In Kürze

Jede Zelle hat ein Geschlecht


Berlin (pag) – Frauen mit einer chronischen Nierenkrankheit erhalten schlechtere medizinische Versorgung als Männer. Kein Einzelfall, wie kürzlich auf dem Diversity in Health Congress von Inno3 deutlich wird. Dort fordern Experten personalisierte und geschlechtersensible Ansätze in der Versorgung.

Frauen mit chronischer Nierenkrankheit erhielten weniger Früherkennung als Männer, erklärt mkk-Chefin Andrea Galle. © iStock.com, manassanant pamai

Geschlechtsspezifische Medizin ist unverzichtbar, da biologisch weibliche und männliche Körper Krankheiten unterschiedlich wahrnehmen und Therapien verschieden verarbeiten“, betont die Vorständin der Krankenkasse mkk, Andrea Galle. Noch bleibe bei der Gendersensibilität viel Luft nach oben. Frauen mit chronischer Nierenkrankheit erhielten beispielsweise weniger Früherkennung als Männer, erklärt Galle. 
Und Männer mit chronischer Nierenkrankheit erhielten häufiger eine leitliniengerechte Therapie. Zu den Lösungsansätzen gehört für die mkk-Vorständin, biologische Geschlechtsunterschiede in Forschung und Leitlinien zu berücksichtigen. Interprofessionelle Zusammenarbeit sollte in ihren Augen gestärkt und spezialisierte Forschungszentren etabliert werden.

„Jede Zelle, jedes Organ hat ein Geschlecht“, konstatiert Prof. Anke Hinney, die kommissarische Direktorin am Institut für Geschlechtersensible Medizin, Universität Duisburg-Essen. Diese Verschiedenheit der Geschlechter bis auf die zelluläre Ebene müsse sich in geschlechtersensibler Versorgung sowohl in der Prävention, der Diagnostik als auch in der Therapie und Rehabilitation bemerkbar machen.

Unsere Bedarfe

Individuelle Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung blieben in standardisierten Behandlungsplänen unberücksichtigt, sagt Hanna Kindlein vom Verein „Akse – Aktiv und selbstbestimmt“. © iStock, Bill_Vorasate

Unter dem Radar blieben in der Versorgung auch oft Menschen mit Behinderungen, weiß Hanna Kindlein, Mitgründerin des Vereins „Akse – Aktiv und selbstbestimmt“. Aus Betroffenenperspektive berichtet sie auf dem Kongress von Ableismus in Gestalt fehlender barrierefreier Zugänge zu Gebäuden des Gesundheitswesens. Das wiederum verwehre Menschen mit Behinderungen das Recht auf freie Arztwahl. Die individuellen Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung blieben in standardisierten Behandlungsplänen unberücksichtigt. Kindlein fordert, Menschen mit Behinderungen einzubeziehen, denn: „Wir wissen am besten, was unsere Bedarfe sind.

Im Dezember 2024 hat der ehemalige Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach einen Aktionsplan „für ein diverses, inklusives und barrierefreies Gesundheitswesen“ vorgelegt. Darin finden sich konkrete Maßnahmen, die etwa Arztpraxen beim Abbau von Barrieren unterstützen. Damit der Zugang zu Gesundheitsleistungen für alle einfach und möglich ist, müsse man „Hindernisse erkennen und abbauen – von der Stufe in die Arztpraxis bis zur komplizierten Erklärung einer Therapie“, appelliert Lauterbach.

Weiterführender Link:
Bundesministerium für Gesundheit, Aktionsplan für ein diverses, inklusives und barrierefreies 
Gesundheitswesen PDF, 77 Seiten