Dr. Karin Harre: „Unklare Zuständigkeiten zwischen Ämtern, Praxen und Krankenhäusern“

Nachgefragt bei Dr. Karin Harre, Hausärztin aus Brandenburg

 

Die Hausärzte fühlen sich von der Coronawelle überrollt und teilweise von den KVen im Stich gelassen. Teilen Sie den Eindruck Ihrer Kollegen?

© iStock.com, HRAUN

Dr. Karin Harre: Ja, wir fühlen uns überrollt. Die Kassenärztliche Vereinigung hat zumindest in Brandenburg aber schnell reagiert, auch die Kassenärztliche Bundesvereinigung hat den Ernst der Lage eigentlich schnell erkannt. Das größte Problem war eher die fehlende Schutzausrüstung, dass da die zentrale Beschaffung nicht klappte. Wir in den Praxen haben schon im Februar keine Schutzmasken mehr bestellen können. Die Schul- und Kitaschließung hat die Arbeitsfähigkeit der Institutionen auch stark eingeschränkt. De facto musste sich jeder allein in seiner Praxis medizinisch informieren und die RKI-Seite war lange die einzige Informationsquelle. Die Fachgesellschaften haben etwas gebraucht.
 
Die Ressource Arzt wird knapp. Funktioniert die Arbeitsteilung zwischen Haus- und Fachärzten und darüber hinaus zwischen Niedergelassenen und Krankenhäusern?

Harre: Die Ressource Arzt wird ambulant eigentlich noch nicht knapp. Nur weil wir nicht genug Schutzausrüstungen haben, müssen sich einige raushalten. Zumal die Hälfte der Hausärzte in Brandenburg über 55 Jahre alt ist. Da beginnt schon die Risikogruppe. Die Zusammenarbeit ist nicht so gut – weder unter den Fachgruppen noch mit dem Krankenhaus. Alle kümmern sich erst mal um sich selbst. Ein großes Problem sind die unklaren Zuständigkeiten zwischen Gesundheitsämtern, Praxen und Krankenhäusern. Alle schieben es sich so ein bisschen hin und her.
 
Wie ließe sich die Zusammenarbeit besser organisieren?

Harre: Zusammenarbeit zu organisieren ist schwer, wenn man sich nicht treffen darf. Das geht am besten ganz lokal, mit Kollegen, mit denen man „per du“ ist, egal wo sie arbeiten. Und ganz nah im Ort mit Gemeindeverwaltung, Bürgergesellschaft und Feuerwehr. Meine FFP3-Masken erhielt ich beispielsweise zunächst von einem Patienten mit einer Handwerksfirma und dann nach einem Treffen beim Amtsdirektor von der Freiwilligen Feuerwehr. Jetzt näht uns eine Schneiderin im Ort Mundschutzmasken.

Zur Person:
Dr. Karin Harre ist niedergelassene Hausärztin aus Brandenburg. Sie ist seit 2017 Vorsitzende des Hausärzteverbandes Brandenburg. Die Allgemeinmedizinerin hat regelmäßig Studierende zum praktischen Teil des Studiums in ihrer Praxis.
.