Im Gespräch

„Eine einzigartige Sicht“

Für Hedy Kerek-Bodden sind Patienten wichtige Forschungspartner

Berlin (pag) – Einen Kulturwandel hin zu Patienten als Forschungspartnern verlangt Hedy Kerek-Bodden. Die Vorstandsvorsitzende des Hauses der Krebs-Selbsthilfe Bundesverband mahnt insbesondere die Patientenbeteiligung in der Entwicklung klinischer Studien an. Diese werden dadurch relevanter und patientenzentrierter.

Wie kann medizinische Forschung durch die Beteiligung von Patientinnen und Patienten verbessert werden?

Kerek-Bodden: Patienten müssen auf Forschung, die sie betrifft, Einfluss haben, gemäß dem Leitbild „Nichts über uns ohne uns!“. Egal, wie kompliziert Wissenschaft auch sein mag: Betroffene bieten immer eine einzigartige Sicht auf das jeweilige Thema. Durch die Erfahrung mit ihrer Erkrankung wissen Krebspatienten am besten, was für sie wirklich wichtig ist und wie ihre Hauptziele, die qualitätsgesicherte Versorgung und die Lebensqualität zu verbessern, erreicht werden können.

„Patienten müssen auf Forschung, die sie betrifft, Einfluss haben“, sagt Hedy Kerek-Bodden. Das Leitbild lautet: Nichts über uns ohne uns! © stock.adobe.com, blacksalmon

 

Auf welchen Ebenen der Forschungsbeteiligung von Betroffenen sehen Sie hierzulande den größten Nachholbedarf?

Kerek-Bodden: Wir brauchen in Deutschland dringend einen Kulturwandel hin zu „Patienten als Forschungspartner“. Und dies zunächst bei der Patientenbeteiligung in der Entwicklung klinischer Studien. Die frühe Einbeziehung Betroffener mit ihrer einzigartigen Expertise ermöglicht die bessere Berücksichtigung von Patientenprioritäten und -erfahrungen, was zu relevanteren und patientenzentrierten Studien führt. Dies wiederrum wird bessere Studienergebnisse und Behandlungsmöglichkeiten für unsere Patienten bringen.

Wie bewerten Sie die momentane Situation?

Kerek-Bodden: Obwohl mittlerweile immer mehr Patienten in klinischen Studien beteiligt sind, gibt es noch viel Luft nach oben. In der Onkologie liegt die Quote bei circa acht Prozent. Daher ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben für und mit der Krebs-Selbsthilfe die Aus- und Weiterbildung von Patientenvertretern, um eine flächendeckende Patientenbeteiligung in der Forschung konsequent zu verwirklichen. Das Haus der Krebs-Selbsthilfe Bundesverband arbeitet seit 2021 gemeinsam mit dem Zentrum für Kompetenzentwicklung in der Krebs-Selbsthilfe der Uni Freiburg an der Entwicklung und Erprobung von digitalen Schulungs- und Fortbildungsangeboten. Des weiteren unterstützen wir die nationale Patienten-Experten-Akademie für Tumorerkrankungen (PEAK), die Patientenvertretende mit ihrem Kursangebot darauf vorbereitet, ihre gelebten Erfahrungen und ihre Expertise in das deutsche Gesundheitssystem einzubringen.

Welche konkreten Forschungsprojekte mit Patientenbeteiligung haben für Sie hierzulande Vorbildcharakter?

Kerek-Bodden: Im isPO-Projekt, einem Modellprojekt für die sektorenübergreifende Psychoonkologie in Deutschland, waren über das Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband Patientenvertretende in allen Projektphasen integriert und in den Forschungsprozess eingebunden, um neue Untersuchungs- und Betreuungsformen für an Krebs erkrankte Menschen zu entwickeln.

Gibt es weitere?

Kerek-Bodden: Aktuell ist die Initiative zum Aufbau einer bundesweiten Plattform zur „Medizinischen Genomsequenzierung“ (genomDE) ein Leuchtturmprojekt, eine bundesweite Exzellenz-Initiative mit führenden Forschungsinfrastrukturen der Genommedizin. In genomDE arbeiten einschlägige medizinische Netzwerke, Fachgesellschaften mit Patientenvertretungen von Anfang an zusammen mit dem Ziel, die Nutzung genomischer Information zum innovativen Bestandteil der Regelversorgung in Deutschland zu machen.

© HKSH-BV,HKB

Zur Person
Hedy Kerek-Bodden ist Vorsitzende des Hauses der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband. Zu den zehn bundesweit organisierten Selbsthilfeverbänden, die im Haus der Krebs-Selbsthilfe vereint sind, gehört auch die Frauenselbsthilfe Krebs. In diesem Verein engagiert sich Hedy Kerek-Bodden bereits seit 2013 und ist aktuell dessen Vorstandsvorsitzende. Im Strategiekreis der Nationalen Dekade gegen Krebs beleuchtet sie den Blickwinkel der Betroffenen und setzt sich für die Interessen der Patientinnen und Patienten ein.
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Weiterführender Link:

Weitere Informationen zum isPO-Projekt der Uniklinik Köln
https://webstatic.uk-koeln.de/im/dwn/pboxx-pixelboxx-235998/patientenbeteiligung-ispo-cio.pdf