Berlin (pag) – Wie können Gesundheitsdaten für die Forschung genutzt werden? Welche Rahmenbedingungen sind notwendig, wie sieht es mit Datenspenden aus, wie mit einer Pflicht zur Spende? Darüber wird derzeit viel debattiert. Ein Bericht von zwei Veranstaltungen.
Datenschutz ist wichtig. Doch wenn es für ernsthaft erkrankte Patienten darum geht, eine bessere Therapie zu bekommen oder vielleicht anderen Betroffenen in Zukunft dazu zu verhelfen, ist für sie der Datenschutz kein heiliger Gral mehr. Das berichtet Prof. Elisabeth Steinhagen-Thiessen, Gerontologin an der Charité, auf einer Veranstaltung von Sanofi, dem Verband der forschenden Pharma-Unternehmen und dem Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie. Patienten seien oft bereit, vieles offen zu legen, sich sogar mit Hilfe von Videokameras überwachen zu lassen. „Bedenken wegen Datenschutz haben sie nicht“, sagt Steinhagen-Thiessen. Die Einwände kämen meist von denjenigen, die nicht betroffen seien.
Über das Thema Datenspende wird intensiv auf der Veranstaltung diskutiert. Eine Frage lautet: Sollen in einem Solidarsystem wie der gesetzlichen Krankenversicherung alle Patienten zu einer solchen Spende verpflichtet werden? Patientenvertreter Sigfried Schwarze mahnt zur Vorsicht, denn das Sammeln von Daten habe immer Konsequenzen. Daten seien das neue Erdöl, mit ihnen müsse verantwortungsvoll umgegangen werden. Eine vorherige Festlegung der Spende auf definierte Forschungsprojekte hält allerdings die Medizinrechtlerin Dr. Constanze Püschel angesichts des medizinischen Fortschritts für schwierig. „Es muss reichen, dass es um medizinische Versorgungsforschung geht.“ Eine breite Einwilligung, welche die Datennutzung auch für spätere Wissenschaftsprojekte gestatte, genügt Püschel unter folgenden Voraussetzungen: Eine unabhängige Ethikkommission begutachtet das Vorhaben, dieses wird öffentlich bekanntgemacht und die Daten werden treuhänderisch verwaltet.
Einer aktuellen Forsa-Umfrage zufolge sind 73 Prozent der Deutschen bereit, ihre Gesundheitsdaten für Forschungszwecke zu spenden. Drei Viertel von ihnen würden dies ohne Festlegung auf ein bestimmtes Vorhaben tun.
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„Eine große Herausforderung dieser Wahlperiode“
Wer sich mit Forschung und digitalen Patientendaten befasst, kommt an der Medizininformatik-Initiative (MII) nicht vorbei. Das mit 160 Millionen Euro vom Bund geförderte Projekt will die Forschungsmöglichkeiten und Patientenversorgung durch innovative IT-Lösungen verbessern – diese sollen es ermöglichen, dass Daten aus Krankenversorgung, klinischer und biomedizinischer Forschung über die Grenzen von Institutionen und Standorten hinweg ausgetauscht werden können. Einen Workshop der Initiative nutzt kürzlich die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, um darzustellen, worauf es ihr bei der Nutzung von Patientendaten ankommt. Prof. Claudia Schmidtke betont: „Die deutschlandweite Vernetzung der Routinedaten unserer Gesundheitsversorgung birgt eine sehr große Chance, um Krankheiten im gesamten Spektrum – von den großen Volkskrankheiten bis hin zu seltenen Erkrankungen – besser und frühzeitiger erkennen und behandeln zu können.“
Bedingung dafür sei, die rechtlichen und infrastrukturellen Voraussetzungen für die Forschung mit großen qualitativ hochwertigen Datenmengen zu schaffen – „eine große Herausforderung dieser Wahlperiode“. Als Ziel formuliert Schmidtke, den „mündigen Patienten als informierten Manager seiner eigenen Gesundheit und natürlich auch seiner Krankheit wahrzunehmen, auf seine Fragen einzugehen und alle für den jeweiligen Fall relevanten Informationen auszutauschen“.