Berlin (pag) – Das Spitzenforum Medizin am letzten Tag des Hauptstadtkongresses bietet spannende Einblicke: Dr. Thomas Kaiser, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), kündigt neue Schwerpunkte der Institutsarbeit an. Und Prof. Nisar Peter Malek vom Universitätsklinikum Tübingen prognostiziert eine Revolution bei klinischen Studien.
Malek stellt in seinem Vortrag die These auf, dass man in den nächsten Jahren eine „Revolution bei der Durchführung klinischer Studien“ sehen werde. Seine Prognose: „Wir werden uns nicht mehr in dem Umfang auf randomisierte Phase-III-Studien stützen.“ Gerade in der Personalisierten Medizin mit ihren kleinen Patientengruppen würden Register eine größere Rolle spielen. Sie könnten genutzt werden, um die Innovationskraft eines neuen Medikamentes mit den gesammelten Daten zu vergleichen. Außerdem sieht der Ärztliche Direktor der Klinik Innere Medizin I am Uniklinikum Tübingen die Register als Möglichkeit, um eine „Reserve Translation“ zu machen. Das bedeutet: „Wir wissen zum Beispiel aus der Off-Label-Behandlung von Patienten mit bestimmten Tumorerkrankungen, dass hier ein Ansprechen, also ein Nutzen, erzeugt wird. Daraus können wir wiederum Rückschlüsse für die Initiierung neuer Studienkonzepte ziehen“, erläutert er.
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Selbst machen statt kritisieren
Eine Revolution beim IQWiG kündigt Dr. Thomas Kaiser zwar nicht an, eine spannende Neuausrichtung aber allemal. Es müsse sich ein wichtiger Bestandteil der Arbeit verändern: „nämlich Forschung bezüglich Evidenzgenerierung selbst zu unterstützen und zu verstärken“. Das habe die Community der evidenzbasierten Medizin bisher mehr oder weniger ausgeblendet, räumt Kaiser ein. Zur Evidenzgenerierung wolle man durch eigene wissenschaftliche Forschung und die Teilnahme an europäischen Verbundprojekten beitragen. „Das wird eine Veränderung in der wissenschaftlichen Arbeit des IQWiG sein“, kündigt Kaiser an.
Beim Spitzenforum macht er sich grundsätzlich für die Etablierung einer Forschungsinfrastruktur hierzulande stark. Dabei geht es um qualitativ hochwertige, stehende Dateninfrastrukturen – „das können universitäre Netzwerke sein, das können Verknüpfungen mit anderen Daten sein, das können Register sein und das können auch andere Datenstrukturen sein“. Für Kaiser gehört dazu auch, das „Silodenken klinischer Studien“ hinter sich zu lassen, sprich nicht für jede klinische Studie eine neue Datenstruktur aufzubauen, die dann wieder beendet wird, sobald die Studie abgeschlossen ist.
Was ist mit den Bewertungen?
Bleibt die Frage, ob auch bei den Bewertungen des Instituts die Zeichen auf Wandel stehen. Kaiser zufolge schaue man sich neue Entwicklungen wie synthetische Studienarme offen an. Noch wisse man nicht, ob diese ausreichend sichere Ergebnisse für einen Vergleich lieferten. „Wenn das so sein sollte, dann ist das eine gute Idee, weil das forschungsökomisch zu mehr Forschung mit gleichem Aufwand führen kann.“ Allerdings müsse dieser Nachweis noch geführt werden. Kaisers Argumentation: „Nur weil man es kann, ist es noch nicht gut. Weil man es kann, kann man es untersuchen und beforschen. Wenn es dann gut ist, dann sollte man es anwenden.“ Insgesamt schließt er nicht aus, dass sich auch die Arbeit des IQWiG in puncto Bewertungen verändern wird.
Berlin (pag) – Nicht nur ein Stück Papier, sondern ein ganzes Navigationssystem sieht die Bundesministerin für Bildung und Forschung Bettina Stark-Watzinger in der Nationalen Strategie für gen- und zellbasierte Therapien (GCT). Dessen Ziele reichen von besserer Versorgung bis zur Stärkung des Forschungs- und Wirtschaftsstandorts Deutschland.
Diesen nationalen „Meilenstein“, wie die Ministerin sagt, überreicht ihr kürzlich das Berlin Institute of Health in der Charité (BIH). Noch länger als die 140 Seiten starke Strategie ist die Zahl an Experten, die im Erarbeitungsprozess involviert sind. Über 150 Stakeholder vernetzen ihre Expertise und ebnen den Weg „aus den Silos“, lobt Stark-Watzinger. Sie fährt fort: „Diese Zusammenarbeit von Wissenschaft, Wirtschaft, öffentlicher Hand und Gesellschaft ist ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg.“
Der Fahrplan der Strategie umgreift acht Handlungsfelder – von „Ausbildung und Kompetenzstärkung“ über „Technologietransfer“ zu „Forschung und Entwicklung“ und „Marktzulassung und Übergang in die Versorgung“. Die innovativen Gen- und Zelltherapien bieten für Patienten kausale Wirkungsprinzipien und potenziell langanhaltende Effekte. Sie können bei seltenen genetischen, aber auch bei häufig erworbenen Erkrankungen eingesetzt werden. Die Therapien eröffnen insbesondere Perspektiven für Patienten mit schweren oder seltenen Erkrankungen, für die es bisher keine Therapie gibt. Verfolgt wird auch das Ziel, den Standort Deutschland im internationalen Wettbewerb für die Entwicklung sicherer, effizienter und nachhaltig finanzierbarer GCT zu stärken.
Schon jetzt blicke Deutschland auf eine exzellente Grundlagenforschung, hebt Stark-Watzinger hervor. Doch Luft nach oben bleibe in der Translation.
Ein Biotech-Ökosystem
Nur eine Woche nach der Präsentation der Strategie stellen Charité und Bayer ihre Pläne zur Errichtung des Berlin Center for Gene and Cell Therapies vor. Das Translationszentrum für Gen- und Zelltherapien wird maßgeblich von der Bundesregierung sowie dem Land Berlin finanziell gefördert und unterstützt. Ziel ist es, die Behandlungsmöglichkeiten dieser Technologien schneller Patienten zur Verfügung zu stellen und gleichzeitig in der Hauptstadt ein führendes Biotech-Ökosystem für neuartige Therapien aufzubauen. Bereits im Frühjahr hat der Verband forschender Arzneimittelhersteller mitgeteilt, dass Deutschland bei der Entwicklung von Gen-, Zell- und Gewebetherapeutika („Advanced Therapy Medicinal Products“, kurz ATMP) aufhole. 2023 finden 78 klinische Studien mit jenen Medikamenten unter Mitwirkung deutscher Einrichtungen statt oder sind geplant. Das seien rund viereinhalbmal mehr als noch 2018. Zu 92 Prozent sind die Initiatoren dieser Studien Unternehmen. Forschungseinrichtungen geben in drei Prozent den Anstoß. Die verbleibenden fünf Prozent werden gemeinsam von Unternehmen und Forschungseinrichtungen auf den Weg gebracht. Die Angaben basieren auf Daten des Datenbankanbieters Citeline.
Berlin (pag) – Das „Bündnis Transparenz in der Gesundheitsforschung“ fordert eine verbindliche Regelung für die vollständige und zeitnahe Veröffentlichung der Ergebnisse sämtlicher interventionellen klinischen Studien in Deutschland. Ein Positionspapier erklärt, warum unveröffentlichte Studienergebnisse die Gesundheit gefährden und was geschehen muss, um dieses Problem zu lösen.
Das Papier wird von mehreren Organisationen aus dem Gesundheitswesen unterstützt. Dazu gehören unter anderem die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften, das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen sowie die BAG Selbsthilfe.
Ergebnisse aus klinischen Studien, die verspätet, unvollständig oder gar nicht veröffentlicht werden, verzerren laut Cochrane Deutschland die Datenbasis für evidenzbasierte Gesundheitsentscheidungen. Die möglichen Folgen: Im schlimmsten Fall werden Patienten suboptimal behandelt und gesundheitspolitische Entscheidungen auf Grundlage falscher Annahmen getroffen. Zudem bedeute die Nicht-Veröffentlichung eine Verschwendung von Forschungsgeldern – oft von solchen aus öffentlicher Hand, heißt es.
Gesetzeslücke schließen
Im Positionspapier ist unter anderem nachzulesen, dass die Ergebnisse von rund einem Drittel aller von deutschen Universitätskliniken geleiteten klinischen Studien unveröffentlicht bleiben. Das Bündnis verlangt, Gesetzeslücken zur Registrierung und Berichterstattung von klinischen Studien zu schließen. Die Registrierung in einem von der WHO-akkreditierten Studienregister und die zeitnahe Ergebnisveröffentlichung innerhalb von zwölf Monaten nach Studienende müsse für sämtliche prospektiven, interventionellen klinischen Studien gesetzliche Pflicht werden. Auch sollten Ethikkommissionen stärker auf eine frühzeitige und vollständige Registrierung aller klinischen Studien in einem geeigneten Studienregister hinwirken und darüber hinaus Daten für eine zentrale Zusammenführung zur Verfügung stellen. Die Autoren regen folgendes an: Forschungsförderer, Universitäten und Ethikkommissionen sollten spezifische Anreize und Druckmittel in Erwägung ziehen, etwa durch die Berücksichtigung des bisherigen Veröffentlichungsverhaltens bei der Begutachtung von Förder- oder Ethikanträgen sowie der leistungsorientieren Mittelvergabe oder Auszahlung einer Restsumme der Förderung erst bei Veröffentlichung von Zusammenfassungen von Studienergebnissen.
Das Ziel der Initiative sind klare Rahmenbedingungen und Regelungen, die dafür sorgen, dass sich die Gesundheitsversorgung „wirklich auf die ‚bestmögliche‘ Evidenz aus klinischer Forschung stützen kann“.
Berlin (pag) – Patienten mit einer seltenen Erkrankung oder einer fortgeschrittenen Krebserkrankung soll mit einer schnelleren Diagnosestellung oder einer zielgerichteteren Therapieempfehlung geholfen werden. Das ist das Ziel eines Modellvorhaben, das die Genomsequenzierung an Universitätskliniken ermöglicht. Auf dem Symposium der Initiative genomDE spricht Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach von einem „Startschuss für die Genomforschung, die wir in Deutschland lange gebraucht haben“.
Die Initiative genomDe hat zentrale Elemente für das Modellvorhaben Genomsequenzierung nach Paragraf 64 e SGB V entwickelt. Vertragspartner sind der GKV-Spitzenverband und der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD). Teilnehmen werden über 20 Universitätsstandorte, der Kassenverband zahlt für die fünfeinhalbjährige Laufzeit 700 Millionen Euro. Die Verantwortlichen rechnen mit etwa 50.000 teilnehmenden Patienten.
Medizinische Lücken
Lauterbach warnt bei genomDE vor einem großen medizinischen Bedarf, der derzeit nicht gedeckt werden könne. „Ohne mehr Genomforschung, ohne mehr Genomnutzung in der Versorgung, ohne mehr Medizinforschung, ohne die bessere Nutzung der künstlichen Intelligenz wird es uns einfach nicht gelingen, diese großen Lücken zu schließen.“ Beispielhaft nennt er Versorgungslücken bei Patien-ten mit Krebs, Demenz, Parkinson, Multipler Sklerose und seltenen Erkrankungen.
Dennoch ist der Minister optimistisch. Man befinde sich am „Vorabend einer medizinischen Revolution“. Diese werden durch zwei wesentliche Achsen getragen: die bessere Nutzung genetischer Daten sowie die Nutzung der künstlichen Intelligenz. Dort, wo sich die Achsen kreuzen, finde der medizinische Fortschritt statt. Mit dem vom 2021 verabschiedeten Gesetz zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung wurde die rechtliche Grundlage für das Modellvorhaben gelegt. Es soll diese hochmoderne und komplexe Diagnostik in der Versorgung erproben und mögliche zukünftige Anwendungsfälle identifizieren. Lauterbach zufolge ist die Genomsequenzierung in den letzten Jahren viel besser und günstiger geworden.
Für VUD-Generalsekretär Jens Bussmann ist das Modellvorhaben Neuland. Aber ohne die Initiative wäre die Genomsequenzierung „lost in regulation“. Er sieht das Modellvorgaben daher als positives Beispiel für die Einführung von Innovationen im Gesundheitswesen.
Daten, Daten, Daten
Viele Experten betonen auf dem Symposium, dass der Erfolg des Vorhabens von den gesammelten medizinischen Daten und deren Qualität abhinge. Eine wichtige Rolle beim Datenaustausch und -sammeln spielt die Dateninfrastruktur des Projekts. Diese besteht unter anderem aus sieben klinischen Datenknoten, sechs Genomrechenzentren und Datendiensten. Plattformträger ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, die Vertrauensstelle ist beim Robert Koch-Institut eingerichtet.
Wie Dr. Hagen Pfundner die Pharmastrategie der Bundesregierung bewertet
Berlin (pag) – Lange hat die Industrie auf die Pharmastrategie der Bundesregierung gewartet, Ende 2023 stellt sie der Bundesgesundheitsminister endlich vor. Wird damit eine Renaissance der Reindustrialisierung eingeleitet? Dr. Hagen Pfundner, Vorstandsvorsitzender Roche Pharma, bezieht im Interview Stellung und verrät, welche Pläne er skeptisch sieht.
Mit der Pharmastrategie und dem geplanten Medizinforschungsgesetz will Prof. Karl Lauterbach eine Reindustrialisierung in Gang setzen. Höchste Eisenbahn oder ist der Zug schon abgefahren?
Pfundner: Die Pharmastrategie der Bundesregierung ist eine ressortübergreifende Strategie, bei der Bundeskanzleramt, Wirtschafts-, Forschungs- und Gesundheitsministerium intensiv zusammengearbeitet haben. Ja, eine Kurskorrektur und eine Rücknahme der innovationsfeindlichen Entscheidungen aus dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz waren höchste Eisenbahn. Mit der Strategie und dem Bekenntnis, dass die pharmazeutische Industrie ein Schlüsselsektor und eine Leitindustrie der deutschen Volkswirtschaft ist, ist ein erster, wichtiger Schritt getan. Wir wurden als Industrie gehört und unsere Sorgen in Bezug auf eine schleichende Deindustrialisierung wurden ernst genommen.
Aber?
Pfundner: Jetzt müssen Taten folgen. Unsere Branche ist bereit, bei entsprechenden Rahmenbedingungen in Forschung, Entwicklung und Produktion signifikant zu investieren, neue Arbeitsplätze in Deutschland zu schaffen und zur Lieferkettensicherheit beizutragen.
Wie bewerten Sie die Pharmastrategie der Bundesregierung: Welche Pläne überzeugen Sie, was halten Sie eher für halbgar?
Pfundner: Die Pharmastrategie ist für mich ein Beispiel für aktive Industriepolitik der Bundesregierung. Ich begrüße diesen Schritt sehr. Hierfür hat der vom Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck im Jahr 2022 ins Leben gerufene Roundtable „Gesundheitswirtschaft” eine Schlüsselrolle gespielt und ein wichtiges Fundament gelegt. Die Maßnahmen zum Bürokratieabbau, zur Verbesserung der Nutzung von Gesundheitsdaten sowie gezielte strukturelle Anreize für die Forschung und Entwicklung neuer Arzneimittel und die Verbesserung der Arzneimittelliefersicherheit sind wichtige Absichtserklärungen, die man in der Strategie wiederfindet. Es kommt nun auf die konkrete Umsetzung und den Willen aller Beteiligter an. Hier dürfen wir keine Zeit verlieren.
Was sehen Sie kritisch?
Pfundner:Die Pläne, die für mich aktuell noch die größten Fragezeichen aufwerfen, betreffen die Überprüfung der AMNOG-Reform in 2024, den Zeitplan dahinter und das Austausch- und Entscheidungsgremium, in dem die Industrie mitgestalten und mitwirken kann.
Was kann Deutschland von anderen Ländern in Sachen gesundheitsindustrieller Standortpolitik lernen?
Pfundner:Weltweit beobachten wir eine Renaissance der „Reindustrialisierung”. Vor diesem Hintergrund ist die Strategie der Bundesregierung im Sinne einer „modernen” – auch datenbasierten – Reindustrialisierung ein richtiger und notwendiger Weg. Hier können wir durchaus von anderen Ländern lernen, die verstanden haben, dass sich durch verlässliche Rahmenbedingungen und einen heimischen Markt für Innovationen privatwirtschaftlich finanzierte Forschungs- und Produktionskapazitäten in Zukunft weiter ausbauen lassen. Auf der anderen Seite ist die Pharmastrategie der Bundesregierung ein Aktionsplan, der eine große Chance für den Wirtschaftsstandort Deutschland darstellt und bei dem andere Länder aktuell auf uns schauen. Ich freue mich besonders darüber, dass der Dreiklang aus Spitzenforschung, Spitzenversorgung und Spitzenindustrie in der Strategie verankert ist – denn Gesundheitspolitik ist auch Industrie- und Wirtschaftspolitik. Es kommt nun – wie bereits gesagt – auf die Umsetzung an. Nur wenn die Maßnahmen aus dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz vollständig zurückgeführt werden und wir die Zukunftsthemen gemeinsam angehen, können langfristige, privatwirtschaftliche Investitionen in Zukunft in Deutschland – vor dem Hintergrund des internationalen Standortwettbewerbs – stattfinden.
Pharmastrategie soll Reindustriealisierung vorantreiben
Berlin (pag) – Ein Thema hat in 2023 Karriere gemacht: die hiesige Gesundheitswirtschaft und -forschung. Der Industrie zufolge fällt Deutschland aufgrund bürokratischer Hürden immer weiter zurück. Die Politik hat diese Klagen lange ignoriert, doch die Folgen – nicht zuletzt für die medizinische Versorgung – lassen sich nicht länger ignorieren. Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach präsentiert deshalb eine Pharmastrategie und kündigt eine „Aufholjagd“ an.
Als im Februar vergangenen Jahres der Fortschrittsdialog „Gesunde Industriepolitik“ in Berlin startet, steht das Thema auf der politischen Agenda nicht besonders weit oben. Mehrere Pharmaunternehmen haben daher mit der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) eine deutschlandweite Veranstaltungsreihe initiiert, um die Zusammenhänge zwischen gesunden industriepolitischen Rahmenbedingungen und medizinischer Versorgung darzustellen. Schirmherrin und SPD-Bundestagsabgeordnete Gabriele Katzmarek räumt bei der Auftaktveranstaltung ein, dass die industrielle Gesundheitswirtschaft oft unter den Tisch falle. Bei einer Stärkung des Wirtschaftszweigs solle man sich nicht in Klein-Klein-Debatten verlieren. Es gelte die großen Herausforderungen wie Fachkräftemangel, Digitalisierung und Versorgungssicherheit anzugehen.
Es wackelt
IGBCE-Vorsitzender Michael Vassiliadis sieht die Industriepolitik unter Druck: „Was uns 15, 20 Jahre erfolgreich gemacht hat, wackelt.“ Deutschland habe großes Potenzial für innovative Therapien und gute Versorgung bei Krankheiten, für Wertschöpfung, gute Arbeitsplätze. Für den Gewerkschaftschef ist die Gesundheitswirtschaft nicht Kostenfaktor und Problem, sondern ein Lieferant für Lösungen. Konkrete Zahlen nennt bei dem Termin Dr. Hagen Pfundner, Vorstand der Roche Pharma AG: Die Bruttowertschöpfung der Branche in 2021 beziffert er auf 165 Milliarden Euro. Die Reinvestitionsrate der industriellen Gesundheitswirtschaft betrage 16 Prozent – ein Wert, den kaum ein anderer Industriezweig erreiche. Pfundner zufolge haben die Arzneimittelhersteller „null Interesse“ daran, das Sozialsystem zu überfordern. Auf der anderen Seite führe eine Billig-Mentalität zu Engpässen. Und das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) mache es den Unternehmen schwer, Innovationen zu entwickeln.
Eben dieses Gesetz, das unter anderem die Regeln des AMNOG-Verfahrens verschärft, macht Bundeswirtschaftsminister Dr. Robert Habeck dafür mitverantwortlich, den Dialog mit der Pharmaindustrie zu Beginn verstolpert zu haben. Dieser habe angesichts des GKV-FinStG unter negativen Vorzeichen begonnen, so der Grünen-Politiker im Mai bei einer Veranstaltung des Verbands Forschender Arzneimittelhersteller. Dort präsentiert er sich als Gesundheitswirtschaftsminister und unterstreicht: „Ohne funktionierende Gesundheitswirtschaft wären wir nicht das Land, das wir sind.“
Die fette Ente
Der Minister spricht von einem strategischen Interesse an deutschen und europäischen Standorten, um nicht von Lieferketten und „wildgewordenen Diktatoren“ abhängig zu sein. Deutschland müsse daher dafür sorgen, dass ein großer Teil der strategischen Investitionen hierzulande passieren.
Umso mehr kränkt es Habeck nach eigener Aussage intellektuell, dass heimische Firmen auf einmal im Ausland investieren, „weil wir zu viele Datenschützerinnen und Datenschützer haben“. Der Datenschutz an sich sei nicht das Problem, aber der Umstand, dass es in jedem Bundesland eine eigene Regelung dazu gibt, betont Habeck. Er stellt schlankere und schnellere Verfahren in Aussicht, „denn jetzt wird die Ente fett“.
Das Ziel: Reindustrialisierung
In den folgenden Wochen und Monaten kursieren in Fachkreisen verschiedene Entwürfe einer Pharmastrategie der Bundesregierung. Am 1. Dezember, schließlich stellt Lauterbach die 14-seitige Pharmastrategie 7.0 der Presse vor. Einen Tag zuvor hat im Kanzleramt ein Pharmagipfel stattgefunden. Darüber verliert der Gesundheitsminister zwar keine Worte, aber mit Blick auf den Pharmastandort Deutschland konstatiert er, dass man an Konkurrenzfähigkeit verloren habe. Wie schon bei den Digitalgesetzen bemüht er das Bild einer „Aufholjagd“ und kündigt an: „Die Hausaufgaben müssen gemacht werden.“
Eine zentrale Rolle in der Strategie, die wenige Wochen später vom Kabinett verabschiedet wird, spielt das geplante Medizinforschungsgesetz. Dabei geht es um zweierlei, so Lauterbach: „Dort, wo geforscht wird, findet nachher auch die Produktion statt.“ Das geplante Gesetz soll daher nicht nur die Voraussetzungen für die Forschung, sondern auch für die pharmazeutische Produktion verbessern. Letzteres sei ein energiearmer, aber auch innovationsreicher Bereich, führt der Minister aus, der eine „Reindustrialisierung“ vorantreiben will.
Das Gesetz adressiert als zentrales Problem die langwierigen und teuren Genehmigungsverfahren für klinische Studien/Prüfungen. Bei der Zahl der Studien pro Kopf ist Deutschland zurückgefallen. Hierzulande werde zwar viel Grundlagenforschung betrieben, daraus resultierten aber wenig Patente und noch weniger Produktion, betont Lauterbach. Mit Großbritannien sei man bei der Grundlagenforschung gleichauf, im Königreich gingen daraus jedoch zehnmal mehr Patente und zwanzigmal so viele Produktionsansiedlungen hervor. „Dieses Problem wollen wir ganz konkret angehen.“
Mehr Tempo
Das geplante Medizinforschungsgesetz sieht unter anderem eine koordinierende Rolle des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) für klinische Studien vor. Das BfArM soll künftig die Koordinierung und das Verfahrensmanagement für Zulassungsverfahren und Anträge zu klinischen Prüfungen für alle Arzneimittel, ausgenommen Impfstoffe und Blutprodukte, übernehmen. Das Institut wird zentraler Ansprechpartner für die pharmazeutischen Unternehmen, ist verantwortlich für administrative Prozesse und koordiniert die Verfahren Ethikvotum, Strahlenschutzprüfung, die Schnittstelle zum Forschungsdatenzentrum und weitere Prozesse. Lauterbach erwartet von dieser Reform eine „dramatische Beschleunigung“ der Verfahren. Der seit Ende Januar vorliegende Referentenentwurf sieht außerdem vertrauliche Erstattungsbeträge vor – die Kassen sind davon erwartbar nicht begeistert.
Im Rahmen der Strategie sollen noch weitere Gesetze auf den Weg gebracht werden. Spannend ist in dieser Hinsicht insbesondere das Kapitel sieben der Strategie „GKV-Finanzstabilität; hier: Arzneimittelversorgung“. Dort wird eine erneute Evaluation der AMNOG-Reform, dieses Mal von externer Seite, angekündigt. Auch soll die Finanzierung der GKV künftig ohne weitere Erhöhungen der Herstellerabschläge sichergestellt werden.
Warum Gen- und Zelltherapien das System herausfordern
Berlin (pag) – Zell- und Gentherapien nach der AMNOG-Reform – bremst Deutschland Zukunftstechnologien aus? Diese Frage diskutieren Politiker, Ärzte, Gesundheitsökonomen und Industrievertreter bei einer Veranstaltung des LAWG, einem Zusammenschluss mehrerer Pharmaunternehmen. Dabei kommen verschiedene Probleme beim Umgang mit Innovationen zur Sprache. Dazu zählen eine überbordende Regulatorik bei der Genehmigung klinischer Studien sowie Zuweisungsschwierigkeiten auf ärztlicher Ebene.
Thomas Stranzl, Spezialist für Zell- und Gentherapien bei Gilead Sciences und Mitglied der Geschäftsführung in Deutschland, weist in seiner Begrüßung auf die stetig steigenden Forschungsaktivitäten auf dem Gebiet der Arzneimittel für neuartige Therapien (Advanced Therapy Medicinal Products, kurz ATMP) hin. Diese hätten zu bahnbrechenden Erkenntnissen geführt. „Sie haben nicht nur das Potenzial, die medizinische Praxis zu revolutionieren, sondern können auch erhebliche wissenschaftliche und wirtschaftliche Impulse für den Standort Deutschland geben.“ Dafür, stellt Stranzl klar, bedürfe es angemessener politischer und regulatorischer Rahmenbedingungen. Das AMNOG-Verfahren sei jedoch mit dem GKV-Finanzstabilisierungsgesetz (GKV-FinStG) grundlegend verändert worden.
Dass einige dieser Änderungen nach der Evaluation noch zurückgenommen werden, will Gabriele Katzmarek zumindest nicht ganz ausschließen. In ihrem Grußwort unterstreicht die SPD-Bundestagsabgeordnete nachdrücklich die Bedeutung der industriellen Gesundheitswirtschaft und deren starkes Potenzial an Forschung und Entwicklung. Für Katzmarek handelt es sich um eine der Leitindustrien Deutschlands, die jedoch mehr Aufmerksamkeit und Förderung benötige. „Das ist wichtig für die Menschen, die Arbeitsplätze, für Fortschritt und Zukunft und für den Wirtschaftsstandort Deutschland“, sagt sie.
Aufklärungsarbeit nötig
Nach Einschätzung der Politikerin sind Gen- und Zelltherapien hierzulande noch zu wenig bekannt. Wichtig sei daher mehr Aufklärung, um Vorbehalte abzubauen und Akzeptanz zu gewinnen. Aufklärungsarbeit aus klinischer Perspektive leistet direkt im Anschluss Prof. Marion Subklewe, Oberärztin am LMU Klinikum München, mit ihrem Vortrag zur CAR-T-Zelltherapie. Diese neue Therapieform sei in Europa seit 2018 zugelassen und werde mittlerweile hauptsächlich beim Lymphdrüsenkrebs eingesetzt. Einer Studie zufolge konnten damit fünf von zehn Patienten geheilt werden, berichtet die Leiterin der Arbeitsgruppe für „Translational Cancer Immunology“. Dagegen hätten mit einer herkömmlichen Chemotherapie nur sieben Prozent der Patienten eine langfristige Remission erreicht. Eine weitere wichtige Indikation für die CAR-T-Zelltherapie ist laut Subklewe das Multiple Myelom. Dort sehe man zwar aktuell noch keine Heilung, die neuartige Therapie werde daher erst in der vierten Therapielinie eingesetzt. Für Patienten sei die Behandlung dennoch mit deutlichen Vorteilen verbunden: Anstelle einer dauerhaften Chemobehandlung bekommen sie eine einmalige Therapie. Zwei Wochen später könnten sie das Krankenhaus verlassen. „Das bedeutet für die Betroffenen einen unglaublichen Mehrwert in der Lebensqualität“, sagt die Ärztin.
Vielversprechende Ergebnisse
Mittlerweile, berichtet Subklewe weiter, werde die CAR-T-Zellbehandlung auch außerhalb der Onkologie eingesetzt. Eine weltweite Premiere fand in Erlangen statt, wo 20 Patienten mit schweren Autoimmunerkrankungen damit behandelt wurden. Von Heilung mag sie noch nicht sprechen, aber die Betroffenen sind bereits seit zwei Jahren ohne Krankheitssymptome – für die Medizinerin sind das „unglaublich vielversprechende Ergebnisse“.
Für die Zukunft sagt sie eine immer stärker individualisierte Therapieauswahl für Krebspatienten voraus. „Ich glaube, dass die Zelltherapie die absolute Zukunft ist.“ Von konventionellen Chemotherapien werde man sich zunehmend entfernen, weil die Immuntherapie das Potenzial habe, den Krebs nicht nur wegzudrängen, sondern zu heilen. Neben der Onkologie hält sie den Einsatz bei verschiedenen Krankheiten für möglich und nennt neben Autoimmunerkrankungen auch Infektionen und kardiovaskuläre Erkrankungen. „Wir stehen erst am Anfang.“
Anders als die anderen
Diesen hoffnungsvollen Perspektiven stehen enorme Schwierigkeiten in der Forschung hierzulande gegenüber. Subklewe zufolge sind bei CAR-T-Zellstudien die USA und Kanada führend. Auch China sei sehr aktiv, Europa hinke etwas hinterher. In Deutschland liefen aktuell 19 derartige Studien. Als problematisch nimmt die Klinikerin hierzulande insbesondere die überbordende Regulatorik wahr, mit der man bei Investigator Initiated Trials (IIT) konfrontiert sei. Sie berichtet von Sicherheitsanforderungen, die sich weit jenseits vom Common Sense bewegten und in anderen Ländern absolut unüblich seien. Unüblich seien auch die langen Wartezeiten, die man für eine Antwort der deutschen Behörden einplanen müsse. „Wir sind anders als die anderen Länder“, bringt es die Forscherin etwas resigniert auf den Punkt.
Auch in der Versorgung knirscht es Subklewe zufolge noch. Die Zentren seien immer noch darauf angewiesen, dass die Niedergelassenen die Indikation zur CAR-T-Zelltherapie stellen und ihre Patienten überweisen. Im Raum München klappt das offenbar mit recht unterschiedlichem Erfolg. „Wir haben Praxen, die viel überweisen, und es gibt Praxen, die in den vergangenen vier Jahren keinen einzigen Patienten überwiesen haben.“ Subklewe verlangt daher eine verbindliche Indikations-stellung sowie geordnete Strukturen, damit jeder Patient die bestmögliche Therapie erhält.
Neue Medikamente ausgebremst?
Die Patientenperspektive stellt auf der Veranstaltung Ulla Ohlms dar, die sich begeistert von den Fortschritten der Krebsforschung und -therapie der letzten Jahre zeigt. Positiv erwähnt sie auch Initiativen wie die Dekade gegen Krebs und das Memorandum zur Errichtung eines Zentrums für Gen- und Zelltherapie in Berlin. Anpassungsbedarf sieht die Vorstandsvorsitzende der Patients‘ Tumorbank of Hope (PATH) dagegen beim AMNOG-Verfahren. Es könne nicht sein, dass ein staatliches Regulatorium den Einsatz von neuen Medikamenten „ausbremst“, kritisiert sie mit Blick auf die kürzlich erfolgte Marktrücknahme des Lungenkrebsmedikamentes Capmatinib. „Mich hat der Aufschrei der Lungenkrebspatienten erreicht“, berichtet die ehemalige Brustkrebspatientin. Das Verfahren müsse so modernisiert werden, dass es auch für neuartige Therapien und einarmige Studien passe. Neue Arzneimittel benötigten möglicherweise auch Sprunginnovationen bei den Regularien, gibt die Patientenvertreterin zu bedenken.
„Eher dogmatisch als pragmatisch zu agieren, ist nicht der richtige Weg“, findet auch Stranzl von Gilead. Beim AMNOG hätten sich Flexibilität und Offenheit bewährt, das sollte bei den Gen- und Zelltherapien weitergeführt werden.
Die aktuellen AMNOG-Reformen des GKV-FinStG sieht der Gesundheitsökonom Prof. Jürgen Wasem, Universität Duisburg-Essen, kritisch. Ausdrücklich nennt er die Absenkung der Umsatzschwelle bei den Orphan Drugs von 50 Millionen Euro Jahresumsatz auf 30 Millionen. Auch mit den sogenannten Leitplanken für die Preisverhandlungen hat er Probleme und bringt dafür eine Soll-Regelung ist Spiel.
Wie G-BA und IGWiG „die Kurve bekommen“
Breiten Raum nimmt bei der Diskussion die Frage ein, wie mit einarmigen Studien in der Nutzenbewertung umgegangen werden soll. Wasem spricht sich dagegen aus, Gen- und Zelltherapien einen Freischein auszustellen und bei ihnen grundsätzlich Randomisierte kontrollierte Studien (Randomized controlled Trials, RCT) auszuschließen – das sei nicht sinnvoll, zumal diese Therapien inzwischen auch bei größeren Indikationen auf dem Vormarsch seien. „Dort, wo es ethisch vertretbar und technisch möglich ist, sollte randomisiert werden“, stellt er klar. Die Nicht-Randomisierung könne jedoch in spezifischen Konstellationen sinnvoll sein. Das müsse von G-BA und IQWiG akzeptiert werden.
Dass die beiden Institutionen von allein „die Kurve bekommen“, glaubt der ehemalige Vorsitzende der AMNOG-Schiedsstelle jedoch nicht. Er verweist darauf, dass es in der Verfahrensordnung des G-BA bereits angelegt sei, eine niedrigere Evidenzstufe zu akzeptieren, wenn keine RCT vorliegt. Faktisch werde das jedoch nicht gelebt. Der Gesundheitsminister ist nach Wasems Einschätzung für dieses Problem nicht die richtige Anlaufstelle. Er bringt stattdessen eine politische Positionierung des Parlaments in Bezug auf die Arzneimittel-Nutzenbewertungsverordnung ins Spiel. Dem widerspricht allerdings Michael Hennrich, ehemaliger Bundestagsabgeordnete und mittlerweile Geschäftsführer Politik beim Bundesverband der Arzneimittel-Hersteller. Die Verordnung sei Sache des Ministers, das könnte schwierig werden, urteilt er.
Nach Auffassung des Bundestagsabgeordneten Hubert Hüppe kann die Politik nur die Rahmenbedingungen festlegen. Das konstatiert der CDU-Politiker sowohl mit Blick auf Nutzenbewertung als auch auf die behördlichen Genehmigungsverfahren von klinischen Studien. „Wir können nicht den letzten Beamten überzeugen.“ Andernfalls werde zu viel Bürokratie erzeugt, argumentiert Hüppe. Ein Anliegen ist es ihm auch – angesichts der in den USA üppiger fließenden Forschungsgeldern – festzuhalten, dass dort nur ein kleiner Teil der Patienten Zugang zu den neu entwickelten Therapien erhalte. Anders in Deutschland. Dieses System gilt es zu halten, appelliert er.
ATMP – Zulassungen und Jahrestherapiekosten In seinem Vortrag stellt Dr. Norbert Gerbsch von IGES Institut die Zulassungsdynamik der ATMP in Europa dar. Ab 2016 sei eine deutliche Zunahme der Gentherapeutika zu verzeichnen. Derzeit gebe es 25 ATMP-Zulassungen, wovon sieben zurückgenommen worden seien. Unter den verbliebenen 18 befänden sich 15 Orphan Drugs. Gerbsch hebt hervor, dass es sich um Therapien handele, die häufig nur einmal verabreicht werden. Sie hätten das Potenzial, eine Dauermedikation zu ersetzen. Bei Arzneimitteln sei man bislang daran gewöhnt, auf die Jahrestherapiekosten zu schauen. Bei den ATMPs gelte es jedoch, genau die Einzelfallkonstellation zu berücksichtigen, appelliert Gerbsch. Wasem zufolge wird das Problem der Bepreisung von Einmaltherapien konzeptionell derzeit dadurch gelöst, dass die Jahrestherapiekosten der Vergleichstherapie über mehrere Jahre zugrunde gelegt werden. „Das bewirkt aber eine ganz starke Abhängigkeit von den erzielbaren Preisen des Komperators“, führt der Gesundheitsökonom aus. Werde die neue Therapie in einer Indikation mit einem billigen Versorgungsstandard gelauncht, komme man mit diesem Konzept nicht zurecht.
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Für Hedy Kerek-Bodden sind Patienten wichtige Forschungspartner
Berlin (pag) – Einen Kulturwandel hin zu Patienten als Forschungspartnern verlangt Hedy Kerek-Bodden. Die Vorstandsvorsitzende des Hauses der Krebs-Selbsthilfe Bundesverband mahnt insbesondere die Patientenbeteiligung in der Entwicklung klinischer Studien an. Diese werden dadurch relevanter und patientenzentrierter.
Wie kann medizinische Forschung durch die Beteiligung von Patientinnen und Patienten verbessert werden?
Kerek-Bodden: Patienten müssen auf Forschung, die sie betrifft, Einfluss haben, gemäß dem Leitbild „Nichts über uns ohne uns!“. Egal, wie kompliziert Wissenschaft auch sein mag: Betroffene bieten immer eine einzigartige Sicht auf das jeweilige Thema. Durch die Erfahrung mit ihrer Erkrankung wissen Krebspatienten am besten, was für sie wirklich wichtig ist und wie ihre Hauptziele, die qualitätsgesicherte Versorgung und die Lebensqualität zu verbessern, erreicht werden können.
Auf welchen Ebenen der Forschungsbeteiligung von Betroffenen sehen Sie hierzulande den größten Nachholbedarf?
Kerek-Bodden: Wir brauchen in Deutschland dringend einen Kulturwandel hin zu „Patienten als Forschungspartner“. Und dies zunächst bei der Patientenbeteiligung in der Entwicklung klinischer Studien. Die frühe Einbeziehung Betroffener mit ihrer einzigartigen Expertise ermöglicht die bessere Berücksichtigung von Patientenprioritäten und -erfahrungen, was zu relevanteren und patientenzentrierten Studien führt. Dies wiederrum wird bessere Studienergebnisse und Behandlungsmöglichkeiten für unsere Patienten bringen.
Wie bewerten Sie die momentane Situation?
Kerek-Bodden: Obwohl mittlerweile immer mehr Patienten in klinischen Studien beteiligt sind, gibt es noch viel Luft nach oben. In der Onkologie liegt die Quote bei circa acht Prozent. Daher ist eine der wichtigsten Zukunftsaufgaben für und mit der Krebs-Selbsthilfe die Aus- und Weiterbildung von Patientenvertretern, um eine flächendeckende Patientenbeteiligung in der Forschung konsequent zu verwirklichen. Das Haus der Krebs-Selbsthilfe Bundesverband arbeitet seit 2021 gemeinsam mit dem Zentrum für Kompetenzentwicklung in der Krebs-Selbsthilfe der Uni Freiburg an der Entwicklung und Erprobung von digitalen Schulungs- und Fortbildungsangeboten. Des weiteren unterstützen wir die nationale Patienten-Experten-Akademie für Tumorerkrankungen (PEAK), die Patientenvertretende mit ihrem Kursangebot darauf vorbereitet, ihre gelebten Erfahrungen und ihre Expertise in das deutsche Gesundheitssystem einzubringen.
Welche konkreten Forschungsprojekte mit Patientenbeteiligung haben für Sie hierzulande Vorbildcharakter?
Kerek-Bodden: Im isPO-Projekt, einem Modellprojekt für die sektorenübergreifende Psychoonkologie in Deutschland, waren über das Haus der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband Patientenvertretende in allen Projektphasen integriert und in den Forschungsprozess eingebunden, um neue Untersuchungs- und Betreuungsformen für an Krebs erkrankte Menschen zu entwickeln.
Gibt es weitere?
Kerek-Bodden: Aktuell ist die Initiative zum Aufbau einer bundesweiten Plattform zur „Medizinischen Genomsequenzierung“ (genomDE) ein Leuchtturmprojekt, eine bundesweite Exzellenz-Initiative mit führenden Forschungsinfrastrukturen der Genommedizin. In genomDE arbeiten einschlägige medizinische Netzwerke, Fachgesellschaften mit Patientenvertretungen von Anfang an zusammen mit dem Ziel, die Nutzung genomischer Information zum innovativen Bestandteil der Regelversorgung in Deutschland zu machen.
Zur Person
Hedy Kerek-Bodden ist Vorsitzende des Hauses der Krebs-Selbsthilfe – Bundesverband. Zu den zehn bundesweit organisierten Selbsthilfeverbänden, die im Haus der Krebs-Selbsthilfe vereint sind, gehört auch die Frauenselbsthilfe Krebs. In diesem Verein engagiert sich Hedy Kerek-Bodden bereits seit 2013 und ist aktuell dessen Vorstandsvorsitzende. Im Strategiekreis der Nationalen Dekade gegen Krebs beleuchtet sie den Blickwinkel der Betroffenen und setzt sich für die Interessen der Patientinnen und Patienten ein.
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Dr. Sarah Weschke sagt, wie das geht und wo es hakt
Dr. Sarah Weschke bildet Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dazu fort, wie sie Patienten an ihrer Forschung beteiligen können. Im Interview berichtet sie von Hürden und Vorbehalten. Ein Problem: Sowohl Forschende als auch Patientenorganisationen seien noch ungenügend über das Thema informiert.
Welche Hürden erschweren derzeit eine stärkere Beteiligung von Patientinnen und Patienten an der Forschung?
Weschke: Auch wenn es in den letzten Jahren wichtige Entwicklungen in Richtung mehr Beteiligung gab, ist dieser Ansatz in Deutschland noch nicht selbstverständlich und in den meisten Einrichtungen der Gesundheitsforschung fehlt es an ausreichenden Strukturen und Ressourcen für die Unterstützung von Beteiligungsaktivitäten. Auch sind Forschende – aber auch Patientenorganisationen – häufig noch nicht genügend über das Thema informiert: Viele wissen nicht, was unter aktiver Beteiligung verstanden wird und wie man diese so umsetzen kann, dass sie einen Mehrwert bestenfalls für alle Beteiligten und die Forschung bietet. Teilweise wird sogar noch angenommen, die bloße Teilnahme an einer Studie oder Befragung sei schon „aktive“ Beteiligung, oder wenn eine Patientenorganisation bei der Rekrutierung für eine Studie hilft, ohne darüber hinaus eine aktive Rolle oder ein Mitspracherecht im Forschungsprozess zu haben.
Welche Vorbehalte bestehen seitens der Wissenschaftler aber auch seitens Patienten, wenn es um eine Einbeziehung von Betroffenen in die Forschung geht?
Weschke: Weil Beteiligungsprozesse insbesondere zu Beginn mehr Zeit und Ressourcen kosten, kann es Vorbehalte von Forschenden geben: Sie werden gewöhnlich aufgrund ihrer Publikationen und Mitteleinwerbungen bewertet. Somit kann sich Beteiligung sogar negativ auswirken, selbst wenn sie das Potenzial hat, die Forschung zu verbessern, die Relevanz für Betroffene zu erhöhen und damit die Translation in die Praxis zu fördern. Auch aufgrund fehlender Informationen zum Thema kommt es vor, dass Forschende eine Patientenorganisation kurz vor einer Einreichungsfrist kontaktieren und um ein Unterstützungsschreiben für einen Antrag bitten. Wenn dann keine weitergehende Einbindung erfolgt, führt das zu Enttäuschung bei den Organisationen, die vielleicht bei der nächsten Anfrage weniger motiviert sind, sich einzubringen. Weiterbildungsangebote für Forschende, aber auch für interessierte Patientinnen und Patienten können dabei helfen, Vorbehalte abzubauen und die jeweiligen Perspektiven, Wünsche und Erwartungen kennenzulernen und zu verstehen.
Wie kann mehr Patientenbeteiligung an der Forschung hierzulande realisiert werden? Und was können wir in dieser Hinsicht von anderen Ländern lernen?
Weschke: Neben der Integration in Förderausschreibungen ist es wichtig, dass sich Forschungsinstitutionen zu mehr Beteiligung bekennen, entsprechende Unterstützungsstrukturen schaffen und hierfür Ressourcen und Personal bereitstellen. Erfreulicherweise hat das Forum Gesundheitsforschung vor einigen Monaten eine Erklärung zur Patientenbeteiligung veröffentlicht, in der die Mitglieder konkrete Schritte zur Institutionalisierung von Beteiligung benennen. Außerdem sollte sich die Patientenbeteiligung positiv auf die Bewertung von Forschenden-Karrieren auswirken. Sonst könnte sie als zusätzliche Bürde empfunden werden, die nur umgesetzt wird, weil Mittelgeber das plötzlich verlangen. Hier hilft ein Blick nach Großbritannien, wo mitunter diskutiert wird, inwiefern aktive Beteiligung eher als „tick box exercise“ umgesetzt oder so gestaltet wird, dass sie sich leicht quantifizieren lässt. Bedauerlicherweise kann das dazu führen, dass die Anzahl von Workshops wichtiger wird als deren Themen oder der Einfluss von Patientinnen und Patienten auf den Forschungsprozess. Von diesen Erfahrungen können wir tatsächlich lernen und bereits zu Beginn Begleitforschung zu dem Thema etablieren, zum Beispiel zur Entwicklung von Qualitätskriterien und zur Messung von Wirkungen, die auch qualitative Aspekte berücksichtigen.
Zur Person
Dr. Sarah Weschke leitet bei QUEST das Projektteam Patient & Stakeholder Engagement (PSE). Das QUEST Center for Responsible Research ist am Berlin Institute of Health in der Charité angesiedelt. Die Diplom-Psychologin arbeitete vorher als wissenschaftliche Mitarbeiterin und Koordinatorin an der Universität Rostock am interdisziplinären Department „Altern des Individuums und der Gesellschaft“; Deutsches Zentrum für Neurodegenerative Erkrankungen (DZNE). Zusammen mit Antje Schütt und Eva Müller Fries hat sie folgende Publikation verfasst: „Aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Gesundheitsforschung – eine Heranführung für (klinisch) Forschende“.
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In Deutschland zeichnet sich allmählich ein Kulturwandel ab
Berlin (pag) – Patientenbeteiligung ist in Versorgungsgremien wie dem Gemeinsamen Bundesausschuss mittlerweile eine Selbstverständlichkeit. Anders sieht es in der Forschung aus, wo sich erst allmählich Kooperationen mit Betroffenen etablieren. Welche Hürden dafür überwunden werden müssen.
Für erstaunlich wenig öffentlichen Widerhall sorgt im März eine Erklärung des Forums Gesundheitsforschung. Dabei hat es diese in sich. Das Forum, ein hochrangiges Beratungsgremium des Bundesforschungsministeriums im Bereich der Lebensforschung, proklamiert in dem Dokument, dass es „sinnvoll und notwendig“ sei, die aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten als Partner in der patientenorientierten Gesundheitsforschung „als Standard“ zu etablieren. Eine für alle Seiten gewinnbringende Patientenbeteiligung erfordere einen Kulturwandel bei allen Akteuren und strukturelle Änderungen auf vielen Ebenen, heißt es weiter.
Wandelndes Bewusstsein
Die Erklärung ist ein wichtiges Signal, Patienten nicht länger lediglich als „Rohstofflieferant“ für Studien zu sehen, sondern sie als Partner anzuerkennen, die neue Perspektiven auf den Forschungsgegenstand eröffnen. Dr. Sarah Weschke vom QUEST Center des Berlin Institute of Health liest an der neunseitigen Erklärung sogar einen Bewusstseinswandel ab. „Vor einigen Jahren wäre eine solche Erklärung noch undenkbar gewesen“, glaubt die Leiterin des Teams Patient & Stakeholder Engagement. Im internationalen Vergleich und vor allem im Unterschied zum englischsprachigen Raum, wo sich die Forschungsbeteiligung von Patienten bereits seit Längerem etabliert hat, besteht in Deutschland noch viel Nachholbedarf. Allerdings gibt es auch hierzulande einige Leuchtturmprojekte wie den Patientenbeirat Krebsforschung des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ). Das 13-köpfige Gremium unterstützt den Stiftungsvorstand und die Wissenschaftler des DKFZ dabei, mit ihren Erfahrungen die Erwartungen der Patienten besser und umfassender zu verstehen und macht auf unvorhergesehene Risiken, Hindernisse und Folgen bei der Umsetzung von Forschungsvorhaben aufmerksam.
Kein Selbstläufer
Weitere Good-Practice-Beispiele hat das Forum Gesundheitsforschung in einer Auflistung zusammengestellt. Die immerhin 17 Seiten umfassende Übersicht kann allerdings nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine ernstgemeinte Integration von Patientenvertretern in Forschungsprojekte kein Selbstläufer ist. „Die Forschenden benötigten Flexibilität, Geduld und Ergebnisoffenheit, denn die Einbeziehung von Betroffenen kann den gesamten Forschungsprozess umkrempeln“, weiß Weschke. Sie bildet seit einigen Jahren Forscherinnen und Forscher – unter anderem von Universitätskliniken – zu diesem Thema fort. Außerdem hat sie die Publikation „Aktive Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Gesundheitsforschung“ (siehe Grafik unten) mitverfasst, die im Mai erschienen ist.
Das Heft gibt einen Überblick zu verschiedenen Beteiligungskonzepten wie Partizipative Gesundheitsforschung und Citizen Science. Zur bekanntesten Form der aktiven Beteiligung von Patientinnen und Patienten in der Gesundheitsforschung gehört demnach das aus Großbritannien stammende Format Patient and Public Involvement beziehungsweise Patient Engagement. In Deutschland habe sich bislang weder ein einheitlicher Begriff noch eine konsentierte Definition etabliert, konstatieren die Autorinnen. Als Minimaldefinition sprechen sie von einem Mitspracherecht von Patientinnen und Patienten, ihren Angehörigen oder Vertretungen in mindestens einer Phase eines Forschungsprozesses. Das bedeutet: „Sie sind aktiv an der Planung, Durchführung, Auswertung, Interpretation und/oder der Dissemination eines Forschungsprojekts beteiligt. Denn nur wenn der Input von Patientinnen und Patienten auch einen Einfluss auf den Verlauf eines Forschungsprozesses hat, kann von wirklicher Beteiligung gesprochen werden“, heißt es in der Publikation. Diese versteht sich als „Heranführung“ für klinisch Forschende an das Thema, von einem Leitfaden mag QUEST-Mitarbeiterin Weschke ausdrücklich nicht sprechen. Zwar wünschten sich viele Forschende Checklisten und ähnliches, aber einen „One fits it all“-Ansatz gebe es aufgrund der Heterogenität sowohl von Beteiligungsformen als auch von Forschungsvorhaben nicht.
Patienten als Forschungspartner
Eine seriöse Kooperation erfordert nicht nur Fortbildungen für Forschende, sondern auch für Patienten. „Damit Patientenvertreter zu ‚Forschungspartnern‘ werden können – ist es für sie wichtig zu lernen, wie Forschung funktioniert und welche ‚Fachsprache‘ Mediziner und Forscher verwenden“, bringt die Patienten Experten-Akademie für Tumorerkrankungen (PEAK) den Schulungsbedarf auf den Punkt. PEAK organsiert regelmäßig Seminare und Workshops, im September beschäftigt sich eine Veranstaltung beispielsweise mit Forschungsethik in der Medizin. Schulungen für Betroffene bietet außerdem die europäische Patientenakademie EUPATi sowie das Zentrum für Kompetenzentwicklung in der Krebs-Selbsthilfe an. Letzteres ist bei der Stiftungsprofessur Selbsthilfeforschung am Universitätsklinikum Freiburg angesiedelt.
Viel Aufwand ist das alles, es ist jedoch allgemeiner Konsens, dass diese Investitionen sich für die Forschung auszahlen. Die Mitglieder des Forums Gesundheitsforschung sind etwa davon überzeugt, dass eine frühe und aktive Beteiligung die Qualität der Forschung steigern, Forschungsfragen relevanter machen, den Transfer der Ergebnisse in der Praxis unterstützen, Patienteninteressen stärken und Akzeptanz von Forschung in der Gesellschaft erhöhen könnte.
Ähnlich wird es bei der Dekade gegen Krebs formuliert. Die 2019 gegründete und vom Bundesforschungsministerium unterstützte Initiative hat sich die Patientenbeteiligung groß auf die Fahnen geschrieben. Die Forschenden lernten dadurch eine andere Sichtweise auf ihr Forschungsfeld kennen und erhielten wertvolle Einblicke in die „Bedürfnisse, Sorgen und Nöte von denjenigen, zu deren Wohl sie forschen“. Aus Befragungen sei bekannt, dass Patientinnen und Patienten manchmal andere Dinge wichtig sind als den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern.
Lebensqualität im Fokus
Die Einschätzung, dass Patienten mitunter andere Prioritäten setzen, teilt Bernd Crusius ausdrücklich. Den Betroffenen liege vor allem die Lebensqualität und die Verbesserung der Versorgung am Herzen, so der Geschäftsführer des Hauses der Krebs-Selbsthilfe in Bonn. Ebenso wie Weschke bemerkt auch er ein allmähliches Umdenken. Die zunehmende Bereitschaft, Patienten in Forschungsprozesse einzubinden, macht er unter anderem an den stetig steigenden Kooperationsanfragen an das Haus der Krebs-Selbsthilfe fest. Derzeit ist die gesamte Organisation in 260 Aktivitäten der Patientenbeteiligung involviert. Patienten müssen auf Forschung, die sie betrifft, Einfluss haben, gemäß dem Leitbild „Nichts über uns ohne uns!“, betont Crusius.
Auch die Art der Beteiligung hat sich weiterentwickelt. Noch im letzten Jahr sind „Last Minute“-Anfragen keine Seltenheit gewesen: Forschende baten am Tag vor der Abgabe ihres Antrages in einem hektischen Telefonat um einen Letter of Intent der Selbsthilfe. Eine Aufwandsentschädigung für die Betroffenen war in diesen Anträgen fast nie enthalten. Solche Anfragen erlebt Crusius mittlerweile kaum noch. Verbesserungspotenzial sieht er aktuell insbesondere bei der frühzeitigeren Einbindung der Betroffenen. Ideal wäre es, wenn die Patientenvertreter bereits beim Studiendesign involviert werden, etwa wenn es um die Auswahl geeigneter Endpunkte geht und nicht erst „am Ende der Kette“, sagt er. Crusius stört auch, dass es in Deutschland noch immer keine einheitlich geregelte finanzielle Kompensation für die Patientenbeteiligung an Forschungsprojekten gibt, wie es in anderen Ländern schon gute Praxis ist. Diese Defizite dürften in die Kategorie Kulturwandel und strukturelle Änderungen fallen, die das Forum Gesundheitsforschung in seiner Erklärung so nachdrücklich eingefordert hat.
Kategorisierung von Patientinnen und Patienten nach Art ihrer Expertise