Berlin (pag) – Dass es um die Katastrophen- und Kriegstauglichkeit des deutschen Gesundheitssystems – vorsichtig ausgedrückt – nicht zum Besten steht, wird bei der Fachtagung KRITIS der Gesundheitsstadt Berlin und dem BG Klinikum Unfallkrankenhaus deutlich. Ein Schwerpunkt der Veranstaltung: Ist der Föderalismus ein Hemmschuh?
Die Tagung steht unter der Überschrift „Das deutsche Gesundheitswesen in Krieg und Katastrophe“. Bereits im Oktober vergangenen Jahres hat sich die Bundesärztekammer mit der Krisenresilienz des Gesundheitswesens beschäftigt (Link zum Bericht am Ende des Beitrags). Die Versorgung von Verwundeten und Verletzten in Kriegs- und Krisenzeiten ist außerdem Thema mehrerer Sitzungen des 142. Deutschen Chirurgie Kongresses Ende März. Und gleich die erste Stellungnahme des ExpertInnenrates der Bundesregierung Gesundheit und Resilienz hat im Mai 2024 „Health Security als wesentliches Element eines resilienten Gesundheitssystems“ in den Mittelpunkt gestellt.

Szenario Krieg ganz nah
Die Problemanalyse klingt überall ähnlich: Das deutsche Gesundheitssystem ist ein Schönwettersystem. „Das Szenario Krieg war jahrzehntelang unvorstellbar, jetzt ist es ganz nah und wir müssen sehr schnell sein“, betont Ralph Tiesler, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Er und andere weitere Experten fordern unter anderem ein anderes Mindset. Auch das vom ehemaligen Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach bereits angekündigte und dann wieder auf Eis gelegte Gesundheitssicherstellungsgesetz wird dringend herbeigesehnt. Schwierig ist ferner, dass die Zusammenarbeit zwischen zivilen und militärischen Gesundheitsexperten derzeit vor allem noch an persönlichen Kontakten hängt.
Holetschek: „Relativ blank“

Die KRITIS-Tagung im Unfallkrankenhaus bringt darüber hinaus das Thema Föderalismus in die Gemengelage ein. „Die Zusammenarbeit aller Akteure und das in einer föderalen Struktur ist nicht ganz trivial und kostet viel Zeit“, sagt Tiesler dazu. Eine Keynote zu „Hemmschuh Föderalismus?“ hält der CSU-Fraktionsvorsitzende Klaus Holetschek. Seine Situationsbeschreibung: „Wir stehen vor einer riesigen Herausforderung und sind im Moment relativ blank.“ Der ehemalige bayerische Gesundheitsminister fordert, in den Modus der schnellen Umsetzung umzuschalten. Unmittelbar müsse man sich auf Krise einstellen, denn: „Wenn wir so weitermachen wie bisher, werden wir ein Desaster ohne Ende erleben.“
Aus der Pandemie habe man möglicherweise zu wenig gelernt, merkt er außerdem mit Blick auf den schnellen Abschied von Dingen, die gut funktioniert hätten, an. Es gehe jetzt darum, Strukturen zu schaffen und Lücken zu schließen – und um ein unbürokratisches Vorgehen. „Der Föderalismus kann aus meiner Sicht schon helfen“, meint der CSU-Politiker. Er sieht diesen als Chance, „wenn wir die Strukturen verzahnen und zusammenführen und klare Kommunikation dahinter legen“. In der Pandemie habe man „im Kern“, so Holetschek weiter, auch vom Föderalismus profitiert. Man habe aber auch gewusst, dass vom Bund eine klare Ausrichtung kommt, die für das gesamte Land gilt.
Weiterführender Link:
Bericht über die BÄK-Tagung „Bedingt abwehrbereit? – Die Patientenversorgung auf den Ernstfall vorbereiten“