Im Fokus

Innovationen in der NUB-Lücke

Das Verfahren für neue Methoden ist reformbedürftig

Berlin (pag) – Bis Innovationen in den Fallpauschalen der Krankenhäuser, dem DRG-System, abgebildet werden, kann es bis zu drei Jahre dauern. Diese Lücke soll das NUB-Verfahren überbrücken. Einige Akteure, wie etwa Unikliniken, der vdek und die Deutsche Krebsgesellschaft, halten dieses Prozedere mittlerweile für reformbedürftig – nicht zuletzt aufgrund neuer Behandlungsansätze wie CAR-T-Zelltherapien.

© zbruch / iStockphoto

 

Herbstzeit ist NUB-Zeit in den Krankenhäusern. Dann müssen sie entscheiden, für welche neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, kurz NUB, sie beim Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) eine Anfrage starten. Nur so haben die Häuser eine Chance, die Innovationen sachgerecht vergütet zu bekommen. Bis zum 31. Oktober ist eine Anfrage für das Folgejahr an das InEK zu stellen.

Begründungen werden vermisst

Das Klinikum München stellt beispielsweise jährlich rund 180 NUB-Anträge. Neue Untersuchungs- und Behandlungsmethoden sind insbesondere für Maximalversorger und Unikliniken relevant: Sie reichen einer Befragung des Deutschen Krankenhausinstituts zufolge hauptsächlich NUB-Anträge ein. Nachdem die Kliniken die Anträge gestellt haben, ist das InEK am Zug. Bis zum 31. Januar veröffentlicht es seine Prüfergebnisse. Das bedeutet: Jede angefragte Methode bekommt einen Status, der darüber entscheidet, wie es weitergeht. Bei Status zwei ist Endstation, bei Status eins hingegen kann das Krankenhaus ein Entgelt mit den Kassen verhandeln. NUB-Experte Prof. Thomas Kersting findet es problematisch, dass es vom InEK keine Begründung dafür gibt, warum welcher Status verteilt wurde. „Die Entscheidungsgrundlagen sind nicht nachvollziehbar“, sagt der Geschäftsführer des ITC – Institut Takecare.
Hinzu kommt: Für manche neue Methoden scheint es grundsätzlich schwer zu sein, überhaupt den Status eins zu bekommen. Sie fallen durch das Raster. Dies beobachten Kliniken insbesondere bei Antibiotika und molekularer Diagnostik.

Die Situation ist unübersichtlich

So geht das Prozedere weiter: Nach der Bewertung des InEK verhandeln die Kliniken mit den Krankenkassen ein NUB-Entgelt. Allerdings gelingt es den Häusern, nur für knapp 60 Prozent der NUB mit einem Status eins ein Entgelt zu vereinbaren. Das ergab ein Gutachten des Deutschen Krankenhausinstituts im Auftrag des BVMed. Die Kostenträger verweisen unter anderem auf Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK), denen zufolge sich keine Evidenz oder kein Potenzial für die Methode ergebe. Auch zu geringe Fallzahlen oder ein fehlender Versorgungsauftrag für die NUB werden von ihnen ins Feld geführt.
Noch unübersichtlicher wird die Situation dadurch, dass ein erfolgreich verhandeltes NUB-Entgelt die Kassen nicht automatisch dazu verpflichtet, dieses auch zu zahlen. Bei der Abrechnungsprüfung darf der MDK prüfen, ob mit dem Einsatz der NUB die gesetzlich geforderte Qualität und Wirtschaftlichkeit der Behandlung eingehalten wurde. Fällt das Ergebnis negativ aus, gibt es kein Geld.

Finanzierungssicherheit fehlt

Mit den neuen CAR-T-Zelltherapien wird insbesondere die Behäbigkeit des Verfahrens für die Kliniken zum Problem. Ein Jahr bis 18 Monate kann es dauern, bis das komplette Verfahren durchlaufen ist, informiert Dr. Johannes Bruns, Generalsekretär der Deutschen Krebsgesellschaft. So lange müssen die Kliniken das Geld vorstrecken. Mit Summen von 320.000 Euro für die CAR-T-Zellprodukte plus Behandlungskosten in Vorleistung zu gehen, stellt auch für große Häuser ein erhebliches Finanzierungsrisiko dar. Bei mehreren Patienten kommen schnell Millionenbeträge zusammen. Die Folgen bringt Jens Bussmann, Generalsekretär vom Verband der Deutschen Universitätsklinika, auf den Punkt: „Viele wundern sich, dass es in Deutschland im internationalen Vergleich so wenig Behandlungsfälle mit CAR-T-Zellen gibt. Das liegt daran, weil wir hier eine Finanzierungsunsicherheit haben.“

Wie lässt sich die NUB-Lücke überbrücken?

Prof. Helmut Ostermann © LMU klinikum

Der Weg zur kostendeckenden Erstattung eines neuen Arzneimittels ist im Krankenhaus also mitunter ziemlich lang. Dabei spielt auch der Zeitpunkt der Zulassung eine nicht unerhebliche Rolle: Wird das Medikament nach dem 31. Januar zugelassen, kann es bei der aktuellen NUB-Prüfung nicht mehr berücksichtigt werden. Ein Vorab-Antrag, bevor die Zulassung erfolgt ist, ist ebenfalls schwierig. Somit müssen die Klinken bis zur nächsten NUB-Runde im Herbst warten, bis sie für das – inzwischen zugelassene – Medikament eine Anfrage beim InEK starten können. „Wollen wir ein solches Mittel in einer wichtigen Indikation sofort und viel einsetzen, haben wir trotz erfolgter Zulassung im Grunde ein Jahr lang keine Abrechnungsmöglichkeiten“, sagt Prof. Helmut Ostermann vom Klinikum München. In der Zwischenzeit versuchen die Kliniken, die NUB-Lücke mit Einzelkostenübernahmeanträgen bei den Krankenkassen zu überbrücken. Eine Lösung, die aufgrund des Aufwandes nur ein Provisorium darstellen kann, denn die Klinik muss für jeden einzelnen Patienten eine solche Kostenerstattung beantragen. Unbefriedigend ist aus Krankenhaussicht auch, dass in der Regel nur die Medikamenten-Mehrkosten, nicht aber der zusätzliche Behandlungsaufwand übernommen werden. Dennoch geht es manchmal nicht anders. Denn die Zeit, den Ablauf des NUB-Verfahrens abzuwarten, haben zum Beispiel Krebspatienten nicht.

Viele Reformideen kursieren

Mehrere Akteure haben das Problem erkannt und Reformvorschläge vorgestellt. Im Herbst 2019 fordert der Verband der Universitätsklinika (VUD) zusammen mit der Deutschen Krebsgesellschaft (DKG) und dem Verband der Ersatzkassen (vdek) speziell für die neuen Gen- und Zelltherapien ein auf Innovationszentren zugeschnittenes NUB-Verfahren: Die sehr teuren und teils mit hohen Risiken verbundenen Therapien sollen nur an wenigen, hoch qualifizierten Innovationszentren vorgenommen werden. Die neuen Behandlungsmethoden können so evaluiert werden, die Innovationen gelangen „nicht ungesteuert in die Patientenversorgung“ und die Kassen hätten keinen Grund, bei der Erstattung „auf die Bremse zu treten“. Das Neue an diesem Spezial-NUB-Verfahren: Die Innovationszentren – Universitätsklinika und Maximal-versorger – bekommen vom Tag der Zulassung an sofort die Kosten für die Therapien erstattet.
Einen etwas umfassenderen Katalog an Vorschlägen hat der VUD zuletzt in einer Stellungnahme zum MDK-Reformgesetz vorgestellt. Danach erhalten die Krankenhäuser ein ganzjähriges NUB-Antragsrecht. Die Kassen werden verpflichtet, bei positiver Anerkennung durch das InEK innerhalb einer gesetzlich vorgeschriebenen Frist – zum Beispiel zwei Monate – mit den Krankenhäusern über die NUB-Entgelte zu verhandeln. Und: Die NUB-Entgelte werden rückwirkend zu dem Zeitpunkt gezahlt, an dem die neue Methode vom InEK den Status eins erhält. Ein „Super-NUB-Verfahren“ hat ebenfalls im vergangenen Jahr DKG-Generalsekretär Bruns ins Spiel gebracht. Der Kern seiner Idee: Bei neuartigen Gen- und Zelltherapien wird das NUB-Prozedere an das AMNOG-Verfahren gekoppelt. „Nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und der im AMNOG-Verfahren gesetzten Frist von sechs Monaten könnten die Kosten der stationären Behandlung unmittelbar erstattet werden“, erläutert er. Nach den Preisverhandlungen würden die Preise entsprechend angepasst.

Wie geht es weiter?

Unter Experten sind noch weitere Reformvorschläge in der Diskussion – zum Beispiel, dass das InEK seine Status-Vergaben begründen sollte. Gefordert wird auch, dass für NUB, für die in den Vorjahren bereits eine Anfrage positiv beschieden wurde, nicht jedes Jahr erneut ein Antrag gestellt werden muss. Und dass nicht jedes Krankenhaus separat eine Anfrage ans InEK starten muss. Ferner werden stärker zentralisierte Entgeltverhandlungen vorgeschlagen.
Ob und welche Ideen sich die politischen Entscheider zu eigen machen, ist derzeit noch offen.

Weiterführender Link:
Ausführlicher wird das Problem der NUB-Lücke in einer opg-Spezialausgabe der Presseagentur Gesundheit dargestellt. Gerechte Gesundheit richtet außerdem eine Veranstaltung zu dem Thema aus.
https://www.pa-gesundheit.de/pag/opg-spezial-2020-die-nub-luecke.html