In Kürze

Selbsthilfe: Vertrauen durch Kritik

Berlin (pag) – Glaubwürdig und unabhängig wollen Selbsthilfegruppen sein. Dafür reicht es allerdings nicht, nur die Geldflüsse von der Industrie offenzulegen. Dazu kommen muss auch ein gehöriges Maß an Kritikfähigkeit, lautet der Tenor einer Veranstaltung in Berlin.

Selbsthilfegruppen, die Gelder von Sponsoren und Industrie annehmen, sind nicht per se unglaubwürdiger als Organisationen, die darauf verzichten. Das wird auf der Tagung der Nationalen Kontakt- und Informationsstelle zur Anregung und Unterstützung von Selbsthilfegruppen und Transparency International deutlich. „Transparenz schafft Vertrauen“ lautet das Motto. Das mpn-Netzwerk, eine Initiative für Menschen mit Myeloproliferativen Neoplasien, ist beispielsweise nach Angaben seines Ehrenvorsitzenden Dieter Wenzel „Totalverweigerer“ – es nimmt grundsätzlich kein Geld von Institutionen. Die Leukämiehilfe Rhein-Main hat dagegen mit Zuwendungen aus der Pharmabranche kein Problem, veröffentlicht diese aber auch.

Versuche, Einfluss auf Selbsthilfegruppen zu nehmen, erfolgen auch jenseits des Sponsorings, zum Beispiel über Anerkennung. „Man muss sich immer bewusst sein, dass man gebauchpinselt wird. Wir fragen uns deshalb bei jeder Zusammenarbeit: Was bringt das den Leuten, die uns das Vertrauen gegeben haben?“, sagt Christian Limpert von der Selbsthilfe Stoma-Welt.

Intransparenz könne die Arbeit der Selbsthilfe an vielen Stellen beeinflussen, sagt Erika Feyerabend vom Forum zur Beobachtung der Biowissenschaften und ihrer Technologie. Bei Ärzten zum Beispiel, die Selbsthilfeorganisationen als Experten zur Seite stehen, sei häufig nicht klar, welche Verbindungen sie – etwa auf dem Gebiet der Forschung – zur Industrie haben. Für Prof. David Klemperer, Sozialmediziner und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, ist deshalb Kritikfähigkeit das zentrale Instrument, mit dem sich die Selbsthilfe Glaubwürdigkeit verschaffen kann, vor allem wenn es um neue Medikamente geht. „Stellen Sie den Experten die richtigen Fragen“, fordert er die Teilnehmer aus der Selbsthilfe auf.