In Kürze

Hochpreistrend oder maßvolle Arzneimittelausgaben?

Berlin (pag) – Einen sich verschärfenden Hochpreistrend prangert der neue Arzneiverordnungs-Report an. Bei dessen Vorstellung warnt Martin Litsch, Vorstandsvorsitzender des AOK-Bundesverbandes, vor eklatanten Problemen in der Arzneimittelpolitik.

Exemplarisch für die immer höheren Preise neuer, patentgeschützter Arzneimittel nennt Litsch Brineura®, ein Mittel zur Behandlung einer Erbkrankheit bei Kindern, die das Gehirn schädigt, mit Jahrestherapiekosten von rund 750.000 Euro. Er erwähnt auch das Medikament Spinraza®, womit eine seltene neuro-muskuläre Erkrankung behandelt wird und das im ersten Jahr mit 622.000 Euro zu Buche schlägt. Das sei mit Blick auf die große Zahl neuer Produkte alarmierend. Aber wie gerechtfertigt sind solche Preise für Arzneimittel, die Leben verlängern und das Gesundheitssystem entlasten? Litsch sagt: „Die Frage, was kostet ein Menschenleben, wollen wir nicht stellen und schon gar nicht beantworten.“

Aus Sicht der pharmazeutischen Industrie bleiben die Arzneimittelausgaben angesichts rasant voranschreitender neuer Therapiemöglichkeiten maßvoll. Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des Verbands der forschenden Pharma-Unternehmen, weist darauf hin, dass die Arzneimittelausgaben weniger als ein Fünftel der gesamten Kassenausgaben ausmachten. Arzneimittel seien seit Jahren der Leistungsbereich mit den niedrigsten Ausgabenzuwächsen, im Schnitt 3,4 Prozent.

Unterdessen prognostiziert das IGES-Institut, dass die Zahl genetischer Therapien in den kommenden Jahren stark zunehmen werde. Diese eröffneten schwerkranken Patienten neue Behandlungsoptionen, könnten jedoch die Kassen unterschiedlich stark belasten. Empfohlen wird, das Erstattungs- und Finanzierungssystem der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) anzupassen.

 

© BioMarin Deutschland GmbH • pogonici, Fotolia.com • Montage: pag, Anna Fiolka
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Ökonomische Herausforderungen durch Gentherapien

Viele der Gentherapien zeichneten sich durch eine Langwirksamkeit aus, heißt es bei IGES. Derzeit seien drei langwirksame Gentherapien in der EU zugelassen. 42 weitere stehen kurz vor der Marktreife. Langwirksame Gentherapeutika müssen nur einmalig oder mehrmals mit anschließenden therapiefreien Jahren verabreicht werden. Kurzwirksame Gentherapien werden kontinuierlich gegeben.

Studienautor Fabian Berkemeier, Bereichsleiter Value & Access Strategy bei IGES, rechnet in den nächsten Jahren mit zahlreichen Markteinführungen sowie „signifikanten ökonomischen Herausforderungen für das GKV-System“. Diese gelte es frühzeitig zu adressieren und die bereits bestehenden Diskussionen über die Weiterentwicklung des Morbiditätsorientierten Risikostrukturausgleichs (Morbi-RSA) zu forcieren. Dem Institut zufolge sind die in der Studie identifizierten Erkrankungen aktuell im Morbi-RSA nicht oder nur ungenau abgebildet.

Die Prognose entstand im Auftrag des Unternehmens Merck.