Berlin (pag) – Das Spannungsfeld zwischen Zuwendung und Wirtschaftlichkeit lotet die Jahrestagung der Christlichen Krankenhäuser in Deutschland (CKiD) aus. Beide Prinzipien will Christoph Radbruch, Vorsitzender des Deutschen Evangelischen Krankenhausverbandes, ausdrücklich nicht als Widerspruch sehen. Es sei Alltagsgeschäft der christlichen Häuser, Zuwendung wirtschaftlich zu gestalten.
Das Problem bestehe allerdings darin, dass es keine Kennzahlen für Zuwendung gebe. „Beziehung messbar zu machen, ist ein schwieriges Unterfangen.“ Daher begreift es Radbruch als Herausforderung, zwischen den beiden Denksystemen, Wirtschaftlichkeit und Zuwendung, hin und her zu übersetzen.
Theo Paul, Vorsitzender des Katholischen Krankenhausverbandes, ergänzt, dass die Zuwendung mit Leib und Seele zu den Menschen einen „großen Teil positiver Heilungsprozesse in unseren Krankenhäusern“ ausmache. Er mahnt aber auch Reformen bei den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der Kliniken an. Ein Stichwort, das er nennt, sind beispielweise die nicht ausreichenden Investitionen der Länder. Auch müsse das DRG-System dringend überholt werden. Als nicht zielführend betrachtet es Paul jedoch, einzelne Teilbereiche wie die Pflege-personalkosten in neue Finanzierungssysteme zu überführen. Die Schieflage müsse in ihrer Gesamtheit betrachtet werden, fordert der Generalvikar, alles andere sei lediglich ein „Herumdoktern“ an den Symptomen.
Die Regeln einer neuen Gesundheitsversorgung
Eine Gesundheitsversorgung, die neuen Regeln folgt, umreißt auf der Tagung Prof. Adelheid Kuhlmey. Ein immer Mehr vom immer Gleichen werde nicht die Lösung sein, sagt sie, „wenn wir den ethischen Maßstab Patientenwohl auf unsere Fahnen schreiben“.
Die Regeln einer neuen Gesundheitsversorgung könnten der Direktorin des Charité-Instituts für Medizinische Soziologie und Rehabilitationswissenschaft zufolge wie folgt aussehen:
- hin zu kontinuierlichen Beziehungen von Patienten, die mehrheitlich chronische Erkrankungen haben, weg mit den Schnittstellen und der Visitenversorgung
- hin zu einer Versorgung, die sich an individuellen Bedürfnissen und Patientenpfaden orientiert
- die Wissen- und Informationsteilung muss – bei aller Ernsthaftigkeit von Datenschutz – zum Credo werden
- wir müssen uns bemühen, Bedarfe zu antizipieren und nicht nur zu reagieren
- wir müssen Verschwendung kontinuierlich reduzieren, indem wir immer wieder hinterfragen, ob eine bestimmte Behandlung sein muss
- wir müssen kooperativ zusammenarbeiten
Bereits im April 2016 hat der Deutsche Ethikrat, dem Kuhlmey angehört, eine Stellungnahme zum Patientenwohl als ethischer Maßstab im Krankenhaus veröffentlicht. Manche Probleme in den Kliniken mögen sich seitdem gebessert haben, viele Schwierigkeiten dürften aber mindestens noch ebenso intensiv fortbestehen. Vielleicht hält deshalb Christoph Radbruch „neue Verabredungen“ zwischen den Vertretern der Politik, den Krankenkassen, den Krankenhäusern und zivilgesellschaftlichen Gruppen für notwendig. „Mit der Einberufung eines zweijährigen Krankenhaus-Dialogs, an dem interessierte Kreise beteiligt sind, könnte das gelingen“, glaubt er.