Nils Dehne: „Echtes Krisenmanagement statt Interessenpolitik“

Nachgefragt bei Nils Dehne, Arbeitsgemeinschaft kommunaler Großkrankenhäuser

 

Vertrauen Sie auf den Blankoscheck der GKV in Sachen Liquidität?

Nils Dehne: Das nun beschlossene Maßnahmenpaket ist für uns ein wichtiges Zeichen für eine kurzfristige Liquiditätssicherung in den Krankenhäusern. Jeder muss wissen, dass diese Maßnahmen je nach aktueller Lage in den einzelnen Häusern nicht ausreichen, um der jeweiligen Situation vor Ort gerecht zu werden. Niemand kann derzeit abschätzen, welche organisatorischen, medizinischen und finanziellen Herausforderungen in den nächsten Wochen noch auf die Krankenhäuser zukommen. Daher ist in diesem Falle eine schnelle Einigung sehr zu begrüßen. Eine Absicherung der Krankenhäuser und ihres jeweiligen Einsatzes zur Bewältigung der Krise ist damit jedoch keineswegs verbunden. Wir vertrauen dabei auf die Vernunft aller Akteure im Gesundheitswesen, in dieser Situation auf Interessenpolitik zu verzichten und ein echtes Krisenmanagement sicherzustellen.

In der Krise sind die Sympathien der Bevölkerung auf der Seite der Krankenhäuser. Wie lange trägt das über die Krise hinaus?

Dehne: Die Unterstützung der Bevölkerung ist eine wertvolle Grundlage für die Arbeit der Krankenhäuser. Dazu gehört neben der öffentlichen Sympathiebekundung auch ein adäquates Verhalten der Patienten, der Besucher, der Risikogruppen und aller anderen Mitmenschen. Nur so können die wertvollen Ressourcen unserer Krankenhäuser richtig eingesetzt werden. Dieser Zusammenhang gilt grundsätzlich immer. Wir gehen davon aus, dass der Öffentlichkeit in einer solchen Krise durchaus bewusst wird, welche Institutionen welchen Beitrag für die Gesellschaft zu leisten im Stande sind. Die AKG-Kliniken werden alles dafür tun, ihrer entsprechenden Verantwortung gerecht zu werden und damit auch die Grundlagen und Argumente für eine nachhaltige und strukturelle Wirkung der aktuellen Erkenntnisse zu schaffen.

Was sind Ihre größten Befürchtungen für die Zeit nach der Coronakrise, wenn der Normalbetrieb wieder aufgenommen wird?

Dehne: Mehr als jemals zuvor entstehen gute Konzepte, nachhaltige Lösungen und echte Mehrwerte heute nicht mehr am Schreibtisch hinter verschlossenen Türen. Gute Lösungen entwickeln sich durch Handlungsnotwendigkeiten, Verantwortungsübernahme und Eigeninitiative. Das zeigt die aktuelle Krise sehr anschaulich. Auf diesen Erkenntnissen müssen wir als Gesellschaft insgesamt und ganz besonders im Gesundheitswesen aufbauen. Die Zeit der Selbstverwaltung muss durch eine Zeit der Selbstgestaltung abgelöst werden. Die vielen guten Ansätze für eine regionale Abstimmung zwischen den Leistungserbringern in Sachen Aufgabenverteilung, Patientensteuerung und Netzwerkorganisation müssen erhalten und weiterentwickelt werden. Hierfür braucht es einen neuen konzeptionellen Rahmen.

Zur Person:
Nils Dehne ist Leiter der Geschäftsstelle der Arbeitsgemeinschaft Kommunaler Großkrankenhäuser in Berlin. Vorher hat der studierte Volkswirt das Gesundheitswesen durch seine Stationen im Marienhospital Stuttgart und bei der Deutschen Apotheker- und Ärztebank in Düsseldorf bereits aus vielfältigen Perspektiven erlebt. Die Arbeitsgemeinschaft kommunaler Großkrankenhäuser ist ein Zusammenschluss von über 20 großen kommunalen Krankenhäusern aus ganz Deutschland.