In Kürze

Corona: sekundäre Krankheitsfolgen der Kinder

Berlin (pag) – Mehr als anderthalb Jahre nach Beginn der Pandemie mangelt es noch immer an Konzepten, um Jugendliche effektiv zu schützen und ihnen gleichzeitig einen normalen Alltag zu ermöglichen. Kinderärzte bemängeln, dass die sekundären Krankheitsfolgen – zum Beispiel psychische Probleme – für die Altersgruppe weitaus belastender sind als COVID selbst.

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„Kinder haben das Pandemiegeschehen zu keiner Zeit so beeinflusst wie die Erwachsenen“, sagt Prof. Tobias Tenenbaum, erster Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Infektiologie. Die Kategorien Geimpft/Genesen/Getestet seien unpassend für die Altersgruppe. Zwar nähmen immer mehr Jugendliche die Impfung wahr, ein Herdenschutz könne jedoch nicht erreicht werden. Testungen von Kindern wurden in der Vergangenheit nur sporadisch durchgeführt, viele erkranken ohne Symptome. Sie können somit keinen Genesenenstatus nachweisen. Sensitivität und Spezifität von Antigentests sind bei Kindern deutlich schlechter als bei Erwachsenen.

Brigitte Strahwald von der Universität München kritisiert: „Es braucht für alles in dieser Pandemie mehr Daten, gerade aus dem Public-Health-Bereich.“ Rückblickend hätte man die Maßnahmen in Schulen besser dokumentieren sollen, um zu sehen, welchen Effekt sie haben. Es gebe mehrere Versuche, Cluster-randomisierte Studien an Schulen durchzuführen. Dies sei aber unter anderem aus Mangel an Akzeptanz der Beteiligten gescheitert.

Dario Schramm, Generalsekretär der Bundesschülerkonferenz, weist darauf hin, dass die Probleme, die während des letzten Lockdowns entstanden seien, bestehen blieben. Die mangelnde Bewegung habe körperliche Auswirkungen, betreffe aber auch die Stressverarbeitung. „Viele Jugendliche suchen Hilfs- und Therapieangebote, was extrem schwierig geworden ist.“

Anstieg bei Adipositas und Essstörungen

Dass die sekundären Krankheitsfolgen den Jugendlichen mehr zusetzen als die Erkrankung selbst, bestätigt auch eine aktuelle Auswertung von Versichertendaten der DAK Gesundheit. Demnach wurden 2020 in den Krankenhäusern 60 Prozent mehr Kinder aufgrund einer Adipositas behandelt als im Vorjahr. Die Zahl junger Patienten mit starkem Untergewicht stieg um mehr als ein Drittel. Essstörungen wie Magersucht und Bulimie nahmen um fast zehn Prozent zu. „Kinder sind keine kleinen Erwachsenen. Deshalb müssen wir die speziellen gesundheitlichen Auswirkungen sehr ernst nehmen und darauf reagieren“, sagt DAK-Chef Andreas Storm. Er fordert nach der Bundestagswahl kurzfristig einen Aktionsplan Kindergesundheit, der auf die Situation in Familien, Kitas, Schulen und Vereinen eingehen müsse.