Brüssel (pag) – Die EU ist noch nicht umfassend auf die Bewältigung von Notlagen größeren Ausmaßes im Bereich der öffentlichen Gesundheit vorbereitet. Zu dieser Einschätzung gelangen die Prüfer des Europäischen Rechnungshofs in einem Sonderbericht.
João Leão, Mitglied des Rechnungshofs, verlangt: „Vier Jahre später müssen die aus der Pandemie gezogenen Lehren nun wirksam auf EU-Ebene umgesetzt werden, damit sich die Geschichte nicht wiederholt.“ Bei der Bewältigung der Corona-Pandemie hätten die beiden medizinischen Agenturen der EU – das Europäische Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) und die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) – eine Schlüsselrolle gespielt.
Ernst der Lage unterschätzt
Den Prüfern zufolge habe das ECDC den Ernst der Lage zunächst unterschätzt. Nach Ausbruch der Krise begann es, Daten über die Pandemie zu erheben, doch die Zahl der gemeldeten Infektionen sei in hohem Maße von den Teststrategien der EU-Länder abhängig gewesen. Die EU-Prüfer betonen, dass zuverlässigere Methoden wie Analysen der Viruskonzentrationen im Abwasser häufiger hätten eingesetzt werden können. Das ECDC habe auch seine Risikobewertungen, Leitlinien und Informationen mitunter zu spät herausgegeben.
Dagegen habe sich die EMA rasch an die Krisenlage angepasst, heißt es. In den frühen Phasen der Pandemie wandte sich die Agentur an potenzielle Impfstoff- und Arzneimittelentwickler und ergriff mehrere andere Maßnahmen, um die Zulassung zu beschleunigen. Den Prüfern zufolge hat die EMA auch dazu beigetragen, medizinische Engpässe zu bewältigen, die im Laufe der Pandemie auftraten.
Mittlerweile sind die Mandate des ECDC und der EMA klarer festgelegt und gestärkt worden. Die beabsichtigte Überarbeitung des EU-Arzneimittelrechts solle die Zulassung neuer Arzneimittel beschleunigen. Diese Maßnahmen dürften laut den Prüfern einige Lücken schließen und die Fähigkeit der EU verbessern, auf gesundheitliche Notlagen zu reagieren. Allerdings sei der organisatorische Rahmen dadurch komplexer geworden. Die Zuständigkeiten und Befugnisse der 2021 eingerichteten Europäischen Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA) überschnitten sich teilweise mit denen des ECDC. Daher fordern die Prüfer eine enge Zusammenarbeit, um Doppelarbeit zu vermeiden.
Zum Hintergrund
Der Auftrag des ECDC besteht darin, bestehende und neue Risiken für die menschliche Gesundheit, die von ansteckenden Krankheiten ausgehen, zu ermitteln, zu bewerten und darüber zu informieren. Die Mittelausstattung des Zentrums beläuft sich 2020 auf 61 Millionen Euro, 2023 auf 90 Millionen Euro. Die EMA ist für die wissenschaftliche Bewertung von Anträgen auf Zulassung von Arzneimitteln im zentralisierten Verfahren zuständig. Ihre Mittelausstattung beträgt 2020 358 Millionen Euro und 2023 458 Millionen Euro.
Weiterführender Link:
Der Sonderbericht 12/2024 „Reaktion der EU auf die COVID 19-Pandemie“ ist auf der Website des Europäischen Rechnungshofs abrufbar.