Berlin (pag) – Kampf gegen Adipositas: Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina hat kürzlich Thesen zur „Eindämmung der Epidemie“ veröffentlicht. Die Autoren plädieren für einen ganzheitlichen Ansatz: Es sollten individuelle Verhaltensweisen, soziale Normen sowie kulturelle und ökonomische Rahmenbedingungen in den Blick genommen werden. Auch andere Wissenschaftler gehen dem Thema nach.
Zu den von der Leopoldina empfohlenen Maßnahmen gehören sowohl Prävention und die Änderung des individuellen Lebensstils als auch gesetzliche Regelungen wie gezielte Werbeverbote oder die Besteuerung einzelner Nahrungsmittel. Ziel müsse es sein, die Entstehung von starkem Übergewicht und Adipositas insbesondere bei Kindern und Jugendlichen zu verhindern und die Lebensqualität der Betroffenen zu verbessern. Eine These der Autoren lautet: „Maßnahmen, die nur einen Faktor verändern wollen, werden kaum erfolgreich sein.” Vielmehr sollten verschiedene Maßnahmen initiiert und in ihren Wirkungen und Wechselwirkungen wissenschaftlich begleitet werden.
Die Experten weisen außerdem darauf hin, dass Stigmatisierung von Übergewicht und Adipositas zu emotionalen Beeinträchtigungen, Depressionen und einer Verschlechterung der Lebensqualität der Betroffenen führen könne. Einer Stigmatisierung der Betroffenen sollte durch die Vermittlung von vertieftem Wissen über die vielfältigen Ursachen und Faktoren von Übergewicht entgegengewirkt werden. Eine weitere Forderung: „Menschen, die von Adipositas betroffen sind, müssen adäquat mit evidenzbasierten Therapieoptionen versorgt werden.“ Das gelte insbesondere für chirurgische Maßnahmen bei Menschen mit schwerer Adipositas.
Diskriminierung von Menschen mit Adipositas
Sowohl die Erkrankung selbst als auch die Wahrnehmung von Adipositas scheinen mit sozioökonomischen Faktoren wie Bildung und Einkommen zusammenzuhängen. Im Rahmen einer systematischen Literaturübersicht beschäftigen sich Wissenschaftler der SRH Hochschule für Gesundheit mit der Frage, ob Stigmatisierung und Diskriminierung vom sozioökonomischen Status abhängig sind. Eindeutige Verbindungen zwischen sozioökonomischem Status und Stigmatisierung bzw. Diskriminierung von Menschen mit Adipositas können sie zwar nicht feststellen. Analysiere man allerdings die Studienergebnisse nach ihrer Herkunft, lassen sich Unterschiede ausmachen – je nachdem, welche kulturellen und staatlichen Strukturen in den jeweiligen Untersuchungsländern vorliegen, teilen die Wissenschaftler um die Vizepräsidentin der Hochschule, Prof. Claudia Luck-Sikorski, mit. Zuvor haben sie bereits Ergebnisse zu diskriminierenden Einstellungen gegenüber Menschen mit Adipositas vorgestellt. Dafür wurden 179 Studienteilnehmer befragt, wie hoch der prozentuale Beitragssatz der gesetzlichen Krankenkasse für Adipositaspatienten sein sollte. Als Vergleichswert wurde abgefragt, welchen Beitragssatz die Befragten für Menschen mit Normalgewicht vorschlagen würden. Das Ergebnis: Ein Viertel der Befragten schlägt einen signifikant höheren Beitragssatz für Menschen mit Adipositas vor. Insbesondere eine starke Ausprägung negativer Vorurteile gegenüber Menschen mit Adipositas ist mit erhöhten Beitragssätzen assoziiert.
Weiterführender Link
Diskussionspapier der Leopoldina:
https://www.leopoldina.org/uploads/tx_leopublication/2019_Diskussionspapier_Adipositas_web.pdf