Berlin (pag) – Als Dr. Clara Matthiessen das erste Mal in einem deutschen Krankenhaus arbeitet, bekommt sie einen „absoluten Kulturschock“. „Es ist selbstverständlich, dass in Dänemark Blutentnahmen von Pflegekräften gemacht werden“, erzählt sie. In dem skandinavischen Land hat die Ärztin studiert und gearbeitet. Und dort werde mit Delegation und Substitution ganz anders umgegangen als in Deutschland.
Ihre Erfahrung bringt Matthiessen, Sprecherin des Bündnisses junger Ärzte (BJÄ), in die Diskussion „Führung, Delegation und Substitution im interprofessionellen Team“ auf dem Fachärztetag des Spitzenverbands Fachärzte Deutschlands (SpiFa) ein. Dort wird die Wahrnehmung ordinär ärztlicher Leistungen durch andere Gesundheitsberufler kontrovers behandelt. Wenig Probleme haben die anwesenden Mediziner dabei mit der Delegation, weil dabei die Verantwortung beim Arzt bleibe.
Runter vom hohen Ross
Dr. Max Tischler, ebenfalls BJÄ-Sprecher, fragt sich: „Muss jede Basissonographie selbst gemacht werden?“ Doch auch vermeintlich einfache Tätigkeiten gehörten zur ärztlichen Ausbildung und sollten Mediziner schon deswegen beherrschen, findet Christine Neumann-Grutzeck, Präsidentin des Berufsverbands Deutscher Internisten. Sie macht sich aber für interprofessionelles Arbeiten auf Augenhöhe stark. „Da muss auch mancher Kollege von seinem hohen Ross herunter.“ Auch Delegation könne sinnvoll sein. „Bei der Substitution habe ich Bauchschmerzen“, räumt sie aber ein.
In der Geburtshilfe sind hebammengeführte Kreißsäle ein heißes Eisen. Der Frauenarzt Dr. Christian Albring begegnet diesen mit einer gewissen Skepsis, sie seien aber auch gar nicht so gefragt. „Die Schwangeren wollen dort entbinden, wo sie die höchste Kompetenz im Team vermuten.“ Im Grunde habe er nichts gegen Substitution – wenn die Verantwortung übernommen werde „Dafür braucht es aber Kompetenz und Erfahrung. Da ist noch viel zu tun.“
Es kann übrigens auch andersherum laufen: Behandler übernehmen Aufgaben von Medizinischen Fachangestellten (MFA), sagt Praxisberater Joachim Deuser: „Viele Praxen sind so strukturiert, dass Ärzte ihre besten MFA sind.“