Berlin (pag) – Männer und Frauen mit niedrigem sozioökonomischen Status erkranken durchschnittlich sieben Jahre früher an Krebs als Menschen mit einem höheren Status. Der Unterschied zeigt sich ausnahmslos bei allen Arten der Erkrankung. Diese Erkenntnis enthält der Onkologie-Report der AOK Rheinland/Hamburg, der kürzlich veröffentlicht wurde.
Ein niedriger sozioökonomischer Status gehe oft einher mit höheren Gesundheitsbelastungen und schlechteren Gesundheitschancen, beispielsweise einer niedrigeren Gesundheitskompetenz, so die Verantwortlichen. Wesentliche Risikofaktoren bei Menschen mit niedrigem sozioökonomischen Status seien der höhere Anteil an Raucherinnen und Rauchern, weniger sportliche Aktivität, ein ungünstiges Ernährungsverhalten sowie die stärkere Verbreitung von Adipositas.
Unterschiede zwischen Stadtteilen
Zuvor haben bereits Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und des Hamburgischen Krebsregisters bei der Hansestadt erstmals das Krebsüberleben zwischen den verschiedenen Stadtteilen verglichen. Dabei fanden sie teilweise erhebliche Differenzen: Um bis zu 15 Prozentpunkte unterscheidet sich das Fünf-Jahres-Krebsüberleben zwischen den sozioökonomisch stärksten und schwächsten Vierteln.
Zur Einordnung: Sozioökonomische Ungleichheiten beim Krebsüberleben wurden in vielen Ländern dokumentiert. Die Studien basieren meist auf länderweiten Erhebungen, die Städte als eine Einheit behandeln. „Dabei ist ein Vergleich einzelner städtischer Gebiete besonders interessant“, sagt Erstautorin Lina Jansen vom DKFZ. Die Unterschiede bei der Erreichbarkeit medizinischer Versorgung spielten innerhalb einer Stadt eine geringere Rolle. Außerdem lebe die Mehrheit der Weltbevölkerung in Städten.
Keine eindeutige Erklärung
Die Studie basiert auf Daten von 73.106 Patienten, die im Hamburgischen Krebsregister erfasst und zwischen 2004 und 2018 an Darm-, Lungen-, Brust- oder Prostatakrebs erkrankt waren. Für sie wurde das altersstandardisierte relative Fünf-Jahres-Überleben ermittelt. Um den sozioökonomischen Status der Stadtteile einzuordnen, nutzten die Epidemiologen den Hamburger Sozialindex. Dieser erfasst unter anderem Arbeitslosenquote, Anzahl der Sozialwohnungen und der Sozialhilfeempfänger sowie Haushaltseinkommen.
Das Ergebnis der Analyse: Je höher der sozioökonomische Status des Stadtteils, desto mehr Patienten überlebten die ersten fünf Jahre nach der Krebsdiagnose. Die Überlebensunterschiede betrugen zwischen den sozioökonomisch stärksten und schwächsten Stadtteilen bei Prostatakrebs 14,7 Prozentpunkte, bei Darmkrebs 10,8 Prozentpunkte, bei Brustkrebs 8 und bei Lungenkrebs schließlich noch 2,5 Prozentpunkte. Eine mögliche Erklärung für die teilweise erheblichen Differenzen könnte die unterschiedliche Wahrnehmung von Vorsorge- und Früherkennungsuntersuchungen sein. Die Forscher konnten bei Brust- und Prostatakrebs einen erheblichen Anteil der Überlebensdifferenz auf weiter fortgeschrittene Krebsstadien bei Diagnose zurückführen. Für Darmkrebs und Lungenkrebs galt dies allerdings nicht. Weitere Analysen seien daher dringend erforderlich.