Kulturwandel in der Geburtshilfe gefordert


Berlin (pag) – Das neu gegründete „Bündnis gute Geburt“ fordert konkrete Verbesserungen und einen grundlegenden Kulturwandel in der Geburtshilfe, der Mutter und Kind ins Zentrum rückt.

Zu den fünf Gründungsorganisationen gehören: Arbeitskreis Frauengesundheit, Mother Hood, Deutscher Hebammenverband, Deutscher Frauenrat sowie Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen.
Das Bündnis kritisiert die „anhaltenden Missstände in der Versorgung von Frauen und Familien rund um die Geburt und in den ersten Lebenswochen des Säuglings“. Viele Gebärende durchlebten psychisch belastende oder traumatische Geburten, die Frauen, Kinder und Familien prägen. Ebenso wirkten sich massive strukturelle Defizite und eine mangelhafte Personalausstattung negativ auf die Arbeit von Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzten aus, die auch die Versorgung von Frau und Kind beeinträchtigen.

© istockphoto.com, SanyaSM

Mehr Geld für Geburtshilfe

Das „Bündnis gute Geburt“ appelliert an alle Verantwortlichen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um schnellstmöglich Verbesserungen in der Versorgung herbeizuführen. Ziel müsse sein, werdende Mütter und Familien in den Mittelpunkt der Geburtshilfe zu rücken, sie wertzuschätzen und rund um die Geburt angemessen zu unterstützen. Entsprechende Strukturen und Angebote seien in Praxen, Kreißsälen, auf Wöchnerinnenstationen und während des Wochenbetts zu schaffen. 
Unterdessen konstatiert die von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach einberufene Krankenhauskommission in ihrer ersten Stellungnahme, dass der Abbau von Abteilungen gepaart mit steigenden Fallzahlen in Pädiatrie und Geburtshilfe zu Unterversorgung führe. Um kurzfristig den Druck rauszunehmen, sollen die Fachbereiche schon Anfang 2023 mehr Geld erhalten.


Gewalt unter der Geburt


Erst kürzlich hat der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft (AKF) einen Bericht mit dem Titel „Gewalt unter der Geburt – wie werden Betroffene und die Öffentlichkeit dazu sinnvoll informiert?“ veröffentlicht. Erstellt wurde dieser im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Der Bericht basiert auf den Gutachten von Professoren der Gesundheits- und Hebammenwissenschaften, einer Expertin für Migrationsgesundheit, einer Medizinjournalistin und Vertreterinnen von Betroffeneninitiativen. Sie erörtern ausführlich die Möglichkeiten und Wege einer sinnvollen Information zu Gewalt unter der Geburt. Die unterschiedlichen und weit gefächerten Empfehlungen der Gutachterinnen zeigen, dass in Deutschland strukturierte und planvolle Maßnahmen zur Aufklärung über respektlose und traumatisierende Geburten ergriffen werden sollten, hält der AKF fest. Die Gutachten samt den Empfehlungen des Arbeitskreises hält letzterer für einen „ersten hoffnungsvollen Schritt“, um das Thema gesundheitspolitisch in den Fokus zu rücken und endlich konkrete Maßnahmen zur Sensibilisierung und Beseitigung von Respektlosigkeit und Gewalt unter der Geburt zu ergreifen.

NIPT – Update und Frustrationen

Berlin (pag) – Für die nicht-invasive Trisomie-Pränataldiagnostik (NIPT-Trisomie) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) kürzlich die letzte Hürde aus dem Weg geräumt. Der Ärger über den Bundestag ist in dem Gremium immer noch groß.

© iDepositphotos, Vadim Zholobov

„Irgendwann wird das Parlament Farbe bekennen müssen“, sagt der Unparteiische Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken, auf einer öffentlichen Sitzung. Trotz der Bitte des G-BA an den Bundestag, über die Zulässigkeit pränataler Bluttests zu entscheiden, habe dieser zwar im April 2019 darüber eine Grundsatzdebatte geführt, sich bis heute aber nicht eindeutig zu den ethisch umstrittenen Diagnostikmethoden positioniert, kritisiert Hecken.

„Ethisch nicht vertretbares Massenscreening“

Er betont, dass der G-BA im September 2019 nicht leichtfertig den Beschluss gefasst habe, die NIPT-Trisomie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzunehmen. Die Beweggründe stellt Hecken noch einmal dar: Zum einen gehörten seit 1975 die invasiven, mit Fehlgeburts-Risiko behafteten Verfahren wie Fruchtwasseruntersuchung und Plazenta-Biopsie zum GKV-Leistungskatalog. Zum anderen sei der nichtinvasive Bluttest, der keine Fehlgeburten auslöse, seit 2012 zugelassen. Er stehe „in der Versorgung zur Verfügung auf eigene Kosten“, so Hecken. „Frauen, die es sich leisten können, zahlen den Test selbst, während die, die nicht die finanziellen Mittel haben, sich und das Kind den Risiken aussetzen müssen bei den invasiven Methoden.“

Damit die NIPT-Trisomie Kassenleistung werden kann, hat der G-BA einer Versicherteninformation zu dem Thema zugestimmt, die von den Ärzten bei der Aufklärung und Beratung mit eingesetzt werden muss. Als ethisch nicht vertretbares Massenscreening sei die NIPT-Trisomie nicht gedacht, betont Hecken. Sie dürfe als Kassenleistung nur in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung durchgeführt werden. Allein eine statistisch erhöhte Wahrscheinlichkeit für Trisomie reiche nicht aus

Abgelehnt hat der G-BA im Übrigen einen Antrag der Patientenvertreter, Schwangeren zusätzlich zu den spezifischen NIPT-Trisomie-Aufklärungsbögen auch noch generelle Informationen zu anderen Möglichkeiten genetischer Pränataltests auszuhändigen. Diese seien zwar „supergut“, so Josef Hecken. Sie verunsicherten jedoch mehr, als dass sie nützten. Man werde aber für „größtmögliche Verbreitung sorgen“.