In Kürze

Gesellschaftlicher Blick auf Gesundheit

Berlin/Magdeburg (pag) – Verschiedene Blickwinkel auf das Thema Gesundheit und Gesellschaft: Die Nationale Akademie der Wissenschaften Leopoldina widmet der „Gesundheitlichen Ungleichheit im Lebensverlauf“ ein Symposium. Um die „gesellschaftlich Abgehängten“ geht es auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Soziale Psychiatrie (DGSP) in Magdeburg.

„Wer sich von der Gesellschaft abgehängt und ausgeschlossen fühlt, der wird krank“, bringt es Diplom-Sozialpädagoge und DGSP-Vorstand Stefan Corda-Zitzen bei der Jahrestagung auf den Punkt. Dem Thema ihres Treffens, „Sozialpsychiatrische Versorgung unter dem Gesichtspunkt gesellschaftlicher Ungleichheiten“, nähert sich die Fachgesellschaft auf unterschiedlichen Ebenen. Mehrere Referenten betonen, wie wichtig eine aktive Zivilgesellschaft für den stabilen sozialen Zusammenhalt in einer Region sei. Angelika Lacroix, Pflegedienstleiterin beim Klinikum Bremerhaven, beschreibt das Potenzial von Genesungsbegleitern im psychosozialen Versorgungssystem. Und Prof. Henning Daßler von der Hochschule Fulda erläutert, wie Empowermentstrategien dabei unterstützen können, Hilfsstrukturen zu entwickeln. Angesichts ökonomischer Zwänge und dem Erleben von „Entmächtigung“ im gemeindepsychiatrischen Alltag gebe es bei den Professionellen häufig keinen Willen für notwendige und innovative Veränderungen im psychosozialen Versorgungssystem. Insbesondere durch Netzwerkbildung und fachpolitisches Engagement ließe sich dem entgegenwirken.

iStock.com, olaser
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Umverteilung von unten nach oben

Bei der Leopoldina-Tagung geht es unter anderem um die Auswirkungen der sozioökonomischen Lage auf die Lebensdauer. Die Unterschiede in der Lebenserwartung sind hierzulande enorm, wie Prof. Johannes Siegrist, Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, darstellt: Frauen aus wohlhabenden Verhältnissen in Deutschland lebten vier bis sechs Jahre länger als arme Frauen, bei Männern betrage diese Differenz im Durchschnitt acht Jahre. „Die Thematik gewinnt leider zunehmend an Relevanz“, sagt Prof. Ursula Staudinger von der Columbia Universität in New York, denn offenbar wächst die gesundheitliche Ungleichheit mit dem Wohlstand eines Landes. Entsprechende Analysen diskutieren die Experten auf der Tagung. „Wir sehen weltweit in den entwickelten Ländern ein Auseinanderdriften der Schere“, sagt Staudinger. Auf Konsequenzen für das Rentensystem weist Prof. Peter Haan vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung hin. Da ärmere Menschen früher sterben, zahlen sie im Laufe ihres Lebens mehr in das System ein, als sie tatsächlich im Rentenalter beziehen. Demnach finanzierten einkommensschwache Bürger quasi die Rente der Wohlhabenderen. Haan spricht von einer Umverteilung von unten nach oben, dieses Phänomen werde sich in den kommenden Jahren noch verstärken.