In Kürze

EU-HTA: Wie es weitergeht

Berlin (pag) – In die Verhandlungen um ein einheitliches Bewertungsverfahren von Gesundheitstechnologien in der Europäischen Union (EU) kommt Bewegung. Ein neuer Vorschlag soll auch die bisherigen Kritiker unter den Mitgliedstaaten zum Einlenken bewegen.

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Fast ein Jahr lagen die Verhandlungen in der Europäischen Union auf Eis, vor allem wegen Corona. Die Pause hat die Fronten aber offenbar nicht verhärtet, sondern eher die Kompromissbereitschaft gefördert. Das Bundesgesundheitsministerium jedenfalls ist optimistisch: Die deutsche EU-Ratspräsidentschaft habe basierend auf den Vorarbeiten der vorigen Ratspräsidentschaften (Bulgarien, Österreich, Rumänien, Finnland, Kroatien) erstmalig einen Gesamttext für eine Health-Technology-Assessment (HTA)-Verordnung vorgelegt. Dieser wurde Ende November auf Arbeitsebene in einer Ratsarbeitsgruppe diskutiert. „Das Echo der anderen Mitgliedstaaten fiel insgesamt positiv aus, sodass nunmehr eine realistische Möglichkeit besteht, das sehr komplexe Regelungsvorhaben in absehbarer Zeit und innerhalb der Triopräsidentschaft zusammen mit Portugal und Slowenien abzuschließen“, teilt das Ministerium mit. Peter Liese, Abgeordneter des Europäischen Parlamentes, rechnet im Frühjahr mit einer Einigung im Rat. Dann könnten endlich die Verhandlungen mit dem Europäischen Parlament, das der Verordnung zustimmen muss, starten.
Zur Vorgeschichte: 2018 hatte die EU-Kommission einen Vorschlag für ein EU-HTA vorgelegt, gegen den sich jedoch heftiger Widerstand regte. Vor allem jene Mitgliedstaaten, die wie Deutschland über ein etabliertes HTA-Verfahren verfügen, lehnten den Kommissionsentwurf ab. Ihre Forderung: Auf nationale Besonderheiten des Gesundheitssystems müsse Rücksicht genommen werden. Streit entbrannte zudem darüber, ob alle neu zugelassenen Arzneimittel oder nur eine Auswahl das EU-HTA durchlaufen sollen. Oder wie die Bewertungen überhaupt zustande kommen: mittels Mehrheitsentscheid oder zwingend nur im Konsens?


Krebstherapien im Fokus

Der neue Verordnungsentwurf atmet viel Kompromiss. So soll das EU-HTA erst einmal schrittweise eingeführt werden. Im Fokus eines „joint clinical assessments“ stehen demnach zunächst Therapien gegen Krebs. Im zweiten Schritt werden dann Orphan Drugs und ATMPs in das Verfahren mit aufgenommen. Fünf Jahre nach Inkrafttreten der Verordnung ist geplant, neue Arzneimittel in das EU-HTA aufzunehmen, welche die Indikationen AIDS, neurodegenerative Erkrankungen, Diabetes, Autoimmunerkrankungen und andere Immunschwächen sowie Viruserkrankungen betreffen. Nach acht Jahren schließlich sollen alle anderen „medicinal products“ einbezogen werden. Grundsätzlich, so sieht es der Entwurf vor, ist bei der Entscheidung über die Bewertung Konsens vorgesehen. Ausdrücklich wird auch betont, dass den Mitgliedstaaten eigene Zusatznutzen-Bewertungen im „Kontext ihres spezifischen Gesundheitssystems“ freistehen.