Im Gespräch

Transparenzoffensive zur Kassenqualität

Gertrud Demmler setzt auf die Erfahrungen der Versicherten

Berlin (pag) – Dr. Gertrud Demmler, Vorständin bei der Siemens Betriebskrankenkasse (SBK), setzt sich dafür ein, dass die Erfahrungen von Versicherten eine wichtige Rolle bei der Bewertung der Krankenkassenqualität spielen. Dafür müsse die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, fordert sie.

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Die SBK engagiert sich seit Jahren für mehr Transparenz. Welche Hürden verhindern, dass Patienten mehr über Leistungen und Qualität der GKV erfahren?

Demmler: Heute fußen Krankenkassenvergleiche fast ausnahmslos auf dem Vergleich des Zusatzbeitrags sowie einiger weniger meist eher theoretischen Leistungen. Diese Art des Krankenkassenvergleichs ist für die Versicherten für die Wahl der passenden Krankenkasse – wenn überhaupt – nur von minimalem Wert. Denn was für den Versicherten zählt, ist doch die Frage, wie kundenzentriert eine Krankenkasse
agiert und vor allem, ob sie im Leistungsfall zuverlässig einspringt. Derartige Fragestellungen können nur durch die Versicherten selbst beantwortet werden. Die Erfahrungen der Versicherten müssen daher der zentrale Baustein einer Transparenzinitiative werden, die auf die Qualität der gesetzlichen Krankenkassen fokussiert. Dafür setzt sich die SBK seit Jahren ein. Basis für diese Qualitätstransparenz wäre eine über alle Krankenkassen einheitliche und verpflichtende Kundenbefragung, deren Ergebnisse dann in vergleichbarer Form veröffentlicht werden müssen. Um dies zu erreichen, muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, die bisher fehlen.

Gibt es weitere Hürden?

Demmler: Eine weitere Hürde für mehr Transparenz über die Krankenkassenqualität ist das Fehlen einer Veröffentlichungspflicht von Qualitätsindikatoren. Als solche Indikatoren eignen sich zum Beispiel die Anzahl der Widersprüche oder auch die Anzahl der Beschwerden, die bei der Krankenkasse selbst oder bei unabhängigen Stellen wie der UPD eingehen. Einige Krankenkassen veröffentlichen solche Qualitätsindikatoren bereits auf freiwilliger Basis. Diese lassen sich bisher jedoch nicht untereinander vergleichen, da auch hier der einheitliche Rahmen, wie diese Zahlen zu dokumentieren und zu veröffentlichen sind, fehlt. Zusammenfassend kann man festhalten: Die wichtigste Hürde, die es auf dem Weg zu echter Qualitätstransparenz zu überwinden gilt, ist eine Veröffentlichungspflicht. Dafür brauchen wir einen gesetzlichen Rahmen.

Initiativen für mehr Gesundheitskompetenz gibt es einige. Kommt dabei die Systemkompetenz zu kurz? Parallelstrukturen etwa in der Notfallversorgung lassen die Versicherten verwirrt zurück.

Demmler: Nach meiner Überzeugung sollte unser Fokus darauf liegen, ein Gesundheitssystem zu schaffen, in dem man sich auch ohne Weiterbildung leicht zurechtfindet. Die dringend notwendige Weiterentwicklung des sektoralen Systems muss auch die „Nutzerfreundlichkeit“ der Strukturen unter die Lupe nehmen und reformieren. Die ePA sowie die Telematikinfrastruktur, die den Austausch von Daten über sektorale Grenzen hinweg und vor allem auch mit dem Patienten oder der Patientin selbst deutlich erleichtern werden, werden einen wichtigen Beitrag zur Verringerung von Komplexität im System leisten. Eine mindestens ebenso wichtige Rolle für die Förderung von Gesundheits-(System-)Kompetenz spielen individuelle Beratungsrechte der Krankenkassen.

Warum?

Demmler: Krankenkassen sind wichtige Begleiter von Patientinnen und Patienten insbesondere dann, wenn sie in komplexen Leistungsfällen Rat suchen. Um dieser Rolle umfassend im Sinne der Versicherten gerecht zu werden, benötigen die Krankenkassen aber noch weitreichendere proaktive Beratungsrechte und aktuelle Diagnosedaten. Denn der Schlüssel für einen wirksamen Gesundheitskompetenzaufbau liegt darin, die Versicherten im richtigen Moment mit zur individuellen Situation passenden Informationen zu erreichen. Ziel einer solchen intelligenten gegebenenfalls KI-gestützten Beratung ist es, dem Patienten oder der Patientin die Behandlungsalternativen sowie deren Chancen und Risiken verständlich aufzuzeigen, sodass er oder sie eine selbstbestimmte und informierte Entscheidung über den individuell besten Weg treffen kann. Anlasslose Kompetenzschulungen wie ein generischer „IT-Führerschein“ oder „So-funktioniert-App-XY-Schulungen“ bringen dagegen nicht viel – sowieso sollte man eine App nicht schulen müssen. Ist sie nicht selbsterklärend, funktioniert sie nicht.

Dr. Gertrud Demmler © pag, Fiolka

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ZUR PERSON
Dr. Gertrud Demmler ist Vorständin bei der Siemens-Betriebskrankenkasse (SBK). Sie ist seit 1998 bei der SBK. Vor ihrem Wechsel zur Kasse sammelte sie unter anderem Erfahrungen im Gebiet der Krankenhausfinanzierung an der Universität der Bundeswehr in München sowie als Referentin für Sozialpolitik, Arbeitsmarktpolitik und Europa bei der Vereinigung der Arbeitgeberverbände in Bayern. Gertrud Demmler promovierte in Volkswirtschaft an der Universität der Bundeswehr in München. © pag, Fiolka