüchternd“, beklagen Experten. Ob das bei Jungen anders wird? © iStock.com, pinstock

„Das wurde auch höchste Zeit“, sagt Medizin-Nobelpreisträger Harald zur Hausen, einer der Wegbereiter der HPV-Impfung. Seit Langem gebe es zwingende Gründe, auch Jungen gegen HPV zu impfen. Männer seien wegen ihrer häufigeren Sexualkontakte die wichtigsten Verbreiter der Infektion. Eine Erstattung durch die Kassen hält zur Hausen für essenziell, um eine Herdenimmunität zu erreichen. Etwa 85 Prozent aller Jugendlichen müssten geimpft sein, um die Infektionskette zu durchbrechen, sagt er gegenüber dem Deutschen Krebsforschungszentrum.

Von diesem Ziel sei Deutschland allerdings meilenweit entfernt. „Ernüchternd“ nennt Prof. Catharina Maulbecker-Armstrong, TH Mittelhessen und Beirätin der Hessischen Krebsgesellschaft, die derzeitigen Impfraten. Obwohl die HPV-Impfung für Mädchen seit zehn Jahren von den Kassen bezahlt wird, sind laut Robert Koch-Institut nur 31 Prozent der 15-Jährigen und 43 Prozent der 17-Jährigen geimpft. In Australien liegt die Rate bei über 80 Prozent. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Impfskepsis, Berichte über Nebenwirkungen und das Tabuthema Sexualität spielen eine Rolle. Auch das Manifest der 13 Wissenschaftler, die 2008 die Empfehlung für die Impfung wegen „Unsicherheiten in der Datenlage“ kritisierten, wabere immer noch durch die Presse, sagt Maulbecker-Armstrong auf dem Krebskongress. „Ich weiß nicht, ob diese Wissenschaftler die Position von damals noch vertreten würden“, die Studienlage habe sich wesentlich geändert.

Die Erklärung der STIKO

Einer der Mitinitiatoren des Manifestes ist Prof. Ansgar Gerhardus, Uni Bremen. Der Mediziner teilt gegenüber Gerechte Gesundheit mit, dass er sich in den letzten Jahren nicht intensiv genug mit der Impfung beschäftigt habe, um eine „ausreichend fundierte Einordnung der neuen Entwicklungen vornehmen zu können“. Prof. Wolf-Dieter Ludwig, Vorsitzender der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und ebenfalls Mitunter-zeichner des Manifestes, denkt heute, „dass die inzwischen vorliegenden Daten aus diversen Studien die Impfung bei jungen Mädchen rechtfertigen“. Allerdings werde man erst in einigen Jahren wissen, ob dadurch das Auftreten von Zervixkarzinomen deutlich gesenkt werden kann. Die Preise für die Impfstoffe seien weiterhin zu hoch. Über die Impfung für Jungen habe er sich noch keine abschließende Meinung gebildet.

Zu spekulieren ist, ob die Preise bzw. die Kosten dafür verantwortlich sind, dass die Kassen das Thema erst entdecken und für PR-Zwecke nutzen, als die Empfehlung ins Haus steht. Obwohl der HPV-Impfschutz für Jungen schon seit Jahren von Wissenschaftlern und auch von ärztlichen Gesellschaften wie etwa den Urologen gefordert wird, hat die STIKO jetzt erst die Immunisierung empfohlen. Die Erklärung: Die Ausweitung der Zulassung auf die Indikation Analkarzinom und entsprechende Krebsvorstufen sei 2014 bzw. 2016 erfolgt. Erst danach habe man sich mit der Empfehlung befassen können, die wegen Literaturrecherchen und mathematischer Modelle mehr als zwei Jahre gedauert habe.