In Kürze

Gesundheitskioske in den Startlöchern

Berlin (pag) – 2023 soll es in Deutschland mit den Gesundheitskiosken konkret werden. Deren flächendeckende Einführung plant Gesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach im Rahmen eines Versorgungsgesetzes. Doch das Vorhaben ist nicht unumstritten.

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Gleich zwei Versorgungsgesetze will Lauterbach auf den Weg bringen. Im ersten ist die Etablierung von 1.000 Gesundheitskiosken vorgesehen. Dass viele Vertragsärztevertreter keine Freunde von flächendeckenden Gesundheitskiosken sind, geben sie gerne lautstark zu Protokoll. Eine Kostprobe lieferte Ende des vergangenen Jahres Dr. Stephan Hofmeister. „Das klingt ja auch so bequem, nach dem Motto: Wer morgens die Zeitung kauft, kriegt noch ein bisschen Gesundheit mit dazu. Und wozu brauchen wir überhaupt noch Ärzte?“, fragt der stellvertretende Vorstandschef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung auf der Vertreterversammlung seiner Organisation.

Für die Gesundheitskioske als niedrigschwelliges Angebot sieht das Bundesgesundheitsministerium folgende Aufgaben vor: Vermittlung von Leistungen der medizinischen Behandlung, Prävention und Gesundheitsförderung und Anleitung zu deren Inanspruchnahme, allgemeine Beratungs- und Unterstützungsleistungen zur medizinischen und sozialen Bedarfsermittlung und Durchführung von einfachen medizinischen Routineaufgaben.

Politischer Spielball

Vorbild für das neue Versorgungsangebot ist der vom Innovationsfonds geförderte Gesundheitskiosk in Hamburg-Billstedt. Das Vorzeigeprojekt ist 2022 zum Spielball politischer Auseinandersetzungen geworden, als die Ersatzkassen im September ihren Ausstieg verkünden. Dieser Rückzug wird als Reaktion auf Lauterbachs GKV-Finanzstabilisierungsgesetz gewertet, das vom Kassenlager heftige Kritik erfährt. Den Ersatzkassen zufolge haben sich außerdem die Leistungen des Kiosks mit bereits bestehenden Angeboten der Krankenkassen und anderen Akteuren gedoppelt – Stichwort Doppelstrukturen. Dr. Andreas Philippi (SPD), seinerzeit Mitglied im Gesundheitsausschuss des Bundestags und mittlerweile Gesundheitsminister in Niedersachen, mahnt daher bei einer Fachtagung eine grundsätzliche Strukturreform der Gesundheitsversorgung an. Dazu gehörten auch Gesundheitskioske – an „ganz spezifischen“ Standorten. „Auch wenn es am Ende des Tages nicht unbedingt 1.000 solcher Einrichtungen sein müssen.“

Hamburg jedenfalls bekommt einen zweiten Kiosk, im Stadtteil Lurup. Das teilen die AOK Rheinland/Hamburg und die Mobil Krankenkasse mit, die bereits die Einrichtung in Billstedt finanzieren. Solche unterstützenden Angebote seien wichtig für Menschen, die sich alleine nicht oder nur schlecht im Gesundheits- und Sozialsystem zurechtfinden, meint Matthias Mohrmann, Vorstandsmitglied der AOK Rheinland/Hamburg.

Ähnlich argumentiert Dietrich Munz, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, der dem deutschen Gesundheitssystem mangelnde Sozialkompetenz attestiert. Er wirbt dafür, Gesundheitskioske auch für psychisch kranke Menschen zu erproben. „Gerade Menschen in Armut, mit geringer Bildung, in Arbeitslosigkeit und mit ungenügender sprachlicher oder gesellschaftlicher Teilhabe könnte entscheidend dabei geholfen werden, Angebote zur psychischen Gesundheit zu nutzen.“