In Kürze

Schmerzmedizinische Versorgung: „Wieder bei Null anfangen“

Berlin (pag) – Bestehende Versorgungsengpässe macht die Coronakrise noch offensichtlicher – zum Beispiel in der Schmerzmedizin. Darauf weisen Experten anlässlich des Schmerz- und Palliativtags hin. Dieser stellt unter dem Titel „Individualisierung statt Standardisierung“ die älteren Patienten in den Fokus.

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Diese Schmerzpatienten müssten in der jetzigen Situa-tion bestmöglich versorgt werden, hält Dr. Thomas Cegla fest, Tagungspräsident und Vizepräsident der veranstaltenden Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin (DGS). Während der Pandemie war der Zugang zu Arztpraxen und Physiotherapeuten allerdings eingeschränkt, viele Menschen scheuten zudem die Besuche. Nun kämen diese Patienten langsam wieder zurück in die Praxen, sagt Cegla. „Bei vielen fangen wir wieder bei Null an.“
Die Versorgungsengpässe in der Schmerzmedizin umreißt DGS-Präsident Dr. Johannes Horlemann mit wenigen, aber aussagekräftigen Zahlen: Auf rund 3,4 Millionen Betroffene kämen nur circa 1.200 ambulante Schmerzmediziner. Notwendig wären mindestens 10.000. Deswegen müssten mehr Schmerzmediziner ausgebildet werden. Zudem sei es notwendig, die Schmerzmedizin in der Bedarfsplanung zu berücksichtigen. Es gibt aber weder eine geregelte Ausbildung noch eine Facharzt-Qualifikation.
Speziell die älteren Schmerzpatienten bräuchten mehr Zeit in der ärztlichen Behandlung, meint Cegla. Ein Problem sei außerdem, dass für diese Gruppe viel zu wenig Daten aus der Forschung vorliegen. Hinzu komme, dass bei Senioren nicht selten Mehrfacherkrankungen auftreten. „Solche Patienten nehmen häufig viele Medikamente ein, die überhaupt nicht aufeinander abgestimmt sind“, sagt Cegla. Er rät, dass Schmerzmediziner mit anderen Fachärzten, aber auch Therapeuten und Apothekern zusammenarbeiten müssten.

Nationaler Aktionsplan in weiter Ferne

„Ein nationaler Aktionsplan Schmerz wäre notwendig, weil damit verschiedene Berufs- und Interessengruppen an einen Tisch gebracht werden“, meint Horlemann. Diesen hält das Bundesgesundheitsministerium allerdings nicht für notwendig, wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion hervorgeht. Dem widerspricht der FDP-Abgeordnete Prof. Andrew Ullmann vehement: Das Thema müsse endlich in einem nationalen und ressortübergreifenden Aktionsplan angegangen werden. Er verlangt verlässliche Fakten, zu welchem wirtschaftlichen Schaden die vernachlässigte Behandlung von chronischen Schmerzen führe. „Dann muss ressortübergreifend eine Agenda aufgestellt werden, wie chronische Schmerzversorgung effizienter strukturiert werden kann.“

Weiterführender Link:
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der FDP-Bundestagsfraktion:
https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/210/1921045.pdf