Berlin (pag) – Das Spitzenforum Medizin am letzten Tag des Hauptstadtkongresses bietet spannende Einblicke: Dr. Thomas Kaiser, Leiter des Instituts für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG), kündigt neue Schwerpunkte der Institutsarbeit an. Und Prof. Nisar Peter Malek vom Universitätsklinikum Tübingen prognostiziert eine Revolution bei klinischen Studien.
Malek stellt in seinem Vortrag die These auf, dass man in den nächsten Jahren eine „Revolution bei der Durchführung klinischer Studien“ sehen werde. Seine Prognose: „Wir werden uns nicht mehr in dem Umfang auf randomisierte Phase-III-Studien stützen.“ Gerade in der Personalisierten Medizin mit ihren kleinen Patientengruppen würden Register eine größere Rolle spielen. Sie könnten genutzt werden, um die Innovationskraft eines neuen Medikamentes mit den gesammelten Daten zu vergleichen. Außerdem sieht der Ärztliche Direktor der Klinik Innere Medizin I am Uniklinikum Tübingen die Register als Möglichkeit, um eine „Reserve Translation“ zu machen. Das bedeutet: „Wir wissen zum Beispiel aus der Off-Label-Behandlung von Patienten mit bestimmten Tumorerkrankungen, dass hier ein Ansprechen, also ein Nutzen, erzeugt wird. Daraus können wir wiederum Rückschlüsse für die Initiierung neuer Studienkonzepte ziehen“, erläutert er.
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Selbst machen statt kritisieren
Eine Revolution beim IQWiG kündigt Dr. Thomas Kaiser zwar nicht an, eine spannende Neuausrichtung aber allemal. Es müsse sich ein wichtiger Bestandteil der Arbeit verändern: „nämlich Forschung bezüglich Evidenzgenerierung selbst zu unterstützen und zu verstärken“. Das habe die Community der evidenzbasierten Medizin bisher mehr oder weniger ausgeblendet, räumt Kaiser ein. Zur Evidenzgenerierung wolle man durch eigene wissenschaftliche Forschung und die Teilnahme an europäischen Verbundprojekten beitragen. „Das wird eine Veränderung in der wissenschaftlichen Arbeit des IQWiG sein“, kündigt Kaiser an.
Beim Spitzenforum macht er sich grundsätzlich für die Etablierung einer Forschungsinfrastruktur hierzulande stark. Dabei geht es um qualitativ hochwertige, stehende Dateninfrastrukturen – „das können universitäre Netzwerke sein, das können Verknüpfungen mit anderen Daten sein, das können Register sein und das können auch andere Datenstrukturen sein“. Für Kaiser gehört dazu auch, das „Silodenken klinischer Studien“ hinter sich zu lassen, sprich nicht für jede klinische Studie eine neue Datenstruktur aufzubauen, die dann wieder beendet wird, sobald die Studie abgeschlossen ist.
Was ist mit den Bewertungen?
Bleibt die Frage, ob auch bei den Bewertungen des Instituts die Zeichen auf Wandel stehen. Kaiser zufolge schaue man sich neue Entwicklungen wie synthetische Studienarme offen an. Noch wisse man nicht, ob diese ausreichend sichere Ergebnisse für einen Vergleich lieferten. „Wenn das so sein sollte, dann ist das eine gute Idee, weil das forschungsökomisch zu mehr Forschung mit gleichem Aufwand führen kann.“ Allerdings müsse dieser Nachweis noch geführt werden. Kaisers Argumentation: „Nur weil man es kann, ist es noch nicht gut. Weil man es kann, kann man es untersuchen und beforschen. Wenn es dann gut ist, dann sollte man es anwenden.“ Insgesamt schließt er nicht aus, dass sich auch die Arbeit des IQWiG in puncto Bewertungen verändern wird.