Im Fokus

Die Systemaufgabe

Patientenberatung wird auf neue Füße gestellt



Berlin (pag) – Die Unabhängige Patientenberatung Deutschland (UPD) gibt es seit rund 20 Jahren, jetzt soll sie neu aufgestellt werden. Bereits im Herbst beginnt die gesetzliche Ausgestaltung, kündigt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung auf einer Veranstaltung des Verbraucherzentrale Bundesverbandes (vzbv) an. Dort wird deutlich: Über die Leitprinzipien der neuen UPD ist man sich einig, bei der praktischen Ausgestaltung gibt es dagegen noch einige Fragezeichen.  

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Dass weiterhin Bedarf bei den Patienten für eine zentrale Informations- und Beratungsstelle besteht, ist unstrittig. Hoch komplex sei das deutsche Gesundheitswesen, konstatiert vzbv-Interims-Vorständin Jutta Gurkmann. Es bestehe ein „riesiges Wissensgefälle“ der Patientinnen und Patienten sowohl gegenüber den Krankenkassen als auch gegenüber den Behandlern.

Inventur steht an

Den vom vzbv geforderten Neustart bei der UPD ordnet der Patientenbeauftragte Stefan Schwartze in seinem Impulsreferat auf der Tagung ganz grundsätzlich ein: Um Patientenorientierung, Empowerment und aktive Beteiligung weiterzuentwickeln, gebe es zwei wirksame Instrumente im Gesundheitswesen – die UPD zur individuellen Stärkung der Patienten und zweitens die Patientenbeteiligung als kollektives Recht der benannten Patientenorganisationen (siehe Infokasten). Beide Instrumente seien mittlerweile fast genau 20 Jahre alt. „Es steht an, sie einer Inventur zu unterziehen und sie zukunftsweisend zu gestalten“, sagt Schwartze.
Im Fall der UPD muss die Umgestaltung ziemlich rasch erfolgen, denn noch aus der vergangenen Wahlperiode hat die Regierung die Hausaufgabe übernommen, bis zum 1. Januar 2024 eine neue Lösung zu installieren. Bis zu diesem Zeitpunkt laufen die jetzigen Verträge noch, erläutert Schwartze. Der Koalitionsvertrag sieht vor, die Patientenberatung in eine „dauerhafte, staatsferne und unabhängige Struktur“ zu überführen und zwar unter Beteiligung der maßgeblichen Patientenorganisationen. Dem Patientenbeauftragten ist darüber hinaus eine regionale Vertretung der UPD ein besonderes Anliegen: Damit es Ansprechpartner gibt, „die man nach dem ersten Kontakt etwa über das Telefon aufsuchen kann und die sich auch die Unterlagen angucken können“.
Maria Klein-Schmeink, stellvertretende Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, hebt als Anforderung an die neue UPD insbesondere deren Unabhängigkeit hervor. Nicht zuletzt, weil sie als langjährige Berichterstatterin Patientenrechte ihrer Fraktion Erfahrungen mit „versuchter und praktizierter Einflussnahme“ machen musste. Die Politikerin verweist etwa auf große Kämpfe darum, wie Monitorberichte der UPD ausgestaltet werden sollten. Auch den Einbezug der Patientenorganisationen begrüßt Klein-Schmeink. Sie geht davon aus, dass diese dadurch mehr Gewicht im gesamten System bekommen.

 

Patientenbeteiligung in der Selbstverwaltung
Laut Koalitionsvertrag soll Patientenbeteiligung insbesondere im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) gestärkt werden. Schwartze hat sich bereits mit Patientenvertretern aus dem Koordinierungskreis Patientenbeteiligung im G-BA getroffen. „Nach deren Schilderung kämpfen im wahrsten Wortsinn circa 300 Ehrenamtliche in 80 Ausschüssen, unterstützt von elf Hauptamtlichen, gegen die hochprofessionelle Maschinerie der anderen Bänke“, berichtet er. Ihm liegt die Stärkung der professionellen Ressourcen am Herzen, um eine inhaltliche Verhandlung auf Augenhöhe zu ermöglichen. Die benannten Patientenorganisationen, ihr Koordinierungskreis und die Stabsstelle Patientenbeteiligung benötigten dringend mehr bezahlte hauptamtliche Struktur und substanzielle finanzielle Aufwandsentschädigung für die ehrenamtliche Aufgabe der Patientenbeteiligung. „Ich habe hier Gesprächsbereitschaft und meine Unterstützung signalisiert“, betont der Regierungsvertreter. „Patientenorientierung beziehungsweise -zentrierung kann nur gelingen, wenn die Perspektive der Patienten bei der Gestaltung der gesundheitlichen Versorgungsprozesse und bei der Entwicklung von Leistungsinhalten einbezogen wird.“

Wie unabhängig finanzieren?

Die Frage nach der Rechtsform scheint noch offen zu sein: gemeinnützige GmbH oder Stiftung, für beide Optionen gibt es gute Argumente. Der vzbv bevorzugt allerdings letzteres, denn eine Stiftung habe einen besseren Ruf und signalisiere mehr Unabhängigkeit, argumentiert Gurkmann. Schwartze vermeidet es dagegen, sich festzulegen. „Es spricht einiges für das Stiftungsmodell, es kann aber auch mit einer gGmbH gelöst werden“, sagt er.
Auch bei der Finanzierung, die Unabhängigkeit zur Bedingung hat, sind zwei Varianten im Gespräch: Naheliegend scheint eine Steuerfinanzierung zu sein. Grünen-Politikerin Klein-Schmeink bringt noch eine Variante ins Spiel – und zwar per Umlage im Gesundheitssystem. Doch ganz gleich, welche Option es am Ende wird, eines ist ihr wichtig festzuhalten – die Stärkung von Patienten ist eine Systemaufgabe.

 

Monitor Patientenberatung kritisiert Dauerbaustellen

Der Monitor Patientenberatung 2021 wurde unlängst von der UPD veröffentlicht. Darin genannt werden einige Dauerbaustellen des Versorgungssystems: „Die Suche nach einem Psychotherapieplatz blieb auch in 2021 für Patientinnen und Patienten mangels ausreichender Therapieplätze eine langwierige und frustrierende Erfahrung”, vermeldet die UPD. Daran habe auch das Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) nichts geändert. Auch bei fragwürdigen Praktiken im Leistungsgeschehen von Krankenkassen ließen Verbesserungen weiter auf sich warten. Ratsuchende im Krankengeldbezug berichteten der UPD weiterhin davon, dass sie sich von ihren Kassen telefonisch unter Druck gesetzt fühlen. Im Rahmen von Widerspruchsverfahren erhalten Versicherte nach wie vor verwirrende Zwischennachrichten, die sie zu einer ungerechtfertigten Rücknahme ihres Widerspruchs verleiten sollen. „Dass Patientinnen und Patienten in prekären Situationen in Angst vor Anrufen oder Schreiben ihrer Krankenkassen leben, ist nicht akzeptabel“, sagt der Patientenbeauftragte der Bundesregierung. Solche zum Teil sogar rechtswidrigen Praktiken müssten eingestellt werden.