In Kürze

Die Pandemie, die Politik und die Wissenschaft

Berlin (pag) – Aus den Erfahrungen der Corona-Pandemie zieht das Netzwerk Evidenzbasierte Medizin (EbM-Netzwerk) ein Resümee für die wissenschaftliche Politikberatung zu Fragen der Gesundheitsversorgung. In dem vierseitigen Papier heißt es unter anderem: „,Die Wissenschaft sagt …‘ ist in mehrfacher Hinsicht keine angemessene Begründung des politischen Handelns.“

© iStock.com, DrAfter123
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„Die Wissenschaft“ gebe es nicht, halten die beiden Autorinnen Ingrid Mühlhauser und Gabriele Meyer für das Netzwerk fest. Vielmehr existierten viele Wissenschaftsdisziplinen mit ihren jeweiligen Gegenstandsbereichen. „Vor allem gibt es gute und schlechte Wissenschaft. Erkenntnisse der Wissenschaft sind oft widersprüchlich und vorläufig, bis aussagekräftigere Evidenz sie verstärkt oder gar widerlegt“, betonen die beiden. Ergebnisse aus wissenschaftlichen Studien und Politikberatung durch Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler könnten nur entscheidungsrelevantes Wissen bereitstellen. Die Politik müsse unter Abwägung gesellschaftlicher und rechtlicher Voraussetzungen tragfähige und umsetzbare Entscheidungen treffen.

„Nachvollziehbar und transparent“

Neben der Unabhängigkeit von politischer Einflussnahme halten Mühlhauser und Meyer es für unabdinglich, dass die Empfehlungen aus wissenschaftlichen Expertengremien „nachvollziehbar und transparent“ gestaltet seien. Dabei müssten auch kontroverse wissenschaftliche Positionen und Unsicherheiten offen kommuniziert werden.

Weitere Forderungen lauten:

  • Wissenschaftliche Politikberatung muss klar getrennt sein von politischen Entscheidungen.
  • Wissenschaftliche Expertenkommissionen sollen die Belange der betroffenen gesellschaftlichen Gruppen repräsentieren.
  • Wissenschaftliche Politikberatung zu Fragen der Gesundheitsversorgung muss der EbM verpflichtet sein.
  • Empfehlungen der wissenschaftlichen Politikberatung müssen methodenbasiert und transparent sein.

Nicht rein wissenschaftlich

Unterdessen hat das Bundesgesundheitsministerium auf eine offizielle Anfrage von Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki eingeräumt, dass die entscheidende Risikobewertung, auf der die Corona-Maßnahmen beruhten, nicht rein wissenschaftlich fundiert gewesen sei. Weiter heißt es, dass diese zwar auf wissenschaftlichen Kriterien basierte, am Ende prüfe jedoch das übergeordnete Gesundheitsministerium – da auch eine „Abschätzung der gesellschaftlichen Folgen im Rahmen der Risikobewertung erforderlich“ gewesen sei, teilt das Haus von Prof. Karl Lauterbach (SPD) mit. FDP-Politiker Kubicki kritisiert, dass stets der Eindruck vermittelt wurde, bei den Wortmeldungen des Robert Koch-Instituts handle es sich um den aktuellen wissenschaftlichen Stand, tatsächlich aber im Zweifel der Minister die Hand geführt habe.

Weiterführender Link:
Stellungnahme des EbM-Netzwerks: Wissenschaftliche Politikberatung zur Gesundheitsversorgung – eine Perspektive aus dem Netzwerk Evidenzbasierte Medizin