Pränataltest: Grundsatzdiskussion im Ausschuss

Berlin (pag) – Gesundheitsexperten diskutieren im Oktober in einer Anhörung des Gesundheitsausschusses mit der Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests (NIPT) neben den Vorteilen auch die Nachteile und Besonderheiten. Einige Sachverständige sprechen sich dafür aus, die Auswirkungen der aktuellen Rechtslage systematisch zu überprüfen und auf diese Weise an aufschlussreiche Daten zu kommen.

© stock.adobe.com, RFBSIP
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In einem interfraktionellen Antrag fordern Abgeordnete, die Folgen der Kassenzulassung des NIPT systematisch auszuwerten. Nach der Einigung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) ist der NIPT seit Juli 2022 eine Kassenleistung, sofern die Schwangere zusammen mit dem Gynäkologen zu dem Schluss kommt, dass der Test notwendig sei.

Dem Berufsverband der Frauenärzte zufolge finden Aufklärung und Beratung der Frauen auf höchstem Niveau statt. Die fachgebundene genetische Beratung zur NIPT-Trisomie dürfe nur von dafür qualifizierten Ärzten erbracht werden. Daher stelle sich die Frage, welches übergeordnete Gremium die Qualität weitergehend überprüfen solle.

Der Verein „mittendrin“, ein Zusammenschluss von Eltern behinderter Kinder, kritisiert, dass mit der Kassenfinanzierung des NIPT die gesellschaftliche Vereinbarung getroffen werde, dass ein Kind mit Trisomie vermeidbar ist. Der Test verschiebe den Blick auf Behinderung von einer sozialen zu einer individuellen Verantwortung. Behinderung lasse sich aber nicht wegtesten. Es sei besorgniserregend, dass es bei einer breiten Anwendung des NIPT auch bei jüngeren Schwangeren vermehrt zu falsch positiven Befunden komme.

Vergebliche Bitte

Der G-BA-Vorsitzende Prof. Josef Hecken erinnert in der Anhörung an vergebliche Bitten in den vergangenen Jahren, die Nutzung molekulargenetischer Testverfahren in der Schwangerschaft politisch zu regeln, da es sich um fundamentale ethische Grundfragen handele. Hecken betont, der Bluttest sei nicht als Einstieg in ein Massenscreening gedacht.

Prof. Marion Baldus von der Hochschule Mannheim gibt zu bedenken, dass der niederschwellige Test von den Frauen als geprüfte und sinnvolle Maßnahme eingeschätzt werde. Im Vordergrund stünden die Sicherheit und Sorgenfreiheit und der Wunsch nach Bestätigung, ein gesundes Kind zu bekommen. Sie hebt hervor: Sobald der NIPT als Kassenleistung breit eingesetzt werde, werde er zur Norm. Dies sei derzeit zu beobachten.
Zu Wort kommt in der Anhörung auch Carina Kühne, die selbst das Down-Syndrom hat und eindringlich dafür wirbt, mehr Verständnis für Menschen mit einer Anomalie aufzubringen. Es mache sie traurig, wenn Schwangerschaften abgebrochen werden.

Der Antrag sieht neben dem Monitoring zur Umsetzung und zu den Folgen der NIPT-Kassenzulassung ein durch Expertinnen und Experten besetztes interdisziplinäres Gremium vor. Dieses soll die rechtlichen, ethischen und gesundheitspolitischen Grundlagen der Kassenzulassung prüfen.

Weiterführender Link:
Interfraktioneller Antrag, die Folgen der Kassenzulassung des NIPT systematisch auszuwerten.

Kulturwandel in der Geburtshilfe gefordert


Berlin (pag) – Das neu gegründete „Bündnis gute Geburt“ fordert konkrete Verbesserungen und einen grundlegenden Kulturwandel in der Geburtshilfe, der Mutter und Kind ins Zentrum rückt.

Zu den fünf Gründungsorganisationen gehören: Arbeitskreis Frauengesundheit, Mother Hood, Deutscher Hebammenverband, Deutscher Frauenrat sowie Bundesarbeitsgemeinschaft kommunaler Frauenbüros und Gleichstellungsstellen.
Das Bündnis kritisiert die „anhaltenden Missstände in der Versorgung von Frauen und Familien rund um die Geburt und in den ersten Lebenswochen des Säuglings“. Viele Gebärende durchlebten psychisch belastende oder traumatische Geburten, die Frauen, Kinder und Familien prägen. Ebenso wirkten sich massive strukturelle Defizite und eine mangelhafte Personalausstattung negativ auf die Arbeit von Hebammen sowie Ärztinnen und Ärzten aus, die auch die Versorgung von Frau und Kind beeinträchtigen.

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Mehr Geld für Geburtshilfe

Das „Bündnis gute Geburt“ appelliert an alle Verantwortlichen, wirksame Maßnahmen zu ergreifen, um schnellstmöglich Verbesserungen in der Versorgung herbeizuführen. Ziel müsse sein, werdende Mütter und Familien in den Mittelpunkt der Geburtshilfe zu rücken, sie wertzuschätzen und rund um die Geburt angemessen zu unterstützen. Entsprechende Strukturen und Angebote seien in Praxen, Kreißsälen, auf Wöchnerinnenstationen und während des Wochenbetts zu schaffen. 
Unterdessen konstatiert die von Bundesgesundheitsminister Prof. Karl Lauterbach einberufene Krankenhauskommission in ihrer ersten Stellungnahme, dass der Abbau von Abteilungen gepaart mit steigenden Fallzahlen in Pädiatrie und Geburtshilfe zu Unterversorgung führe. Um kurzfristig den Druck rauszunehmen, sollen die Fachbereiche schon Anfang 2023 mehr Geld erhalten.


Gewalt unter der Geburt


Erst kürzlich hat der Arbeitskreis Frauengesundheit in Medizin, Psychotherapie und Gesellschaft (AKF) einen Bericht mit dem Titel „Gewalt unter der Geburt – wie werden Betroffene und die Öffentlichkeit dazu sinnvoll informiert?“ veröffentlicht. Erstellt wurde dieser im Auftrag des Bundesfamilienministeriums. Der Bericht basiert auf den Gutachten von Professoren der Gesundheits- und Hebammenwissenschaften, einer Expertin für Migrationsgesundheit, einer Medizinjournalistin und Vertreterinnen von Betroffeneninitiativen. Sie erörtern ausführlich die Möglichkeiten und Wege einer sinnvollen Information zu Gewalt unter der Geburt. Die unterschiedlichen und weit gefächerten Empfehlungen der Gutachterinnen zeigen, dass in Deutschland strukturierte und planvolle Maßnahmen zur Aufklärung über respektlose und traumatisierende Geburten ergriffen werden sollten, hält der AKF fest. Die Gutachten samt den Empfehlungen des Arbeitskreises hält letzterer für einen „ersten hoffnungsvollen Schritt“, um das Thema gesundheitspolitisch in den Fokus zu rücken und endlich konkrete Maßnahmen zur Sensibilisierung und Beseitigung von Respektlosigkeit und Gewalt unter der Geburt zu ergreifen.

NIPT – Update und Frustrationen

Berlin (pag) – Für die nicht-invasive Trisomie-Pränataldiagnostik (NIPT-Trisomie) hat der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) kürzlich die letzte Hürde aus dem Weg geräumt. Der Ärger über den Bundestag ist in dem Gremium immer noch groß.

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„Irgendwann wird das Parlament Farbe bekennen müssen“, sagt der Unparteiische Vorsitzende des G-BA, Prof. Josef Hecken, auf einer öffentlichen Sitzung. Trotz der Bitte des G-BA an den Bundestag, über die Zulässigkeit pränataler Bluttests zu entscheiden, habe dieser zwar im April 2019 darüber eine Grundsatzdebatte geführt, sich bis heute aber nicht eindeutig zu den ethisch umstrittenen Diagnostikmethoden positioniert, kritisiert Hecken.

„Ethisch nicht vertretbares Massenscreening“

Er betont, dass der G-BA im September 2019 nicht leichtfertig den Beschluss gefasst habe, die NIPT-Trisomie in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufzunehmen. Die Beweggründe stellt Hecken noch einmal dar: Zum einen gehörten seit 1975 die invasiven, mit Fehlgeburts-Risiko behafteten Verfahren wie Fruchtwasseruntersuchung und Plazenta-Biopsie zum GKV-Leistungskatalog. Zum anderen sei der nichtinvasive Bluttest, der keine Fehlgeburten auslöse, seit 2012 zugelassen. Er stehe „in der Versorgung zur Verfügung auf eigene Kosten“, so Hecken. „Frauen, die es sich leisten können, zahlen den Test selbst, während die, die nicht die finanziellen Mittel haben, sich und das Kind den Risiken aussetzen müssen bei den invasiven Methoden.“

Damit die NIPT-Trisomie Kassenleistung werden kann, hat der G-BA einer Versicherteninformation zu dem Thema zugestimmt, die von den Ärzten bei der Aufklärung und Beratung mit eingesetzt werden muss. Als ethisch nicht vertretbares Massenscreening sei die NIPT-Trisomie nicht gedacht, betont Hecken. Sie dürfe als Kassenleistung nur in begründeten Einzelfällen und nach ärztlicher Beratung durchgeführt werden. Allein eine statistisch erhöhte Wahrscheinlichkeit für Trisomie reiche nicht aus

Abgelehnt hat der G-BA im Übrigen einen Antrag der Patientenvertreter, Schwangeren zusätzlich zu den spezifischen NIPT-Trisomie-Aufklärungsbögen auch noch generelle Informationen zu anderen Möglichkeiten genetischer Pränataltests auszuhändigen. Diese seien zwar „supergut“, so Josef Hecken. Sie verunsicherten jedoch mehr, als dass sie nützten. Man werde aber für „größtmögliche Verbreitung sorgen“.