In Kürze

Impfskeptiker beim Bundespräsidenten

Berlin (pag) – Das Thema Impfpflicht erregt die Gemüter wie kein anderes. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier lädt Experten und Bürger ein, um öffentlich das Für und Wider zu diskutieren. Dabei kommen die unterschiedlichsten Argumente zur Sprache.

Steinmeier selbst will sich laut eigener Aussage nicht öffentlich positionieren – „aus Respekt vor dem politischen Prozess“. Zugleich wolle er in seiner Funktion als Bundespräsident die öffentliche Auseinandersetzung mit dem Thema einfordern. Denn: Die allgemeine Impfpflicht sei „kein gesetzgeberischer Alltag“.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier traf sich am 12. Januar 2022 zu einer Diskussionsrunde mit Bürgern und Bürgerinnen zu Pro und Contra einer Impfpflicht in Schloss Bellevue. Einige Diskussionsteilnehmer waren online zugeschaltet. © Imago Images, Chris Emil Janßen

Per Videoschalte dabei sind auch ausdrückliche Impf-Skeptiker und Gegner einer Impfpflicht. Eine von ihnen ist Gudrun Gessert, Lehrerin aus Baden-Württemberg. Aus ihrer Sicht habe die Impfung die in sie gesteckten Erwartungen bislang nicht erfüllen können. Gesserts Auftritt mündet daher in die These: „Die Impfpflicht ist nicht geeignet, um die Pandemie überwinden zu können.“ Sigrid Chongo, Leiterin eines Berliner Seniorenzentrums, hält dagegen und verweist auf ihre Erfahrungen aus der Praxis. Das Heim habe nach der Impfung der Senioren sehr viel weniger Probleme mit COVID-19 als zuvor. Das zeige, dass die Impfung wirkt. Prof. Kai Nagel von der TU Berlin bekräftigt die Ausführungen. Er verweist auf deutliche Unterschiede zwischen den Bundesländern hinsichtlich der Intensiv- und Sterbefälle. Diese seien auch auf die Impfquoten zurückzuführen, betont der Experte zur Erstellung von Mobilitätsmodellen zur Ausbreitung des Coronavirus.

Medizinische Debatte ohne Mediziner

Über die praktischen Hindernisse und den gesellschaftlichen Nutzen einer möglichen Impfpflicht wird in der Runde dennoch weit weniger gestritten als zu erwarten gewesen wäre. Stattdessen verliert sich die Diskussion bisweilen in medizinischen Details rund ums Impfen selbst – über deren genaue Bedeutung allerdings keiner der geladenen Gäste letztgültig Auskunft geben kann.

Die Befürchtung der Impfgegnerin Gessert, wonach als Reaktion auf die bereits beschlossene einrichtungsbezogene Impfpflicht schon bald noch mehr Pflegekräfte ihrem Beruf den Rücken kehren könnten, stößt bei den anwesenden Praktikern auf geringen Widerhall. Die Gründe für einen vorzeitigen Abschied aus dem Pflegeberuf lägen in der Regel woanders, erklärt Ellen Schaperdoth, Krankenpflegerin an der Uniklinik Köln. Viele fühlten sich aufgrund der chronischen Personalnot schon lange überlastet.

Cornelia Betsch, Professorin für Gesundheitskommunikation an der Uni Erfurt, plädiert derweil für mehr Solidarität auch jenseits einer Impfpflicht. Sie sagt: „Es ist eine egoistische Entscheidung, sich nicht impfen zu lassen.“ Würden sich alle Menschen nach diesem Muster verhalten, würde das die Kliniken geradewegs in die Überlastung führen.