Berlin (pag) – In Sachen frauenfreundlicher Gesundheitspolitik und -versorgung sei man „ein ganzes Stück“ weitergekommen, aber noch immer existierten viele Herausforderungen. Dieses Fazit zieht der kürzlich vom Robert Koch-Institut (RKI) veröffentlichte Report zur gesundheitlichen Lage der Frauen in Deutschland.
Fast 20 Jahre sind zwischen dem ersten Frauengesundheitsbericht, der 2001 vom Bundesfamilienministerium herausgegeben wurde, und dem aktuellen des RKI vergangen. Im Unterschied zu damals ist es den Krankenkassen aber mittlerweile gesetzlich vorgeschrieben, geschlechtsspezifische Besonderheiten bei ihren Leistungen zu beachten. RKI-Präsident Prof. Lothar Wieler betont anlässlich der Veröffentlichung, dass eine geschlechtersensible Berichterstattung die Akteure des Gesundheitswesens dabei unterstützt, „eine frauengerechte Prävention und Gesundheitsversorgung umzusetzen.“
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Zum Thema gynäkologische Erkrankungen wie Endometriose, Myome und Gebärmuttersenkung hält der Report beispielsweise fest, dass dafür „nur wenige Daten zu Häufigkeit, Einflussfaktoren und Versorgung“ zur Verfügung stünden. „Die Behandlung sollte sich an den individuellen Beschwerden und Bedürfnissen der Betroffenen orientieren.“ Eine Voraussetzung dafür sei eine erfolgreiche Kommunikation zwischen Arzt und Frau.
„Absolut unzureichend“
Unterdessen kommt eine Studie des Deutschen Ärztinnenbundes (DÄB), der Deutschen Gesellschaft für geschlechtsspezifische Medizin und der Berliner Charité zu dem Ergebnis, dass Genderaspekte im Medizinstudium viel zu wenig berücksichtigt werden. „Soweit es die Humanmedizin betrifft, ist die Vermittlung von geschlechtersensiblem Wissen an den Universitäten leider absolut unzureichend“, sagt Prof. Gabriele Kaczmarczyk, DÄB-Vizepräsidentin und eine der Autorinnen des Projekts. Demnach werden Studierende an 70 Prozent der Fakultäten nur punktuell in einzelnen Lehrveranstaltungen über die Auswirkungen von Geschlecht auf Krankheiten, Symptome und Therapien unterrichtet. Die strukturelle curriculare Integration von geschlechtersensiblen Aspekten sei noch nicht weit genug fortgeschritten, heißt es in dem Bericht. Verbesserungsbedarf sehen die Autorinnen außerdem bei der Prüfungsrelevanz, der Evaluation und Qualitätssicherung des vermittelten Wissens sowie der nachhaltigen Integration von geschlechterbezogenen Forschungsergebnissen in die Lehre. Als maßgebliche Barrieren für die Integration seien häufig eine mangelnde Bereitschaft beziehungsweise ein geringes Problembewusstsein sowie die fehlende Qualifizierung der Lehrkräfte genannt worden. Genderaspekte würden außerdem in den Fach- und Lehrbüchern nicht systematisch berücksichtigt. Kaczmarczyk fordert darum, neue Professuren für Gendermedizin zu schaffen.