Klimaschutz „in all health policies”

Berlin (pag) – Klimaschutz rückt auf der gesundheitspolitischen Agenda immer weiter nach oben. Vorläufiger Höhepunkt ist der „Klimapakt Gesundheit“, den das Bundesgesundheitsministerium (BMG) zusammen mit diversen Organisationen im Dezember beschließt.

Für die Charité ist Umweltschutz ein zentrales Thema. Ziel ist es, die Klinik zur einer nachhaltig orientierten Universitätsmedizin zu entwickeln. © iStockphoto.com, FlyHigh Stock UG

Im Klimapakt verpflichten sich die Partner, bereits bestehende Initiativen und Aktivitäten zu bündeln und den Herausforderungen bei der Klimaanpassung und beim Klimaschutz aktiv zu begegnen. Unterzeichner sind neben dem BMG unter anderem die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG), der GKV-Spitzenverband, die Bundesärztekammer oder die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände. Angegangen werden sollen unter anderem Energieeinsparungen, energetische Sanierung, Abfallvermeidung, nachhaltige Beschaffung, Nutzung erneuerbarer Energien und ein effizienter Ressourceneinsatz.

Vieles davon erfüllt das Universitätsklinikum Jena (UKJ) bereits. Dort leitet Dr. Marc Hoffmann die Stabsstelle Umweltschutz. Am UKJ existierten Projekt- und Arbeitsgruppen zu Themen wie Energie und Nachhaltigkeit, berichtet er auf der Veranstaltung „Klimaschutz im Krankenhaus“ der DKG. Für Geschäftspartner und Lieferanten gälten Beschaffungsgrundsätze, legt er dar. Das Klinikum habe es durch sein Energiemanagement geschafft, die CO2-Emissionen von rund 18.600 Tonnen in 2016 auf 12.100 in 2020 zu reduzieren.

Kliniken fordern mehr Geld für Klimaschutz

Das UKJ ist nicht allein. Einer Studie des Deutschen Krankenhausinstituts zufolge steht der Klimaschutz ganz oben auf der Agenda vieler Krankenhäuser. 71 Prozent der befragten Kliniken sähen dafür die Notwendigkeit. 38 Prozent hätten bereits Leitlinien und Zielvorgaben zur Energieeinsparung und Nachhaltigkeit etabliert, 30 Prozent beschäftigten Klimamanager. Um noch mehr machen zu können, brauchen die Kliniken aber zusätzliches Geld, meint DKG-Vorstandsvorsitzender Dr. Gerald Gaß auf der Klimaschutz-Veranstaltung. Er verlangt von der Bundesregierung, aus dem Sondervermögen zur Klimaneutralität in Deutschland ein Green-Hospital-Investitionsprogramm aufzulegen. Der DKG schwebt ein zweistelliger Milliardenbetrag vor. Bisher hätten die Kliniken den Klimaschutz nicht adäquat verfolgen können, meint Gaß. Denn in der Vergangenheit sind die Länder ihren Investitionsverpflichtungen nicht ausreichend nachgekommen.

Und müssen die Beschäftigten im Gesundheitswesen diesen Aspekt auch mitdenken? Prof. Sebastian Schellong, Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin, hat dazu ein ambivalentes Verhältnis, wie auf der DKG-Veranstaltung deutlich wird. Bei Prävention und Gesundheitsförderung sei in Patientengesprächen Klimaschutz relevant – zum Beispiel, wenn es um Ernährung und Bewegung gehe. Er betont aber, dass die primäre Aufgabe der Gesundheitsberufe die „Dienstleistung am Patienten“ sei. Und diese Aufgabe fordere die Mitarbeiter in Kliniken bereits enorm – angesichts von Personalmangel und Bewältigung der Corona-Krise. Schellong: „Unsere Problemlage ist derzeit die allgemeine Erschöpfung.“

 

Weiterführender Link:

Die gemeinsame Erklärung zum Klimapakt Gesundheit
www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/3_Downloads/G/Gesundheit/Erklaerung_Klimapakt_Gesundheit_A4_barrierefrei.pdf

Appell: Umweltfreundlichere Diagnostik und Therapie

Berlin (pag) – Der Medizinsektor hat in Deutschland und weltweit einen hohen Anteil am Klimawandel. Mit einfachen niederschwelligen Maßnahmen wäre es möglich, wesentliche Bereiche in Klinik und Praxis klimafreundlich umzustellen. Dazu bräuchte es den Willen zum Umdenken – auf allen Ebenen, konstatiert die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (DGGG).

Abgesehen von nationalen und internationalen Klimaschutzrichtlinien gebe es lokal viele Möglichkeiten, in einem Klinikum oder einer Praxis selbst aktiv zu werden. Es sei essenziell, dass „gemeinsam kreativ und niederschwellig gedacht wird“, sagt Prof. Annette Hanseburg, Universitätsmedizin Mainz. Auch ohne unmittelbare große finanzielle Investitionen könnten Sofortmaßnahmen für einen aktiven Klimaschutz ergriffen werden – vorausgesetzt, die Klinikleitung ziehe mit. 
Die Fachgesellschaft nennt unter anderem: ein konsequentes Recycling-Konzept; Austausch klimabelastender Narkosegase; Aufnahme des Ziels Klimaneutralität in die Unternehmensziele; jährliche Bestimmung des CO2-Fußabdrucks zur Erfolgskontrolle; papierloses Krankenhaus; Reduktion von Einmalartikeln.


Klimabelastende Narkosegase

Der effizienten Koordination von Maßnahmen zwischen Ärzten kommt eine wesentliche Rolle beim gelebten Klimaschutz zu, betont Jun.-Prof. Martin Weiss, Universität Tübingen. Unnötig wiederholte Tests und überflüssiger ressourcenraubender Medikamentenverbrauch könnten vermieden werden. Das Gleiche gelte für klimabelastende halogenierte Narkosegase wie Stickstoffoxid und Desfluran, die unter Umständen durch intravenöse Betäubungsmittel ersetzt werden können. Letztere verursachten nur einen Bruchteil an Emissionen.
Die Fachgesellschaft unterstützt den Vorschlag des Gesundheitsökonomen Prof. Boris Augurzky, einen Krankenhaus-Klimafonds einzuführen, der von Bund und Ländern gefüllt wird. „Aus unserer Sicht haben Krankenhäuser in Deutschland – ob kommunal oder privatwirtschaftlich geführt – flächendeckend nicht die Kraft, um im ausreichenden Maße in Klimaschutz zu investieren“, argumentiert DGGG-Präsident Prof. Anton Scharl.

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