Berlin (pag) – Die Warnungen vor einer medizinischen und pflegerischen Unterversorgung von Kindern haben sich in den vergangenen Monaten gemehrt. Gesetzgeber und Selbstverwaltung haben jetzt reagiert – es soll Sicherungszuschläge für Kinderabteilungen in Klinken geben. Reicht das?
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) hat im Oktober beschlossen: Auch eine kinder- und jugendmedizinische Fachabteilung in Krankenhäusern gilt künftig als Kriterium für den Sicherstellungszuschlag. „Insgesamt können in dünn besiedelten Gebieten so bis zu 59 Standorte im Falle eines Defizits des Krankenhauses unterstützt werden“, erklärt Prof. Josef Hecken, unparteiischer Vorsitzender des G-BA. Bisher gelten nur Innere Medizin, Chirurgie und Geburtshilfe oder Gynäkologie als basisversorgungsrelevante Leistungen eines Krankenhauses, um die finanzielle Sonderhilfe zu bekommen. Durch das geplante Versorgungsverbesserungsgesetz könnten die Sicherstellungszuschläge für die Kinder- und Jugendmedizin bereits 2021 ihre Wirkung entfalten, sagt Hecken. Zusätzlich erhielten künftig – einschließlich der Kinder- und Jugendmedizin – rund 140 Kliniken in dünn besiedelten Gebieten unabhängig von einem Defizit zudem noch eine pauschale Förderung von jährlich 400.000 bis 800.000 Euro.
Wann ist die Versorgung in Gefahr?
Eine flächendeckende pädiatrische Versorgung sieht der G-BA in Gefahr, wenn durch die Schließung eines Krankenhauses für zusätzlich 800 Menschen unter 18 Jahren Fahrzeiten mit dem Auto von mehr als 40 Minuten zur nächsten Klinik notwendig sind. Ein strukturell bedingter geringer Versorgungsbedarf liegt laut G-BA in einer Region vor, wenn die durchschnittliche Einwohnerdichte von unter 18-Jährigen unter 22 Menschen je Quadratkilometer im Einzugsbereich des Krankenhauses sinkt. Über diese Zahl herrscht zunächst Dissens zwischen den entscheidenden Bänken im G-BA. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft wollte ursprünglich 27 Kinder und Jugendliche als Grenze, der GKV-Spitzenverband 16.
Erst kürzlich hat die Deutsche Akademie für Kinder- und Jugendmedizin in einer Petition an den Bundestag gefordert, „die Benachteiligung von Kindern und Jugendlichen in der medizinischen Versorgung zu beenden“. Auch der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte Deutschland (BVKJ) warnte vor einer drohenden Versorgungsverschlechterung – sowohl ambulant als auch stationär. Flächendeckend mangele es bereits heute an Kinder- und Jugendmedizinern. Der Verband spricht von langen Wartezeiten in den Praxen. Und viele Kinderkliniken könnten aufgrund von strukturellen Defiziten nicht wirtschaftlich arbeiten und seien daher akut gefährdet. „Diese Situation wird sich in den kommenden Jahren noch dramatisch verschärfen“, meinte BVKJ-Vorsitzender Dr. Thomas Fischbach.
„Dramatisch und höchst besorgniserregend“
Auch bei der pflegerischen Versorgung von Kindern liegt einiges im Argen: Bereits im vergangenen Jahr hat das Aktionsbündnis Angeborene Herzfehler (ABAHF) an die Bundesregierung appelliert, die Versorgung intensivpflegebedürftiger Kinder schnellstmöglich zu normalisieren. Der Zustand der Intensivpflege auf kinderkardiologischen und kinderherzchirurgischen Intensivstationen sei „dramatisch und höchst besorgniserregend“. Von mehreren Kinderherzzentren in Deutschland werde berichtet, dass im Schnitt 30 Prozent der Betten wegen Pflegekräftemangels gesperrt sind. Grund für den Pflegekräftemangel sei insbesondere die bereits vor Jahren erfolgte Reduzierung von Ausbildungsplätzen in der Kinderkrankenpflege, die sich aktuell im klinischen Alltag massiv auswirke.