Knappes Gut

Arzneimittelengpässe: Krebsmediziner schlagen Alarm

Berlin (pag) – Warnung vor Arzneimittelengpässen: In der Onkologie existieren diese zwar bereits seit Jahren, im vergangenen Jahr haben sie jedoch deutlich zugenommen, heißt es kürzlich seitens der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Die Folgen für Patientinnen und Patienten können dramatisch sein.

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Von den Engpässen betroffen seien vor allem Medikamente, die schon seit Langem einen festen Platz in der Therapie haben. Genannt werden auf einer Pressekonferenz der Onkologen im Januar Tamoxifen und nab-Paclitaxel, die unter anderem bei Brust-, Bauchspeicheldrüsen und Lungenkrebs sowie Karzinomen im Magen-Darm-Bereich als Standard eingesetzt werden. Darüber hinaus fehlten auch unterstützende Arzneimittel wie Calciumfolinat, Harnsäuresenker, Antibiotika und Immunglobuline.

Schlechtere Prognose

Was diese therapeutischen Lücken im Versorgungsalltag bedeuten, schildert der Gynäkologe Prof. Matthias Beckmann vom Universitätsklinikum Erlangen. Weichen Ärzte vom Therapiekonzept ab, sind Patienten verunsichert. Der Wechsel der Medikamente führe zu Abbrüchen und damit zu einer abbruchbedingten Verschlechterung der Prognose. Besonders dramatisch: Beim triple-negativen Brustkrebskarzinom gebe es neue Checkpoint-Inhibitoren, die zusammen mit einem Chemotherapeutikum zugelassen worden seien. Dieses Therapiekonzept stelle für die Patientinnen einen deutlichen Überlebensvorteil dar. Allerdings sei der Kombinationspartner derzeit nicht erhältlich. Die Alternativen hätten keinen Überlebensvorteil gezeigt, so Beckmann. Das Tandem könnte daher nicht eingesetzt werden. „Deswegen haben wir eine Verschlechterung der Prognose durch eine nicht durchgeführte Therapie“, sagt er. Das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient sieht er durch die Engpässe als „nachhaltig gestört“ an.

Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach (SPD) will mit einem neuen Gesetz, dessen Eckpunkte Mitte Dezember vorgestellt wurden, Arzneimittelengpässen begegnen. „Wir haben es mit der Ökonomisierung auch in der Arzneimittelversorgung mit patentfreien Medikamenten übertrieben“, lässt er sich zitieren. Sein Vorhaben konzentriert sich vor allem auf den beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelten Beirat sowie Kinderarzneimittel. Bei ihnen seien die Konsequenzen der Ökonomisierung gerade besonders hart zu spüren. Ihre Preisgestaltung solle daher „radikal“ verändert werden.

Lauterbachs Eckpunkte

Die Eckpunkte für das geplante Gesetz sehen unter anderem vor, dass der Beirat eine Liste von Arzneimitteln erstellt, die für die Sicherstellung der Versorgung von Kindern erforderlich sind. Festbeträge und Rabattverträge sollen für diese Mittel abgeschafft werden. Das Preismoratorium wird für sie angepasst. Als neue Preisobergrenze wird das 1,5-fache eines aktuell bestehenden Festbetrags oder, sofern kein Festbetrag besteht, das 1,5-fache des Preismoratorium-Preises festgelegt. Die GKV übernimmt für Kinder bis zum vollendeten zwölften Lebensjahr und für Jugendliche mit Entwicklungsstörungen bis zum vollendeten 18. Lebensjahr die Mehrkosten von verordneten Arzneimitteln bis zum 1,5-fachen Festbetrag bei einer Abgabe von Arzneimitteln über Festbetrag.

Außerdem sollen Onkologika und Antibiotika, deren Wirkstoffe in der EU produziert werden, bei Ausschreibungen von Kassenverträgen bevorzugt werden. Der Beirat kann dem Bundesgesundheitsministerium weitere Wirkstoffe und Indikationen empfehlen. Für rabattierte Arzneimittel soll es eine mehrmonatige, versorgungsnahe Lagerhaltung geben. Apothekern soll es erleichtert werden Ersatz für Arzneimittel, die von Engpässen betroffen sind, anzubieten. Und: Um drohende Engpässe frühzeitig zu erkennen, erhält das BfArM zusätzliche Informationsrechte gegenüber pharmazeutischen Unternehmen und Großhändlern.

Mehr Transparenz

Auch die Onkologen haben einige Vorschläge parat, wie den Engpässen wirksam begegnet werden könnte. Auf der Pressekonferenz bringt Prof. Thomas Seufferlein, Vorstandsmitglied der Deutschen Krebsgesellschaft, unter anderem eine Positivliste unverzichtbarer Arzneimittel ins Spiel. An der Liste sollen auch die Fachgesellschaften mitschreiben. Der Onkologe nennt ferner eine „bessere Berücksichtigung des Wertes von (generischen) Arzneimitteln für die Versorgung bei der Bepreisung“.
Außerdem liegt den Krebsmedizinern mehr Transparenz am Herzen: Seufferlein mahnt ein präventives Frühwarnsystem an, um Versorgungsdefizite rechtzeitig abzuwenden. Dazu gehöre unter anderem ein Monitoring von Apothekenvertrieb/Großhandel und Herstellungsvolumen, auch über die Kostenträger. Der Medizinische Leiter der DGHO, Prof. Bernhard Wörmann, will, dass die Industrie umgehend über drohende Lieferengpässe informiert – und nicht erst bei bereits bestehenden Problemen.

 

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Eine Erfolgsgeschichte: der Beirat
BfArM-Präsident Prof. Karl Broich stellt vor der Presse das Vorgehen des vom Bundesinstitut koordinierten Beirates anhand mehrerer Beispiele vor. Ein Schema F gibt es nicht, denn: „Kein Engpass gleicht dem anderen“, sagt Broich. Für ihn ist das Gremium „ein Erfolgsfaktor, der uns geholfen hat, zusammen sehr viele Krisensituation zu bewältigen“.
Mit Positivlisten hat er dagegen keine so bestechenden Erfahrungen gemacht. Der vor einigen Jahren unternommene Versuch sei am Ende nicht von Erfolg gekrönt gewesen. Broich zufolge hat jede Fachgesellschaft die ihr wichtigsten Arzneimittel aufgeschrieben sowie alles, „was noch wünschenswert wäre“. Das Ergebnis sei eine „ultralange Liste“ gewesen. Diese Erfahrung habe die US-Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) mit den amerikanischen Fachgesellschaften ebenso gemacht.
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Bild: Prof. Karl Broich, Präsident des BfArM © pag, Fiolka

 

Last but not least ist festzuhalten, dass Engpässe kein allein deutsches Problem sind. Die US-Zulassungsbehörde hat sich damit ebenso auseinandergesetzt wie die Europäische Union. Die FDA konstatiert etwa, dass es für Hersteller einen Mangel an Incentives gebe, „less profitable drugs“ zu produzieren. Auch honoriere der Markt Hersteller nicht für ausgereifte Qualitätssysteme, die sich auf eine kontinuierliche Verbesserung und das frühzeitige Erkennen von „supply chain issues“ konzentrieren. Hierzulande fordern Ärzteorganisationen vermehrt eine stärkere Rückverlagerung der Produktion wichtiger Arzneimittel nach Europa. Neben den Onkologen hat sich dafür Ende vergangenen Jahres auch der Marburger Bund stark gemacht. Doch der Aufbau neuer Produktionsstätten in Europa ist noch eine ganz andere Herausforderung als an der Festbetragsschraube zu drehen oder bei Rabattverträgen weitere Vorgaben zu machen. Ein sehr langer Atem wird dafür erforderlich sein.

 

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Chinas Medikamente
Die starke Abhängigkeit der deutschen Arzneimittelproduktion von China ist Thema im Herbst beim „Berliner Dialog“ von Pro Generika. Dort ziehen Experten eine Parallele zur Abhängigkeit von russischem Gas. Die geo- und wirtschaftspolitischen Risiken seien in den letzten Jahren massiv gewachsen, warnt Dr. Tim Rühlig von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik. Er hält eine militärische Auseinandersetzung Chinas mit Taiwan für nicht unwahrscheinlich. Diese könne schneller kommen als viele derzeit glaubten. Eine Reduzierung der eigenen Abhängigkeit von der Volksrepublik sei deshalb politisch geboten – vor allem durch mehr Diversifizierung und eine größere unternehmerische Risikostreuung, argumentiert Rühlig. Aufgrund des Kostendrucks habe sich die Produktion in den letzten Jahren nach Fernost verlagert, erläutert Peter Stenico, seinerzeit Vorstandsvorsitzender von Pro Generika. Ein weiterer Grund seien gezielte Maßnahmen des chinesischen Staates, die Arzneimittelproduktion auszubauen.
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Bild: Dr. Tim Rühlig, Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik
© dgap

 

Weiterführender Link:

Deutsche Krebsgesellschaft, Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe, Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie, Arzneimittelengpässe in der Behandlung von Krebspatienten 2022, Januar 2023, PDF, 5 Seiten
www.dgho.de/publikationen/schriftenreihen/arzneimittelengpaesse/arzneimittelengpaesse-in-der-onkologie-2022.pdf

Wie Europa auf Arzneimittelengpässe reagieren will

Berlin (pag) – Immer häufiger bedrohen Arzneimittellieferengpässe die Versorgungssicherheit von Patienten. Die Politik will das Problem auch auf europäischer Ebene angehen.

Bei einer Veranstaltung von Pro Generika thematisiert Bundesgesundheitsminister Jens Spahn die Abhängigkeit von China und anderen asiatischen Ländern bei der Wirkstoffproduktion. Wohin diese führen könne, habe man zu Beginn der Corona-Krise „schmerzhaft“ bei den Medizinprodukten erlebt. Geprüft werden soll daher, wie Versorgung und Produktion in Europa wieder angereizt werden können. Allerdings warnt Spahn vor einer Strategie nach dem Motto „europe first“ – insbesondere angesichts der starken Exportabhängigkeit der hiesigen Wirtschaft. Der Minister will eine mögliche europäische Produktion deshalb auf die „wirklich wichtigen“ Arzneimittel beschränken. In einem ersten Schritt müssten diese auf europäischer Ebene definiert werden. Von der Arzneimittelstrategie der EU-Kommission, die demnächst vorliegen soll, erwartet Spahn weitere Impulse zur Versorgungssicherung. Für das erste Halbjahr 2021 kündigt er „erste Entscheidungen auf europäischer Ebene“ an.

Wirkstoffproduktion: Europa hat abgegeben

Im Auftrag von Pro Generika hat die Unternehmensberatung MundiCare 554 für die Versorgung in Deutschland benötigte generische Arzneimittelwirkstoffe analysiert. Knapp zwei Drittel (63 Prozent) aller Herstellerzulassungen (CEP) für diese Wirkstoffe liegen laut Studienautor Dr. Andreas Meiser mittlerweile bei asiatischen Herstellern, der europäische Anteil beträgt 33 Prozent. Vor 20 Jahren betrug das Verhältnis noch 59:31 Prozent – zugunsten von Europa. „Europa hat unglaublich viel Wirkstoffproduktion abgegeben“, kritisiert Bork Bretthauer, Geschäftsführer von Pro Generika. Zwar ist der Studie zufolge auch hierzulande die Zahl der Hersteller und der Zulassungen weiter gestiegen, jedoch langsamer als in Asien. Vor allem Indien und China können ein „extrem starkes Wachstum“ vorweisen, erläutert Meiser. Besonders hoch ist der Anteil asiatischer Hersteller bei neu zugelassenen Wirkstoffen. Eine Detailanalyse der Studie zeigt: Die europäischen Hersteller haben sich vor allem auf „kleinvolumige, komplexe Wirkstoffe“ spezialisiert, während bei den großvolumigen meist asiatische Hersteller den europäischen Bedarf decken. Meiser betont jedoch: „Die Kapazitäten und das Knowhow für eine Erhöhung der europäischen Produktion sind vorhanden.“ Gründe für die Verlagerung seien vor allem hoher Kostendruck und ungleiche regulatorische Rahmenbedingungen.

Bork Bretthauer, Pro Generika (li.), hat die Analyse in Auftrag gegeben. Auf „extrem starkes Wachstum“ in Indien und China macht Studienautor Dr. Andreas Meiser aufmerksam. © pag, Fiolka

 

Christoph Stoller, Präsident des europäischen Generika-Verbandes Medicines for Europe, fordert, die Abwärtsspirale bei den Preisen für Generika zu stoppen. Neben dem Preis sollten weitere Kriterien bei der Vergabe von Aufträgen berücksichtigt werden – etwa mehrere Wirkstoffquellen sowie Umweltfaktoren. Europapolitiker Tiemo Wölken (SPD) hält die Einführung „europäischer Leitlinien für Ausschreibungen“ für geboten. Spahn findet dagegen, die Unternehmen hätten selbst ihren Anteil, indem sie den Krankenkassen von sich aus extrem hohe Rabatte anböten, um Marktanteile zu gewinnen. Er sagt: „Die Politik allein hat uns da nicht reingeführt. Und sie wird uns da auch nicht allein wieder rausführen.“ Nichtsdestotrotz habe man bereits begonnen, Probleme bei Rabattverträgen zu adressieren – etwa im Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung und dem Fairer-Kassenwettbewerb-Gesetz.

 

Nicht lieferbar

Arzneimittel werden knapp – die Politik muss gegensteuern

Berlin (pag) – Wenn Arzneimittel nicht lieferbar sind, sogar Versorgungsengpässe drohen, wird das Vertrauen der Bürger in ihr Gesundheitssystem erschüttert. Die Politik will das Problem angehen – eine komplexe Herausforderung, nicht zuletzt, weil es um internationale Ressourcenallokation geht.

In den vergangenen Wochen haben Ärzte und Apotheker erneut vor Lieferschwierigkeiten bei Arzneimitteln gewarnt, die zunehmend die Patientenversorgung bedrohen. Dr. Ellen Lundershausen, Vizepräsidentin der Bundesärztekammer, fordert die Politik auf, konsequent gegen solche Engpässe vorzugehen. Tatsächlich tut sich etwas: In einem Positionspapier skizzieren Gesundheitspolitiker der Unionsfraktion Lösungsvorschläge.

Wie funktioniert eine nationale Arzneimittelreserve?

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Einer der Vorschläge lautet, eine nationale Arzneimittelreserve an verschiedenen Stellen der Verteilkette aufzubauen. Damit ist keine statische Einlagerung in zentralen Depots gemeint. Geprüft werden soll eine Verlängerung der Vorhaltepflicht. Die verpflichtende Vorratshaltung würde jene Arzneimittel betreffen, die versorgungsrelevant sind und bei denen ein Lieferengpass droht. Für die stationäre Versorgung soll geprüft werden, ob bei diesen Medikamenten die Vorratshaltung in der Krankenhausapotheke von zwei auf vier Wochen verlängert werden kann. Ambulanter Sektor: Angeregt wird eine Verlängerung der Vorratshaltung beim Großhandel und beim Hersteller im vergleichbaren Zeitraum. Lundershausen plädiert dafür, dass Ärzteschaft und Politik gemeinsam mit Kostenträgern und Pharmaunternehmen festlegen sollten, welche Medikamente in welchem Umfang vorgehalten werden müssen. Sie sagt: „Es wäre doch eine Schildbürgerei sondergleichen, wenn Deutschland die Impfpflicht einführt, während gleichzeitig die dafür notwendigen Impfstoffe fehlen“.

Rabattverträge regional zentralisieren

Weitere Vorschläge aus dem Papier der Union: „Die bereits für Krankenhausapotheken bestehende Meldepflicht muss auf versorgungsrelevante Medikamente für die ambulante Versorgung ausgedehnt werden.“ Rabattverträge sollten außerdem nur ausgeschrieben werden, wenn mindestens drei Anbieter und zwei Wirkstoffhersteller vorhanden sind. „Um die Vielfalt und damit eine weitere Unabhängigkeit zu gewährleisten, sollte die Vergabe grundsätzlich auf mindestens zwei unterschiedliche Anbieter verteilt werden“, heißt es weiter. Außerdem wird eine stärkere regionale Zentralisierung des Rabattvertragssystems ins Spiel gebracht – soweit dies vergaberechtlich zulässig ist. Als Vorbild werden die Rabattverträge bei der parenteralen Zubereitung genannt.

Mehr Transparenz über deutsche Marktsituation

Die Unionspolitiker mahnen auch mehr Transparenz an: insbesondere, was den Export von Arzneimitteln betrifft, die eigentlich zur Versorgung der Patienten in Deutschland zur Verfügung stehen sollten, jedoch aufgrund der globalen Marktsituation in andere Länder exportiert werden. Hierzu soll das Bundesgesundheitsministerium eine wissenschaftliche Studie in Auftrag geben. Als ultima ratio wird sogar eine Exportbeschränkung im Falle bestehender Lieferengpässe genannt. Last but not least soll die Bundesregierung die pharmazeutische Produktion in der EU zu einem Schwerpunkt der deutschen Ratspräsidentschaft 2020 machen. Nationale Alleingänge helfen nicht, um die Versorgung der Patienten sicherzustellen, findet auch Dr. Oliver Funken. Der Vorsitzende des Hausärzteverbandes Nordrhein macht sich für Regelungen auf EU-Ebene stark, um Produktionsstätten wieder nach Europa zu holen. Eine europäische Lösung hätte viele Vorteile: kontinuierliche Qualitätskontrollen, verkürzte Lieferwege, mehr Arbeitsplätze. Funken: „Auch, wenn hierdurch die Preise steigen, sollte es uns die Sicherung der Versorgung wert sein.“

Hausärzte und Apotheker berichten von Problemen

Der Hausarzt berichtet, dass mittlerweile selbst gängige Präparate kurzfristig nicht lieferbar seien. „Lieferengpässe treten bei Routineverordnungen hochfrequent auf“ – bei hochpreisigen, patentgeschützten Arzneimitteln hingegen derzeit noch selten. 229 Humanarzneimittel führt das BfArM gegenwärtig mit einem Lieferengpass (Stand Mitte September).

Auch bei den Apothekern gewinnen Lieferengpässe an Bedeutung. Als eines der größten Ärgernisse im Berufsalltag bezeichnen sie mittlerweile 91,2 Prozent der selbstständigen Apotheker. Im Jahr 2016 hatten sich nur 35,5 Prozent der Inhaber darüber geärgert. Sechs von zehn Apothekern (62,2 Prozent) geben an, dass sie und ihre Beschäftigten mehr als zehn Prozent ihrer Arbeitszeit dafür aufwenden, um bei Lieferengpässen gemeinsam mit Ärzten, Großhändlern und Patienten nach Versorgungslösungen zu suchen. Das sind Ergebnisse des Apothekenklima-Index 2019, einer repräsentativen Meinungsumfrage von Marpinion im Auftrag der ABDA.

Deren Vizepräsident Mathias Arnold untermauert die erfragten Angaben zum Zeitaufwand mit Verordnungszahlen des Deutschen Arzneiprüfungsinstituts: Demnach hat sich die Anzahl der Rabattarzneimittel, die aufgrund eines Lieferengpasses ausgetauscht werden mussten, bei gesetzlich Krankenversicherten von fünf Millionen Packungen im Jahr 2016 auf 9,3 Millionen Stück im Jahr 2018 fast verdoppelt. Betroffen ist jedes 50. Rabattarzneimittel (9,3 von 450 Millionen Packungen im Jahr 2018). Im Jahr 2018 haben die Top-10-Wirkstoffe mit 4,7 Millionen Arzneimitteln fast die Hälfte der 9,3 Millionen Lieferengpässe ausgemacht. Hochdosiertes, rezeptpflichtiges Ibuprofen belegt mit 1,6 Millionen Packungen den ersten Platz auf der Liste. Mit fünf Wirkstoffen unter den Top 10 sind die Blutdrucksenker Valsartan, Ramipril und Bisoprolol sowie deren Kombinationen mit Diuretika (harntreibende Mittel) ebenfalls weit oben.

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Arzneimittel nicht lieferbar? Gemeinsam mit Ärzten, Großhändlern und Patienten suchen Apotheker nach Versorgungslösungen. © iStock.com, LumiNola

Nur Symptommanagement oder auch mehr?

Die Zahlen zeigen, dass das Problem nicht ausgesessen werden kann, es gewinnt zunehmend an Brisanz. Tatsächlich hat die Politik in der Vergangenheit bereits mehrfach reagiert. Stichwortartig genannt seien der Jour fixe des BfArM, die Beendigung der Ausschreibung für Grippeimpfstoffe und der Wechsel zu einem europäischen Referenzpreissystem. Bei der Ausschreibung von Rabattverträgen wurde nachjustiert sowie eine Melderegelung an Krankenhäuser eingeführt.

Doch das alles reicht nicht, denn mittlerweile ist offensichtlich – und das wird auch im Papier der Union eingeräumt – dass eine nachhaltige Verbesserung der Liefersituation zusätzliche Maßnahmen erfordert. So sinnvoll Reserven und Co. sein mögen, letztlich wird damit Symptommanagement betrieben. Die wahre Herausforderung besteht darin, eine weitere Abwanderung insbesondere der Wirkstoffproduktion zu verhindern oder wie es im Papier heißt „bestenfalls Produktionen nach Europa zurück zu verlagern.“ Ob und welche Impulse dafür die deutsche Ratspräsidentschaft im kommenden Jahr zu setzen vermag, wird spannend.

Versorgungsengpässe – ein zunehmendes Thema

Berlin (pag) – Ist die Arzneimittelversorgung noch sicher? Dieser Frage widmet sich ein Symposium der Gesellschaft für Recht und Politik im Gesundheitswesen. Experten warnen dort vor zunehmenden Versorgungsengpässen. Auch angemessene Preise spielen eine Rolle.

Prof. Frank Dörje, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Krankenhausapotheker, stellt fest: Versorgungsengpässe seien „kein abnehmendes, sondern ein zunehmendes Thema“. Auch Dr. Michael Horn, Abteilungsleiter beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), meint, dass Lieferengpässe zunehmend zu Versorgungsproblemen führen. Das Problem ist multikausal, genannt werden unter anderem folgende Schlagwörter: Globalisierung, Konzentration von Produktionsstätten, GMP-Mängel, steigender Bedarf. Dörje, der die Apotheke des Universitätsklinikums Erlangen leitet, geht auf globale Preisdifferenzen ein, als Beispiel nennt er polyvalente Immunglobuline. Diese seien auf dem Weltmarkt ein knappes Gut – „und es ist eben so, dass Europa schlechte Preise zahlt“. Die Folge: Die Pharmafirmen allozierten die Mengen dort, wo der Markt besser ist. Der US-Markt und der chinesische Markt nehmen mehr auf als Europa, berichtet Dörje. „Wir haben einen Weltmarkt, den wir alle gemeinsam machen“, betont er und appelliert: „Wenn wir mit Kampfpreisen arbeiten, müssen wir über Risiken und Nebenwirkungen sprechen.“

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Die Situation in den Kliniken

Die Nebenwirkungen dieser Entwicklung bekommen Krankenhäuser zu spüren, sie haben bei Engpässen mit Arzneimittelumstellungen zu kämpfen. Damit verbunden ist ein, so Dörje, hoher und aufwendiger Informationsbedarf. Lieferengpässe wirkten sich unmittelbar auf die Arzneimitteltherapiesicherheit aus. „Jede Umstellung, die nicht gewünscht ist, ist eine zu viel.“

Zur Einordnung: Im Klinikum rechts der Isar sind vergangenes Jahr (Stichtag 4. Oktober) 133 Lieferengpässe aufgetreten – mehr als drei pro Woche. Von Engpässen betroffen sind Dörje zufolge insbesondere Injektionen (44,4 Prozent) und Infusionen (27,8 Prozent). Diese werden hauptsächlich bei hochkritisch Kranken eingesetzt, erläutert der Krankenhausapotheker. Er fordert eine Lagerhaltungsverpflichtung für Pharmaunternehmen sowie eine Meldepflicht für das BfArM-Register.

Das Bundesinstitut leitet einen Jour Fixe, der die Versorgungssituation bewertet. Bei einer Sondersitzung haben die Teilnehmer kürzlich Kriterien zur nachhaltigen Verbesserung der Lieferfähigkeit versorgungsrelevanter Basistherapeutika in Krankenhäusern erarbeitet. Es geht um die Schaffung robuster Lieferketten und angemessene Preise. „Wir müssen den Trend der Monopolisierung und Oligopolisierung durch vertragliche Maßnahmen zurückdrängen“, appelliert Horn. Mit dem eigenen Handeln sei dafür Sorge zu tragen, „dass wir eine stabile Versorgung haben und nicht von einzelnen wenigen Produktionsstätten abhängig sind“.

Weiterführender Link
Protokoll zur Sondersitzung des Jour Fixe
www.bfarm.de/SharedDocs/Downloads/DE/Arzneimittel/Zulassung/amInformationen/Lieferengpaesse/Protokolle/Protokoll_180307.pdf?__blob=publicationFile&v=3

Wenn Arzneimittel knapp werden

Zu Ursachen und Lösungsmöglichkeiten bei Engpässen

 

Berlin (pag) – Patienten bleibt das Problem meist noch verborgen, dabei warnen Experten längst vor nicht hinnehmbaren Zuständen und einer Eskalation: Die Rede ist von Arzneimittelengpässen. Der Gesetzgeber hat mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) jetzt reagiert, doch vielen geht diese Initiative nicht weit genug.

Bei der Plenardebatte im Bundestag anlässlich der AMVSG-Abstimmung spricht der SPD-Gesundheits-politiker Prof. Karl Lauterbach von „nicht hinnehmbaren Zuständen“. Damit meint er: In Krankenhausapotheken seien zwischen 30 bis 50 Arzneimittel, die für Patienten unbedingt notwendig seien, nicht erhältlich – entweder zeitweilig oder sogar ständig (siehe Infokasten: Wie viele versorgungskritische Arzneimittel fehlen?). Für den Politiker auch deshalb ein Armutszeugnis, weil der Patient davon nichts erfahre. „Ein krebskrankes Kind zum Beispiel wird dann mit einer Kombinationstherapie behandelt, die nicht optimal ist, weil das entsprechende Medikament (…) nicht vorrätig ist, und die Eltern und auch das Kind erfahren nie, dass eine andere Behandlung eigentlich sinnvoll gewesen wäre.“ Gleichzeitig, fährt Lauterbach fort, würden die dringend benötigten Medikamente bisweilen im Ausland – zu teilweise höheren Preisen – verkauft oder sie würden beim Großhandel gelagert, um dort für die niedergelassenen Onkologen über die Lieferkette bezahlt zu werden.

Krankenhausapotheker stoßen an ihre Grenzen

Das vom Bundestag verabschiedete AMVSG sieht nun eine Verpflichtung der pharmazeutischen Unternehmer vor, die Krankenhäuser zu informieren, sobald ihnen Kenntnisse über Lieferengpässe bei bestimmten Arzneimitteln vorliegen. Die Krankenhausapotheke hat dann die Möglichkeit, über die 14-Tage-Regelung hinaus das Arzneimittel im Ausland einzukaufen und zu bevorraten.
Grundsätzlich begrüßen die Krankenhausapotheker die neue Regelung. „Wir sind mittlerweile an unsere Grenzen gestoßen, das Thema eskaliert“, hat erst kürzlich Dr. Torsten Hoppe-Tichy auf einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO) festgestellt. Hoppe-Tichy ist Leiter der Krankenhausapotheke am Universitätsklinikum Heidelberg. Er berichtet, dass dort inzwischen eine Vollzeitkraft jeden Tag damit beschäftigt sei, die Folgen der Lieferunfähigkeiten für die Klinik und die Patienten abzumildern.
Der Pharmaverband Pro Generika hält dagegen die Informationspflicht für wenig nachhaltig. Er twittert: „Manche rufen bei Arzneimittelengpässen v.a. nach mehr Informationen – Rauchmelder löschen aber kein Feuer“.

STUDIE: WIE VIELE VERSORGUNGSKRITISCHE ARZNEIMITTEL FEHLEN?
Aus einer vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (AKDA) durchgeführten Umfrage bei Krankenhausapotheken geht hervor, dass eine bedenkliche Anzahl versorgungskritischer Arzneimittel in Kliniken fehlen. Betroffen seien im wesentlichen Arzneimittel, die nur für den Klinikmarkt hergestellt werden, darunter viele Lösungen zur Injektion wie Antibiotika, Krebsmedikamente und Anästhetika. „Insgesamt sind Arzneimittel mit 280 verschiedenen Wirkstoffen nicht verfügbar gewesen, darunter 30, die die jeweilige Klinikapotheke als versorgungskritisch einstuft“, so der ADKA-Präsident Rudolf Bernard. Von den betroffenen Arzneimitteln dieser 30 Wirkstoffe meldeten die verantwortlichen Hersteller lediglich acht an das BfArM. Befragt wurden Krankenhausapotheken mit einer Versorgungsrelevanz von über 30.000 Betten und damit über sechs Prozent der nationalen Krankenhauskapazitäten.

Aus einer vom Bundesverband Deutscher Krankenhausapotheker (AKDA) durchgeführten Umfrage bei Krankenhausapotheken geht hervor, dass eine bedenkliche Anzahl versorgungskritischer Arzneimittel in Kliniken fehlen. Betroffen seien im wesentlichen Arzneimittel, die nur für den Klinikmarkt hergestellt werden, darunter viele Lösungen zur Injektion wie Antibiotika, Krebsmedikamente und Anästhetika. „Insgesamt sind Arzneimittel mit 280 verschiedenen Wirkstoffen nicht verfügbar gewesen, darunter 30, die die jeweilige Klinikapotheke als versorgungskritisch einstuft“, so der ADKA-Präsident Rudolf Bernard. Von den betroffenen Arzneimitteln dieser 30 Wirkstoffe meldeten die verantwortlichen Hersteller lediglich acht an das BfArM. Befragt wurden Krankenhausapotheken mit einer Versorgungsrelevanz von über 30.000 Betten und damit über sechs Prozent der nationalen Krankenhauskapazitäten.

„Unser Erste-Hilfe-Koffer steht in China“

Einig dürften sich alle Beteiligten zumindest darüber sein, dass Arzneimittelengpässe ein sehr komplexes Problem sind. Einem Engpass können verschiedene Ursachen zu Grunde liegen; die DGHO nennt: Bedarfssteigerung, Preisgestaltung und Marktrücknahmen (siehe Infokasten: der Fall Osimertinib) sowie Herstellungsprobleme. Den Zulassungsbehörden zufolge sind 90 Prozent der Lieferengpässe durch Qualitätsmängel bei der Herstellung bedingt. Weltweit führend in der Produktion sind Indien, China und die USA.
Stichwort globale Arzneimittelproduktion: Um deren Folgen ging es vor einiger Zeit bei einer Veranstaltung von Pro Generika. „Unser Erste-Hilfe-Koffer steht in China“, hat dort Dr. Markus Leyck Dieken, Vorstandsvorsitzender des Verbandes und Geschäftsführer Teva/ratiopharm, festgestellt. Einer Roland-Berger-Studie zufolge stammen 80 Prozent der in Deutschland verbreiteten Intermediates und Antibiotika-Wirkstoffe aus dem Ausland. China und Indien seien Hauptherkunftsländer. Anders ausgedrückt: Deutschland hängt am Tropf von China und Co. Im Falle eines Krankheitsausbruchs drohten Liefer- bis hin zu Versorgungsengpässe, heißt es in der Studie, da Export-Länder zunächst die lokale Versorgung mit Medikamenten sicherstellten. Das Beispiel der Wirkstoffkombination Piperacillin/Tazobactam hat zudem eindrücklich gezeigt, dass auch andere Ergebnisse die Versorgung in Deutschland einschränken können, wenn etwa in China eine Produktionsstätte explodiert. Die Autoren der Studie schlagen daher vor, die Antibiotika-Produktion wieder partiell nach Deutschland zurückzuverlagern. Für Pro Generika ist das Problem der Engpässe zudem eine Steilvorlage, um sich für eine verpflichtende Mehrfachvergabe bei Antibiotika-Rabattverträgen stark zu machen.

DER FALL OSIMERTINIB – DAS PROBLEM DER MARKTRÜCKNAHMEN
Zu einem versorgungsrelevanten Arzneimittelengpass kam es Ende des vergangenen Jahres beim Lungenkrebsmedikament Osimertinib. Vorausgegangen war ein Streit des Herstellers mit dem GKV-Spitzenverband über den angemessenen Preis.
Im Vorfeld hatte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) im Rahmen des AMNOG-Verfahrens den Zusatznutzen von Osimertinib auf Basis der vorgelegten Daten als „nicht belegt“ festgelegt. Dies hatte den Hersteller zur Marktrücknahme bewogen. Zwar hätten alle am Verfahren Beteiligten innerhalb ihrer eigenen Regeln Recht, „den Schaden aber haben die Patientinnen und Patienten getragen“, kritisiert Prof. Diana Lüftner aus dem DGHO-Vorstand. Mittlerweile könne das Medikament – wenn auch mit administrativem Mehraufwand – über internationale Apotheken bezogen werden.

Vom Liefer- zum Versorgungsengpass

Lieferengpässe betreffen vor allem Hersteller und Apotheker, aus ärztlicher Perspektive wird es kritisch in Situationen, in denen der Lieferengpass eines bestimmten Präparates Auswirkungen auf die Versorgung der Patienten hat. Besonders problematisch kann das in der Onkologie werden. „Dass ein nicht lösbarer Lieferengpass über einen nicht vermeidbaren Versorgungsengpass zu einer Verschlechterung der Prognose eines Patienten führt, muss mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln verhindert werden“, schreibt die DGHO in ihrer neuen Publikation „Arzneimittelengpässe am Beispiel der Hämatologie und Onkologie“. Die Fachgesellschaft plädiert unter anderem für die Implementierung eines Registers mit Meldepflicht – nach dem Vorbild der amerikanischen Zulassungsbehörde FDA. Der pharmazeutische Unternehmer sei zu verpflichten, drohende und existierende Engpässe sowie deren Beendigung zu melden. Das 2013 beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) eingerichtete, auf freiwilligen Meldungen der Industrie beruhende Lieferengpass-Register funktioniert nach Einschätzung der Fachgesellschaft nur teilweise.

Noch drastischer drückt es Dr. Christopher Hermann, Vorstandschef der AOK Baden-Württemberg, aus: „Das Prinzip der Freiwilligkeit von Defektmeldungen durch die Pharmaindustrie hat versagt“, sagt er auf einer Pressekonferenz in Berlin. Die Regelungen im AMVSG hält der Kassenchef zwar für einen Schritt in die richtige Richtung, „es muss aber darüber hinaus um gesetzlich sanktionierbare Pflichten und Nachhaltung gehen“. Die Rolle des BfArM sei dringend dadurch zu stärken, dass Pharmaunternehmen Lieferprobleme und alle Akteure der Handelskette ebenso verpflichtend dem Bundesinstitut als Trustcenter regelmäßig ihre Lagerbestände übermitteln.

 

von links – Dr. Christopher Hermann – Vorstandsvorsitzender der AOK Baden-Württemberg – und Prof. Dr. Dr. Karl Lauterbach – SPD-Gesundheitsexperte und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestags-Fraktion © pag, Fiolka

BfArM: Liste engpassgefährdeter Arzneimittel

Beim Bundesinstitut findet der im Rahmen des Pharmadialogs vereinbarte Jour Fixe zum Thema „Liefer- und Versorgungsengpässe“ statt. Bereits drei Mal haben sich dort Fachkreise ausgetauscht, zuletzt am 31. März 2017. Anfang Mai hat das BfArM eine Empfehlung des Jour Fixe umgesetzt und erstmals eine Liste von Wirkstoffen veröffentlicht, die für die Versorgung der Gesamtbevölkerung als besonders relevant angesehen werden. Diese Liste ist für die Bundesoberbehörden wichtig, um zwischen gemeldeten Lieferengpässen von Arzneimitteln mit und ohne Versorgungsrelevanz zu unterscheiden. Die Übersicht enthält Wirkstoffe für verschreibungspflichtige Arzneimittel und beruht maßgeblich auf den Vorschlägen der medizinischen Fachgesellschaften unter Berücksichtigung der WHO-Liste der essentiellen Wirkstoffe. Sie werde regelmäßig aktualisiert und weiterentwickelt, kündigt das BfArM an. Arzneimittel aus dieser Liste, die mit einem besonderen Versorgungsrisiko verbunden sind, werden künftig engmaschig behördlich überwacht. Ein erhöhtes Versorgungsrisiko liegt beispielsweise vor, wenn es für das Arzneimittel nur noch einen Zulassungsinhaber oder einen Wirkstoffhersteller gibt und keine therapeutischen Alternativen bestehen, erläutert das Bundesinstitut. Es hofft, relevante Problemlagen schnell zu identifizieren und im Dialog mit den Herstellern Lösungswege anzustoßen.
Last but not least: Das BfArM hat angekündigt, dass seine Übersicht zu aktuellen Lieferengpässen künftig auch jene Meldungen beinhalten soll, die von den Zulassungsinhabern an die Krankenhäuser zu melden sind (§52b Abs. 3a Arzneimittelgesetz). Das Ziel: mehr Transparenz zur Versorgungslage für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der stationären Versorgung.

Literaturtipp: Arzneimittelengpässe am Beispiel der Hämatologie und Onkologie.
Mit Übersicht zur Situation in anderen Fachgebieten. Gesundheitspolitische Schriftenreihe der DGHO , Band 9. Hrsg:C. Brokemeyer, M. Hallek, D. Lüftner und F. Weißinger. www.dgho.de/informationen/gesundheitspolitische-schriftenreihe/band-9-arzneimittelengpaesse/dgho_gpsr_IX_DE_web_und%20einleger_170309.pdf