In Kürze

GKV-Stabilisierung mit reichlich Zündstoff

Berlin (pag) – Mit dem Gesetzesentwurf „zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung“ verlangt Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach allen Akteuren des Gesundheitswesens viel ab. Besonders die Arzneimittelindustrie wird zur Kasse gebeten. Neben Milliarden-Zahlungen soll das AMNOG stark verändert werden.

Vorwürfe an den Vorgänger: Für das GKV-Minus macht Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach Jens Spahn verantwortlich. © pag, Fiolka

Der GKV steht 2023 ein Defizit im Umfang von mindestens 17 Milliarden Euro ins Haus. Fachleute rechnen sogar mit bis zu 25 Milliarden Euro. Die pharmazeutische Industrie muss sich laut geplantem Gesetz unter anderem auf folgende Maßnahmen einstellen: Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will das Preismoratorium über den 31. Dezember 2022 um weitere vier Jahre verlängern. Außerdem verlangt Lauterbach der Industrie für 2023 und 2024 jeweils eine Milliarde Euro „Solidaritätsabgabe“ ab. (Nach Redaktionsschluss liegt ein Kabinettsentwurf vor: Darin findet sich die „Solidaritätsabgabe“ nicht
mehr, dafür aber ein erhöhter Herstellerabschlag um fünf Prozentpunkte.)

Stichwort AMNOG: Der zwischen GKV-Spitzenverband und Hersteller verhandelte Erstattungsbetrag für neue Arzneimittel soll künftig rückwirkend ab dem siebten Monat nach Inverkehrbringen des Medikaments gelten. Außerdem trifft das Gesetz Vorgaben für Erstattungsbeträge von Arzneimitteln, die nach dem Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses im AMNOG-Verfahren keinen, einen geringen oder einen nicht quantifizierbaren Zusatznutzen haben. Die Umsatzschwelle von Orphan Drugs für die Nutzenbewertung will Lauterbach von 50 auf 20 Millionen Euro reduzieren. Zudem wird für Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen ein Kombinationsabschlag in Höhe von 20 Prozent auf den Erstattungsbetrag eingeführt.



Solidarausgleich zwischen Kassen

Auch die Krankenkassen müssen ihren Anteil leisten. Für sie ist ein „kassenübergreifenden Solidarausgleich“ vorgesehen. Dabei sollen in zwei Stufen die Finanzreserven, die abzüglich eines Freibetrags von zwei Millionen Euro 0,2 Monatsausgaben überschreiten, abgeschöpft werden.

Die gesetzliche Obergrenze für die Finanzreserven der Kassen soll von 0,8 auf 0,5 Monatsausgaben gesenkt werden. Diese Grenze gelte auch für das bestehende Anhebungsverbot für Zusatzbeitragssätze. Außerdem will das BMG eine Reduzierung der Obergrenze für die Liquiditätsreserve des Gesundheitsfonds von derzeit 0,5 auf 0,25 Monatsausgaben festlegen. Der Anstieg der sächlichen Verwaltungsausgaben der Kassen für 2023 dürfe nicht höher als drei Prozent gegenüber 2022 sein. Die Zuweisungen an die Kassen für Verwaltungsausgaben sollen um 25 Millionen Euro gemindert werden.

Vertragsärzte müssen künftig ohne die extrabudgetäre Vergütung für neue Patienten auskommen. Dabei handelt es sich um eine Regelung aus dem Terminservice- und Versorgungsgesetz, die eindeutig Lauterbachs Handschrift trägt. Im Krankenhaus sollen ab 2024 nur noch die Personalkosten qualifizierter Pflegekräfte, die direkt am Bett arbeiten, im Pflegebudget berücksichtigt werden.
Einen Schuldigen für das GKV-Defizit macht Lauterbach bei der Vorstellung der Eckpunkte aus: seinen Vorgänger Jens Spahn. Der habe teure Gesetze auf den Weg gebracht und Strukturreformen versäumt. Lauterbach habe das Minus zum großen Teil „geerbt“. Die Spahnsche Gesetzgebung hat zweifelsohne immense Kosten verursacht. Dass Lauterbachs Einfluss als damaliger Gesundheitsexperte im SPD-Fraktionsvorstand auf eben diese Gesetze nicht gering war, verschweigt der Minister an diesem Tag.