In Kürze

Notfallversorgung – mehr als gemeinsamer Tresen

Berlin (pag) – Die Reform der Notfallversorgung ist im Bundesgesundheitsministerium
kein Thema mehr. Nach der Bundestagswahl will sie der BKK Dachverband wieder auf der politischen Agenda sehen, denn „Notfallversorgung ist mehr als ein gemeinsamer Tresen“.

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Ende April läuft nach drei Jahren das vom BKK Dachverband unterstützte und vom Gemeinsamen Bundesausschuss mit 700.000 Euro geförderte Innovationsprojekt „Inno RD“ aus. Es hat konkrete 
Ansatzpunkte für eine Reform ermittelt.
Eine Patientenbefragung im Rahmen des Projektes ergab, dass elf Prozent der Befragten den für sie gefahrenen Rettungsdiensteinsatz im Rückblick als nicht dringlich einstufen. Insgesamt, sagt Projektleiter Dr. Enno Swart von der Universität Magdeburg, bestehe bei bis zu 20 Prozent der Fälle Optimierungsbedarf. Diese „nennenswerte Fehlversorgung“ zeige, dass die Inanspruchnahme des Rettungsdienstes reflektierter als bisher erfolgen müsse. Dafür sei es nötig, die Gesundheitskompetenz der Menschen zu steigern.

Um unnötige Fahrten in Kliniken zu vermeiden, plädieren die Projektteilnehmer dafür, den Notfallsanitätern ohne anwesenden Notarzt mehr Spielraum bei der Einschätzung des Handlungsbedarfs vor Ort zu geben. Das gelte ebenso für die Auswahl der geeigneten „Anschlussversorgung“: Muss der Patient überhaupt in die Klinik oder reicht nicht auch die Weiterleitung an eine Praxis? Dafür, sagt Enno Swart, sei es nötig, die ambulante Weiterversorgung und die Ausbildung der Sanitäter zu stärken. Empfohlen wird auch die Etablierung eines Telenotarztes, den die Rettungskräfte zu Rate ziehen können, sowie die Erlaubnis, in die elektronische Patientenakte zu schauen.

Das Innovationsfondsprojekt sieht noch weitere Handlungsfelder: „Die Notfallversorgung beginnt nicht in der Leitstelle und hört nicht im Krankenhaus auf“, sagt Prof. Bernt-Peter Robra, Sozialmediziner am Universitätsklinikum Magdeburg. Sinnvoll seien mobile Not-Pflegedienste, die etwa Menschen in der Nacht helfen könnten, einen verloren gegangenen Katheter zu ersetzen. Denn auch solche Fälle, die nicht dringlich seien, führten dazu, dass der Rettungsdienst alarmiert werde, so Robra. Für den Rettungsdienst müssten zudem die gleichen Regeln gelten wie für andere medizinische Dienstleister, etwa hinsichtlich der Qualitätssicherung. Eine Integration in das Sozialgesetzbuch und in die G-BA-Richtlinienkompetenz sei erstrebenswert. „Das wäre ein Gewinn an Versorgungsqualität und kein Verlust für die zuständigen Länder“, findet Robra.

Konsortialführer von „Inno_RD“ ist die Uni Magdeburg. Zu den Partnern gehören neben dem BKK Dachverband das Universitätsklinikum Magdeburg, das Deutsche Rote Kreuz und die Universität Oldenburg.