Berlin (pag) – Psychosoziale Faktoren sind entscheidend für die Therapie eines Diabetes, sagt Prof. Andreas Neu, Vizepräsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). In der Versorgung fehle es an Strukturen, geschultem Personal und am Geld. Das überfordere vor allem betroffene Kinder und deren Eltern.
Die 32.000 Kinder und Jugendlichen bis 18 Jahre mit Diabetes Typ 1 müssen täglich die Herausforderungen des Erwachsenwerdens und die Therapie bewältigen. Das überfordert viele Patienten. „Das führt im schlimmsten Fall zu psychischen Belastungen oder Erkrankungen wie Depressionen, Angst- oder Essstörungen“, berichtet Neu. Betroffen seien 15 Prozent der Erkrankten.
Die Kinder gut zu erziehen und ihre Therapie kompetent zu begleiten, überlastet viele Eltern. Das zeigt eine von Prof. Karin Lange geleitete Studie. „Für die Familien tut sich mit der Diagnose der Boden auf“, berichtet sie. Viele Mütter treten beruflich zurück oder geben den Beruf auf. Das wirke sich finanziell aus. Zudem bestimme der Diabetes den Alltag. Die betroffenen Eltern wünschten sich eine kontinuierliche kompetente Hilfe bei der Erziehung und im Umgang mit der Erkrankung, schildert Lange. Doch es fehlt an Strukturen, sagt sie. Es gebe nicht genug Diabetesberater für Eltern, Kitas und Schulen. Gute soziale Strukturen seien aber entscheidend dafür, ob die Kinder ein Leben lang mit dem Diabetes gut umgehen können.
„Bislang fehlt es an Abrechnungsmöglichkeiten“, berichtet Prof. Bernhard Kulzer, Leiter des Forschungsinstituts der Diabetes Akademie Bad Mergentheim. Er schlägt vor, multimodale Komplexziffern wie in der Schmerztherapie für die Diabetesbehandlung von Kindern und Erwachsenen einzuführen. Diese sollten psychiatrische, psychosomatische, oder psychologisch-psychotherapeutische Leistungen abbilden. Kulzer spricht sich auch für eine Anpassung des Disease Management Programms (DMP) Diabetes aus: Die psychoonkologischen Leistungen des DMP Brustkrebs könnten die Vorlage sein.