Berlin (pag) – In die festgefahrene Sterbehilfe-Debatte kommt wieder Bewegung: Zwei Gesetzesinitiativen sind bekannt geworden: Für eine zeichnen die Grünen-Politikerinnen Katja Keul und Renate Künast verantwortlich. Der Entwurf für ein Suizidhilfegesetz stammt von Prof. Karl Lauterbach (SPD), Katrin Helling-Plahr (FDP) und Petra Sitte (Die Linke).
„Das Recht auf selbstbestimmtes Sterben darf es nicht nur auf dem Papier geben“, betont Katrin Helling-Plahr, als sie mit ihren beiden Mitstreitern den Entwurf eines Suizidhilfegesetzes bei der Bundespressekonferenz vorstellt. Derzeit bestehe erhebliche Rechtsunsicherheit. Anfang 2020 hat das Bundesverfassungsgericht das seit 2015 bestehende Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe gekippt. Die Begründung der Karlsruher Richter: Das Verbot verletze das Recht des Einzelnen auf selbstbestimmtes Sterben..
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Unwahre und verzerrende Aussagen
Auch der Deutsche Ethikrat beschäftigt sich derzeit intensiv mit dem Thema Sterbehilfe. Im Oktober vergangenen Jahres hat er auf einer Veranstaltung das „Recht auf Selbsttötung?“ erörtert. Bei einer Anhörung im Dezember wurde das Spektrum des Suizidbegehrens exemplarisch an ausgesuchten Lebenslagen näher beleuchtet. Konkret hat der Rat Aspekte der Suizidalität bei Kindern und Jugendlichen, im Zusammenhang mit psychischen Erkrankungen und im Kontext palliativer Versorgung in den Blick genommen sowie die Selbsttötung als Form der Lebensbilanzierung. Anlässlich der Anhörung bekräftigt die Deutsche Gesellschaft für Palliativmedizin (DGP) ihre kritische Haltung gegenüber der ärztlichen Suizidbeihilfe als Aufgabe der Palliativversorgung. Die Suizidbeihilfe könne keine Aufgabe der Hospiz- und Palliativversorgung, ein Add-On, sein, sagt DGP-Präsident Prof. Lukas Radbruch.
Wie unterschiedlich das Thema Sterbehilfe nicht nur innerhalb der Ärzteschaft, sondern auch innerhalb der Fachgesellschaft selbst eingeschätzt wird, hat kürzlich das in der ARD gezeigte Stück „Gott“ von Ferdinand von Schirach offenbart. In einem offenen Brief monieren Radbruch sowie 16 weitere Unterzeichner unter anderem, dass die Rolle des Ärztekammervertreters „ein wenig aus der Zeit gefallen“ sei. Sie betonen, dass die Zulassung des assistierten Suizids weder Suizidraten senke noch harte Suizide verhindere. Aussagen wie diese bleiben nicht ohne Widerspruch. In einer Replik auf den Brief kritisieren 27 Personen, unter ihnen der Notfallmediziner Michael de Ridder und der Jurist Prof. Reinhard Merkel, nachweisbar unwahre oder verzerrende Aussagen – etwa in Bezug auf sinkende Suizidraten oder auf die Verhinderung von harten Suiziden. Zur Darstellung des Kammervertreters merken sie an, dass exakt die Argumente des Arztes in dem Stück von realen Vertretern der Ärzteschaft während der letzten Jahre vorgebracht wurden. Namentlich wird an den ehemaligen Präsidenten der Bundesärztekammer, Prof. Frank Ulrich Montgomery, erinnert.